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Infektion im Kreis HeinsbergGangelter leben im Corona-Modus

Lesezeit 5 Minuten
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Im Ortskern von Gangelt sind nur wenige Menschen unterwegs.

  1. Im Kreis Heinsberg herrscht wegen des Coronavirus der Ausnahmezustand.
  2. 1000 Menschen sind unter Quarantäne. Schulen und Kindergärten bleiben eine weitere Woche geschlossen.
  3. Die Menschen in der Ortschaft Gangelt, wo die aktuelle Infektionswelle ihren Ursprung hat, nehmen die Lage gelassen.

Kreis Heinsberg – Den ganzen Freitag über hat der Corona-Krisenstab im Kreis Heinsberg getagt. Als Landrat Stephan Pusch um 16 Uhr im Kreishaus vor die Presse tritt, bringt er zumindest eine gute Nachricht mit. „Von den 35 Infizierten kommen bis auf das Ehepaar, das in der Uniklinik Düsseldorf behandelt wird, wohl alle mit einer häuslichen Behandlung aus“, sagt Stephan Pusch.

Auch die Kinder und Verwandten des Paares seien negativ getestet worden. Die Testergebnisse der Kinder aus der Kita, in der die Frau als Kindergärtnerin arbeitet, lagen am Samstagmorgen noch nicht vor.

Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen

Schulen und Kindergärten im Kreis Heinsberg werden wohl auch über den Montag hinaus noch bis zum kommenden Freitag geschlossen bleiben, kündigt der Landrat an. „Derzeit spricht viel dafür, sie noch weitere vier Tage zuzulassen.“ In der kommenden Zeit müsse man sich darauf konzentrieren, bei steigenden Fallzahlen das Gesundheitswesen funktionsfähig zu halten.

„Wir werden mit dem Gesundheitsministerium des Landes ein Verfahren absprechen, wie wir mit medizinischem Personal umgehen, das einmal kurzzeitig ohne Schutz in Kontakt mit einem Infizierten war, aber keinerlei Symptome zeigt“, sagt Pusch. Nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) müssten solche Menschen für 14 Tage unter Quarantäne gestellt werden.

„Was das bedeutet, haben wir im Krankenhaus Erkelenz gesehen“, sagt der Landrat. „Da standen auf einen Schlag zwölf Fachkräfte nicht mehr zur Verfügung.“

Man habe mit dem Land auch vereinbart, dass die Kliniken und Ärzte im Kreis Heinsberg ausreichend mit Hygienematerial versorgt sind. Genügend Teströhrchen seien auch vorhanden. „Dennoch müssen wir damit vorsichtig umgehen, weil die Laborkapazitäten begrenzt sind.“

Pusch kündigt an, dass sich bei einer Ausweitung der Pandemie die strengen Quarantäne-Regeln wohl nicht halten lassen. „Ich kann nicht den halben Kreis Heinsberg lahmlegen. Dann müsste ich den halben Krisenstab nach Hause schicken. Jeder hatte mittelbar mit jemandem zu tun, der mit einem Infizierten in Kontakt war.“

Sperrbezirke wird es nicht geben

Dass Gangelt mit seinen 11.600 Einwohnern zum Sperrbezirk erklärt werden könnte, ist ausgeschlossen. Offenbar war Bürgermeister Bernhard Tholen (CDU) angesichts von 1000 Menschen, die unter Quarantäne stehen, so beeindruckt, dass er am Donnerstag einen Sperrbezirk in einem Hörfunk-Interview nicht ausschließen will.

„Es fallen immer mehr Menschen aus. Irgendwann sind wir alle betroffen. Dann kann es passieren, dass wir für eine gewisse Zeit abgeschottet werden müssen. Damit müssen wir dann leben und sollten zusammen diese Situation durchstehen.“ Am Freitag dementiert der Kreis Heinsberg. „Das wird es nicht geben, solange ich hier im Amt bin“, sagt Landrat Pusch.

In Gangelt reagieren die Menschen weiterhin sehr gelassen darauf, dass sie in Deutschland „die Spitze des Eisbergs“ bilden, wie Pusch es formuliert. An der Grenzland-Apotheke im Ort werden die Menschen nur noch durch den Notfallschlitz bedient.

