Quarantäne im Leichlinger SeniorendorfDas Coronavirus trifft das Pilgerheim ins Herz
Lesezeit 3 Minuten
Leichlingen – Eigentlich hätte heute das Weltersbacher Weihnachtsmärktle geöffnet, würde im Dorf Adventsmusik erklingen, es im Café nach frischen Waffeln und Glühwein duften und würden sich Hunderte Besucher an Handwerkerständen nach Geschenkideen, Kerzen und Plätzchen umschauen. Stattdessen herrscht eine gespenstische Stille im Pilgerheim. Das Dorfcafé ist im Lockdown. Begegnungszentrum, