Der Verein Acker ist Drahtzieher des Projekts in Weilerswist, mit dem schon bald losgelegt wird. In der Gesamtschule wurden nun die Pläne vorgestellt.
Gemüse und GemeinschaftWeilerswist bekommt einen Gemeindeacker

Der Gemeindeacker in Mönchengladbach hat im vergangenen Jahr schon reichlich Gemüse hervorgebracht.
Copyright: Tim Genders
Ökologisch soll er sein, natürlich. Aber auch inklusiv. Und pädagogisch wertvoll. Lecker obendrein. Auf dem Weilerswister Gemeindeacker soll nicht nur Gemüse gedeihen, sondern auch Gemeinschaft.
Wie das funktionieren kann, erfuhren die Bürgerinnen und Bürger bei einer Informationsveranstaltung in der Gesamtschule. Tim Genders vom Verein „Acker“ stellte das Projekt vor, das Teil der „Essbaren Kommune“ Weilerswist ist.
Gut 25 Interessierte waren gekommen, vom Senior bis zur Familie mit Kindern. Wie viele von ihnen tatsächlich zu Hacke und Spaten greifen werden, bleibt abzuwarten. Und vor allem: Wie viele werden noch dabei sein, wenn in drei Jahren der Gemeindeacker tatsächlich in die Hände der Bürgerschaft übergehen wird?
Weilerswist ist, nach Neuss und Mönchengladbach, der dritte Modellstandort, an dem ein Gemeindeacker, gefördert vom Umweltministerium, entsteht. Bürgermeisterin Anne Horst freute sich, dass die Kooperation klappt: „Da haben wir das große Los gezogen.“ Denn immer mehr Menschen verlören den Bezug zu Nahrung als natürlicher Ressource.

Tim Genders von Acker e.V. stellte die Pläne vor. Mehr als 25 Interssierte waren gekommen.
Copyright: Ulla Jürgensonn
Auf dem Gelände an der Swiststraße haben die Arbeiten begonnen. Der Boden des zehnmal 15 Meter großen „Ackers“ ist aufgelockert, das Areal eingezäunt. Denn es soll zwar für alle Menschen zugänglich sein, aber nicht für Hasen oder Kaninchen, die die Pflanzen annagen, oder für Hunde, die dort ihr Geschäft verrichten.
Einen Pflanzplan gibt es auch schon, in den ersten Jahren werden Saatgut und Pflanzen geliefert. 13 Beete soll es geben, auf denen vom Frühjahr bis zum Herbst Bohnen, Salat, Möhren, Mangold und jede Menge weiteres Gartengemüse gedeihen sollen. Wie viel man da denn ernten könne, fragte eine Besucherin angesichts der nicht sehr großen Fläche: „Das reicht ja nicht mal für einen Bohnensalat.“
Eine Vergrößerung des Weilerswister Ackers ist denkbar
Den Acker zu vergrößern sei kein Problem, sagte Anne Horst. Das Land gehöre ja der Gemeinde. Doch sie appellierte: „Lassen Sie uns klein anfangen und dann mit Begeisterung groß werden.“ Das Projekt müsse von vielen Händen getragen werden.
Andere hatten Bedenken, weil dort jeder ernten könne, auch wenn er oder sie gar nicht bei der Pflege der Beete mitgeholfen hat. Es sei Teil des Konzepts, dass untereinander geteilt werde, erklärte Tim Genders. „Optimistisch“, murmelte einer der Zuhörer.
Mehrere Hochbeete werden angelegt, einige sind so konstruiert, dass ein Rollstuhl ein Stück weit drunterfahren kann, so dass der Rollifahrer das Beet bequem erreicht. Denn: Der Gemeindeacker ist für jeden da, für wirklich jeden, ob Kindergartenkind oder Senior, für Menschen mit Rollator ebenso wie mit dem Rollstuhl.

