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Frust an NRW-Flughäfen: Regierung will ausländische Helfer

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Düsseldorf/Berlin – Urlaubsfrust statt Reiselust, gestrichene Flüge, stundenlange Wartezeiten, liegengebliebene Koffer: Für Zehntausende Menschen in Nordrhein-Westfalen haben die Sommerferien am Wochenende mit einer Nervenprobe begonnen. An den Airports herrschte Personalnot, verschärft durch coronabedingte Ausfälle. Die Bundesregierung will die Situation bald in den Griff bekommen.

In Düsseldorf etwa berichteten Reisende am Samstag einem Reporter der Deutschen Presse-Agentur, dass sie bereits seit fünf Stunden am Flughafen warteten. Dabei seien sie extra frühzeitig angereist. Ärger gab es dort mit der Gepäcktransportanlage, die sich ausgerechnet zum Ferienbeginn von ihrer anfälligen Seite zeigte.

Nach einer Störung am Freitag sei es am Samstag erneut zu einer Störung in einem Teil der Anlage gekommen, teilte der Flughafen mit. „Es ist daher nicht auszuschließen, dass heute Gepäck in Düsseldorf zurückbleiben wird”, hieß es am Samstag. Am Sonntag rollten die Bänder wieder. Dafür fielen am Sonntag in Düsseldorf 15 Starts und 16 Landungen aus. Fluglinien hatten wegen kranker Crews in den vergangenen Tagen zahlreiche Flüge gestrichen.

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Problemlos gestalteten sich in Düsseldorf die Sicherheitskontrollen, die in den vergangenen Wochen oft der kritische Punkt waren. „Wir haben in Düsseldorf 10 bis 15 Minuten Wartezeit und sind damit sehr zufrieden”, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Gerade noch rechtzeitig hatte die Bundespolizei einen zweiten Dienstleister zur Unterstützung verpflichten können. Der Hauptdienstleister rekrutierte zudem zusätzliche Hilfskräfte.

Am Airport Köln/Bonn sah das am Samstag ganz anders aus: „Dort haben wir an den Sicherheitskontrollen Wartezeiten von 60 bis 90 Minuten”, so der Sprecher. Dies liege an krankheitsbedingten Personalausfällen von mehr als 100 Mitarbeitern. „Das kann man dann nicht mehr kompensieren.”

Gegen die Personalnot an den Flughäfen in Deutschland will die Bundesregierung nun die Möglichkeit zur befristeten Anstellung ausländischer Hilfskräfte schaffen. Dies sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der „Bild am Sonntag” („BamS”). „Dabei wollen wir jede Form von Sozialdumping und Ausbeutung ausschließen. Die Arbeitgeber müssen Tariflohn zahlen und für die befristete Zeit anständige Unterkünfte bereitstellen.”

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach in der Zeitung von einer mit Heil und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) abgestimmten Aktion, mit der man die Personalengpässe an deutschen Flughäfen „abstellen und eine temporäre Lösung präsentieren” wolle. Faeser ergänzte: „Wir werden ermöglichen, dass Hilfskräfte aus dem Ausland zum Beispiel bei der Gepäckabfertigung eingesetzt werden.” Hier gelte: „Bei der Sicherheit gibt es keine Abstriche.”

Unter Berufung auf Regierungskreise schrieb die Zeitung, Ziel sei es, eine vierstellige Zahl an Fachkräften aus der Türkei zu holen, die bestenfalls schon ab Juli für einige Monate eingesetzt werden könnten. Kurz vor Beginn der Haupturlaubszeit hatte etwa die Lufthansa angekündigt, insgesamt knapp 3000 Flüge an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München zu streichen, weil sich vermehrt Besatzungen wegen Corona-Fällen krankmeldeten.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte den Vorstoß der Bundesregierung. Dies sei insbesondere bei der Gepäckabfertigung hilfreich. Bei den Luftsicherheitskontrollen dürften jedoch nur „qualifizierte und zertifizierte Kräfte” eingesetzt werden, sagte GdP-Landesvorstand Arnd Krummen der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung” (Montag).

Bereits am Freitag - dem letzten NRW-Schultag - war es an den Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf zu langen Schlangen an den Sicherheitskontrollen und Check-in-Schaltern gekommen. Da viele Menschen nach der coronabedingten Zwangspause wieder in den Urlaub fliegen, verliere das Auto etwas an Bedeutung, hatte der ADAC prognostiziert. Entsprechend ruhig blieb es auf den Autobahnen in NRW, auf denen nicht nur die Reisewelle ausblieb, sondern zeitweise sogar weniger los war als an einem normalen Wochenende.

Die Deutsche Bahn verzeichnete dagegen verstärkten Reiseverkehr. Es sei mehr los als an normalen Wochenenden, sagte ein Sprecher. Hinzu kommt noch das 9-Euro-Ticket, das es nun seit fast vier Wochen gibt. Damit können Fahrgäste im Juni, Juli und August im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch ganz Deutschland reisen.

„Natürlich wird es auf den einzelnen Regionalverkehrsstrecken, zwischen den großen Städten in NRW und Richtung Nordsee zu angespannten Situationen kommen”, teilte der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf den Ferienbeginn mit. Auch im Bahnverkehr gab es am Sonntag in NRW Probleme mit Personalmangel: Wegen kurzfristiger Personalausfälle fielen Zugverbindungen aus, meldete die Eurobahn.

Als erstes der 16 deutschen Bundesländer war mit Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Land am Freitag in die Sommerferien gestartet. Eine Woche später folgen die Küstenländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, am Mittwoch danach (6.7.) Hamburg, Berlin und Brandenburg. Als letzte sind die südlichen Länder Baden-Württemberg und Bayern an der Reihe - Ende Juli beziehungsweise zum 1. August.

© dpa-infocom, dpa:220624-99-789095/6 (dpa)