Gangelt_Apotheke

Menschen warten vor der Grenzland-Apotheke in Gangelt. Bedient wird dort nur noch durch die Nachtdientstklappe. 

In der Warteschlange ist das Coronavirus natürlich das einzige Gesprächsthema. Nahezu jeder hat im Familien- oder Bekanntenkreis Betroffene, die unter häuslicher Quarantäne stehen. „Vieles wird schlimmer dargestellt, als es ist“, sagt Monika Reiss, die Medikamente gegen die ganz normale Grippe holen muss.

Ihr Hausarzt habe ihr gesagt, dass sie mit normalen Erkältungserscheinungen ruhig vorbeikommen könne. „Das läuft hier auch anders, als es in den Medien berichtet wird. Ich fürchte, dass sich die Infektionsketten nur schwer unterbrechen lassen.“

Im Karneval seien die Menschen in den Ortschaften doch überall unterwegs gewesen. „Die Jugendlichen haben am Karnevalszug gemeinsam aus einer Flasche getrunken, die Getränke untereinander getauscht.“

Sie habe auch keine Hamsterkäufe beobachtet. „Mehl war hier und da mal ausverkauft. Und in den Bäckereien gibt es kein Brot vom Vortag mehr, aber frisches Brot kriegt man immer noch.“

Vereine besuchen sich im Karneval

Karl Paulus kann das nur bestätigen. Im Karneval sei es üblich, dass sich die Vereine untereinander besuchten. „Der Mann, der so schwer erkrankt ist, war doch nicht nur in Langbroich auf der Kappensitzung.“

Das kann eine 29-Jährige, die ihren Namen nicht nennen möchte, bestätigen. Am Tag zuvor habe in Gangelt noch das Warm-up der KG Muhrepenn mit 20 Tanzgruppen stattgefunden. „Hier laufen die dollsten Gerüchte durchs Dorf. Dass die komplette Tanzgruppe aus Gangelt infiziert sei.“

Sie schreibe ihre Bekannten lieber an und erkundige sich persönlich. „Wenn man das ganz ernst nimmt, dürfte eigentlich keiner mehr vor die Tür.“

Wilfried Gossen ist der Präsident der Karnevalsgesellschaft „Langbröker Dicke Flaa“, die die Kappensitzung veranstaltet. An der hat der 47-jährige Unternehmer teilgenommen, der seit Tagen in der Düsseldorfer Uniklinik um sein Leben ringt.

Gossen muss wie 300 weitere Sitzungsbesucher noch bis Samstag unter Quarantäne bleiben. Er habe ein umfangreiches Merkblatt von der Kreisbehörde bekommen, wie er und seine Familie sich verhalten sollen, sagt er am Telefon.

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Dabei geht es in erster Linie darum, auf die Symptome zu achten. „Bei leichtem Schnupfen greifen die Behörden nicht ein. Nur, wer hohes Fieber hat, wird untersucht“, sagt Gossen. „Meine Frau und ich, wir befinden uns allerdings bei bester Gesundheit.“ Ähnlich verhält es sich nach seinen Angaben mit vielen Bekannten, die sein Schicksal teilen. Ständig stehe er mit ihnen in Kontakt.

Noch muss der Karnevalspräsident jeglichen persönlichen Kontakt zur Außenwelt meiden. „Aber in diesem Ort kennt ja jeder jeden.“ Und so gehen Bekannte für die Familie einkaufen und legen die Lebensmittel am Eingang ab.

„Manche Discounter haben angeboten, nach Hause zu liefern, aber davon haben wir noch keinen Gebrauch gemacht.“

Einer der Besucher der Kappensitzung, der im Kreis Heinsberg wohnt und sich mit dem Coronavirus infiziert hat, arbeitet bei der Bergheimer Knappschaft im Rhein-Erft-Kreis. Deshalb wurde die Geschäftsstelle für 14 Tage geschlossen. 170 Mitarbeiter müssen daheim unter Quarantäne bleiben. Am Samstagmorgen war die Zahl der Infizierten im Kreis Heinsberg auf 38 gestiegen.