Leichlingen – Den 30. Juni 2017 wird Herbert Reul nie mehr vergessen. Der Tag, an dem er Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalens wurde, gehört zu den aufregendsten im sehr abwechslungsreichen Berufsleben des Leichlinger Christdemokraten. Am vergangenen Wochenende erst hat er erfahren, dass er das vielleicht wichtigste Regierungsamt im Kabinett von Armin Laschet übernehmen soll. Was das bedeutet, hat er aber erst am Freitag in Düsseldorf hautnah gespürt.
Zwischen Staatskanzlei und Landtag ging es Schlag auf Schlag: Am Morgen bekam er vom Ministerpräsidenten seine Ernennungsurkunde überreicht. Am Mittag folgte die Vereidigung. Mit seinem Vorgänger Ralf Jäger (SPD) hat er sich ebenso direkt getroffen wie mit seinem Staatssekretär, dem bisherigen Leverkusener und Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies. Und an diesem Tag wurde Herbert Reul erst so richtig klar, dass sich sein Leben ändern wird. Sein aktueller Gemütszustand? „Ich bin noch total hin- und hergerissen, das ist alles neu und aufregend“, machte er am Mittag beim Telefonat mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ kein Geheimnis aus seiner aufgewühlten Stimmungslage. Dass er plötzlich Innenminister ist, Vorgesetzter einer Behörde mit über 1000 Menschen und als Chef des Lagezentrums der Landesregierung Tag und Nacht im Einsatz sein wird, kann Reul selbst noch nicht ganz fassen.
Wechsel mit Familie besprochen
Sicherheitsaspekte stehen in Zeiten der Bedrohung durch islamistischen Terror nicht nur in seinem Aufgabenbuch als oberster Chef der Polizei. Sie werden auch das Privatleben des 64-Jährigen und seiner Familie durchdringen. Gleich am ersten Tag wurde ihm klar gemacht, dass er ab jetzt zu den am besten beschützten Politikern in der Republik gehört, Leibwächter fortan fast jeden seiner Schritte begleiten und öfter Streifenwagen vor seinem Haus stehen werden. In Leichlingen wird er wohnen bleiben, versicherte er. Er hoffe, künftig öfter zu Hause sein zu können als in seinem bisherigen Nomadenleben zwischen Brüssel und Straßburg, Berlin und dem Wahlkreis im Bergischen Land. Mit seiner Frau und den Töchtern hat er seinen Wechsel ins Innenressort natürlich besprochen. Aber was das für eine „Riesengeschichte“ sei, das werde ihm erst jetzt richtig klar, bekannte er ehrlich.
Noch eine andere Sorge quälte ihn bei seinem Amtsantritt. Am Donnerstag war er noch als EU-Parlamentarier und Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament in Brüssel aktiv. Dass die Mitarbeiterinnen seines Büros nun ihre Jobs verlieren, bereite ihm ein schlechtes Gewissen: „Ich muss noch überlegen, wie ich ihnen helfen kann.“
Am Samstagabend vor einer Woche habe Laschet ihn angerufen und gefragt, ob er Innenminister werden wolle.
Akzente setzen
Damit hatte der Leichlinger nach eigener Aussage überhaupt nicht gerechnet. Mit seinem Parteifreund hatte der auf allen Parteiebenen exzellent vernetzte Ex-Generalsekretär der Landes-CDU nach der gewonnenen Landtagswahl zwar über die Regierungsbildung beraten. „Danach war das für mich aber erledigt“, sagte er jetzt. Am NRW-Ministerium für Bundes- und Europa-Angelegenheiten, das Stephan Holthoff-Pförtner übernommen hat, sei er nicht interessiert gewesen: „Ich wollte ja nicht Minister werden, um Minister zu werden.“ Europapolitik hätte er lieber weiterhin in verantwortungsvoller Position im Parlament betrieben.
Aber das bedeutende Innenressort, das von der CDU vehement besetzte Thema Innere Sicherheit, die Chance, in einem neuen Team Akzente zu setzen, das sei „eine ganz andere Nummer“, die ihn gereizt habe. Die Zusage erleichtert hat ihm auch, dass sein bergischer Kollege Wolfgang Bosbach in einer Kommission mitwirkt und dass ihm mit Jürgen Mathies ein erfahrener und hoch gelobter Polizeipräsident als Staatssekretär zur Seite steht – eine „sensationelle“ Kombination, freut er sich.
Vor seinem neuen Aufgabengebiet ist dem einstigen Vorsitzenden des EP-Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie nicht bange. Mit der Sicherheitspolitik sei er auch im EU-Parlament ständig in Berührung gewesen.