Düsseldorf – Begleitet von Protesten hat der Landtag mit schwarz-gelber Mehrheit die Vorgaben für den Denkmalschutz liberalisiert. In seiner vorletzten Sitzung in dieser Legislaturperiode verabschiedete der Landtag am Mittwoch gegen die Stimmen von SPD, Grünen und AfD das neue Denkmalschutzgesetz.
Denkmalgeschützte Gebäude wie Höfe, Burgen, Schlösser, Wohn- oder Handelshäuser können künftig leichter umgenutzt werden. Das neue Gesetz erleichtert auch den Einsatz erneuerbarer Energien, etwa die Installation von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Dächern. Auch die Barrierefreiheit von Wohnraum wird nun berücksichtigt. Das Gesetz tritt am 1. Juni in Kraft. Das bisherige Gesetz war mehr als 42 Jahre alt.
Bis zuletzt hatten Fachverbände gegen den Entwurf gekämpft. Noch am Mittwoch demonstrierten die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und das Denkmalschutz-Bündnis NRW während der Plenarsitzung vor dem Landtag. In einer „Düsseldorfer Erklärung” kritisierte das von 13 Initiativen getragene Bündnis, mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz werde Rechtsunsicherheit geschaffen, das Vier-Augen-Prinzip abgeschafft und sachfremden Belangen der Vorzug gegeben. Das schade dem Renommee Nordrhein-Westfalens als Kulturland.
Die gesammelte Opposition aus SPD, Grünen und AfD warf der schwarz-gelben Landesregierung vor, das Gesetz noch kurz vor der Landtagswahl am 15. Mai im Hauruck-Verfahren „durchpeitschen” zu wollen. Der Grünen-Abgeordnete Johannes Remmel sagte, CDU und FDP brächen „gegen die gesamte Fachwelt” das Gesetz übers Knie. „Es ist ein Kulturbruch”, sagte er. Für eine Online-Petition gegen das Gesetz waren rund 23 000 Unterschriften gesammelt worden.
Künftig ist bei der Umnutzung von denkmalgeschützten Gebäuden eine abgestufte Vorgehensweise vorgesehen, ohne den Denkmalwert zu gefährden. Außerdem muss nicht mehr jede der 396 Städte und Gemeinden in NRW einen Denkmalpfleger oder -pflegerin beschäftigen. Kleinere Gemeinden können sich eine Fachkraft teilen oder die Aufgabe an den Kreis delegieren. Ferner wird ein Landesdenkmalrat gebildet, in dem auch Kirchen und Religionsgemeinschaften vertreten sind. Dem Gremium sollen auch Kammervertreter, Heimatbünde, kommunale Spitzenverbände, Politiker und Wissenschaftler angehören.
Die Landschaftsverbände LVR und LWL befürchten eine Schwächung des Denkmalschutzes, denn ihre Denkmalfachämter haben ihrer Ansicht nach künftig kaum noch Einfluss auf Entscheidungen der Kommunen. Künftig müssen die Fachämter nur noch angehört werden. Bisher mussten Kommunen mit den Fachämtern „ein Benehmen” herstellen.
Der SPD-Abgeordnete Andreas Becker sagte, das Gesetz nehme den Fachbehörden den Einfluss. Stattdessen bekämen die Kommunen mehr Aufgaben aufgebürdet, womit gerade kleinere Gemeinden überfordert sein würden. „So eine Überlastung mit Ansage kann nicht gut gehen.” Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) betonte, dass die Landschaftsverbände lediglich die Aufgabe hätten, die Kommunen zu beraten. „Aber sie treten nicht an die Stelle der unteren Denkmalbehörden.” Scharrenbach sah auch keine Überforderung der Kommunen. „Unsere Kommunen können das. Sie können das seit 42 Jahren.”
Das deutsche Nationalkomitee des Internationalen Denkmalrats ICOMOS hatte den Gesetzentwurf als Rückschritt bewertet. Nach Angaben des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) zeigt das Gesetz schon vor Inkrafttreten negative Auswirkungen. Die Zahl der Abbruch-Anträge für Denkmäler sei gestiegen. Dagegen hatten etwa der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) und die Familienbetriebe Land und Forst das neue Gesetz gelobt. Der LWL beschäftigt 50 bis 60 Denkmalschutz-Experten - der LVR zwischen 60 und 80.
Das neue Gesetz solle die wirtschaftlichen Interessen von Eigentümern, Kommunen und Bauherren stärken und die Denkmalschutzämter entmachten, hatten Experten kritisiert. Die Fachpolitiker von CDU und FDP, Fabian Schrumpf und Stephen Paul, erklärten, das Gesetz rücke die Eigentümer von Denkmälern und deren Belange in den Mittelpunkt. Ihnen solle „die Angst vor dem Denkmalschutz” genommen werden. Das frühere Gesetz sei nicht mehr zeitgemäß gewesen. Nun bestehe die Hoffnung, dass durch moderne Nutzungsmöglichkeiten künftig mehr Gebäude erhalten würden und nicht verfielen. Die behutsame Nutzung einer denkmalgeschützten Immobilie sei der beste Schutz.
In NRW gibt es mehr als 80.000 eingetragene Baudenkmäler und mehr als 7000 eingetragene Bodendenkmäler. Rund 80 Prozent der Baudenkmäler sind in Privatbesitz. Zu den Bodendenkmälern gehören beispielsweise Ausgrabungsstätten wie ehemalige Römerlager und -städte, das jüdische Viertel in Köln, Burgen und Klöster. Bodendenkmäler fallen nicht unter die Vorgaben des neuen Gesetzes. Die AfD verwies darauf, dass 1,5 Prozent des Baubestandes in NRW unter Denkmalschutz stehe.
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