Die Arbeiten am künftigen Gemeindeacker haben begonnen, die Fläche, auf der Gemüse angebaut werden soll, ist bereits eingezäunt.
Copyright: Gemeinde Weilerswist
Die Vision ist, dass alle zusammen den Acker pflegen und nutzen, jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Und dass sie dabei ins Gespräch kommen, dass beispielsweise die Seniorin, die den eigenen Garten nicht mehr beackern kann, Kinder an ihren Erfahrungen teilhaben lässt. Und dass die Jüngeren dann vielleicht für sie den Salat pflücken, nach dem sie sich nicht mehr bücken kann. Die Gartengeräte werden in einem Container auf dem Gelände gelagert. Der solle in der übernächsten Woche aufgestellt worden, sagte Sina Richter, die das Projekt von der Kommune aus betreut. Sitzgelegenheiten kommen auch noch an den Rand der Fläche.
Lebensmittel mehr wertschätzen
Der Sinn des Gemeindeackers sei nicht, dort den tatsächlichen Bedarf an Salat und Gemüse zu decken, erklärte Tim Genders. Er solle vielmehr erfahrbar machen, wie Lebensmittel entstehen, damit ihnen dann wieder die angemessene Wertschätzung entgegengebracht werde.
Sina Richter setzt sich dafür ein, dass beispielsweise die Tafel, die Lebenshilfe, Senioreneinrichtungen oder das Flüchtlingsheim am Gemeindeacker teilhaben, dass ihnen beispielsweise Hochbeete mit Gemüse zur freien Verfügung gestellt werden. Das Echo sei positiv gewesen. Kontakt zu Schulen und Kindergärten sind auch bereits geknüpft.
Wenn der Verein Acker in drei Jahren sein Projekt beendet, sollte ein Team mit zehn bis 15 Leuten entstanden sein, das dann in eigener Regie weitermacht. So hofft es Tim Genders. Die Teamarbeit auf dem Gemeindeacker fängt aber nicht erst in drei Jahren an. Im April und Mai sind die ersten Termine zum Säen und Pflanzen geplant.
Natur und Lebensmittel wertschätzen
„Wir träumen von einer Gesellschaft, die Natur und Lebensmittel wertschätzt.“ So wird der Grundgedanke des Vereins Acker e. V. auf dessen Homepage beschreiben. Gegründet hat ihn Christoph Schmitz, der am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung promoviert hat, im Jahr 2014, zunächst unter dem Namen Ackerdemia.
Mittlerweile hat der Verein mehr als 200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dazu Hunderte Ehrenamtler. Finanziert wird er über Förderprogramme und Spenden. Acker e. V. arbeite mit mehr als zehn wissenschaftlichen Instituten zusammen und analysiere die Wirkung seiner Programm aus mehreren Perspektiven, heißt es vom Verein.
Neben dem Gemeindeacker, der für Menschen jeder Altersklasse gedacht ist, gibt es gibt es Bildungsprogramme für Kinder mit Namen wie Gemüseklasse oder Ackerracker, aber auch die Gemüseackerdemie für Kinder und Jugendliche.
Naschbares an vielen Orten der Gemeinde
Im kleinen Park am Bahnhof ein paar Beeren naschen, in Lommersum einen Apfel pflücken, in Müggenhausen eine Hand voll Nüsse aufsammeln und am Ende sogar – in ein paar Jahren – ein Glas des Weins genießen, dessen Trauben am Swister Turm gereift sind. All das wird möglich, weil Weilerswist zur Essbaren Gemeinde wird.
Und das ist erst der Anfang. Doch die Vision, dass öffentliches Grün so umgestaltet wird, dass dort Leckeres und Nahrhaftes gedeiht, an dem sich jeder bedienen kann, nimmt mehr und mehr Form an. Weil Weilerswist keinen Stadtkern im klassischen Sinn hat, werden in jedem Ortsteil Flächen angelegt, auf denen Obst oder Kräuter gedeihen.
Essbare Gemeinde Weilerswist ist ein Leader-Projekt, wird also von der Europäischen Union unterstützt. Außerdem gibt es einen Förderverein. Wichtig sei, die Bürgerinnen und Bürger einbinden, sagt Sina Richter, im Fachbereich Planen und Bauen für die Grünflächen zuständig. Sie stimme sich mit dem Kinder- und Jugendparlament ab, um auch den Nachwuchs in das Projekt einzubeziehen. Schließlich geht es nicht nur ums Naschen, sondern darum, Interesse an ökologischen Zusammenhängen und gesunder Ernährung zu wecken.
Am Bahnhof Weilerswist soll ein Aromengarten mit Kräutern und Beerensträuchern entstehen, in Hausweiler an der Erft werden an einer Sitzecke Beerensträucher gepflanzt, in Müggenhausen wird ein brachliegender Acker zum Essbaren Bolzplatz. In Lommersum werden alte Apfelsorten kultiviert, dort können Interessierte auch Obstbaumschnitt lernen.
In Vernich ist eine Streuobstwiese geplant, um alte Sorten zu erhalten. Dort soll ein Imker seine Bienenstöcke aufstellen. In Metternich am Friedhof sollten eigentlich Hochbeete angelegt werden, stattdessen werden Obst- und Nussbäume. Bürger hatten sich das gewünscht, weil sie sich um die Bäume kümmern möchten. Am Swister Berg schließlich werden Weinstöcke gesetzt, um die sich der dort ansässige Verein kümmern wird.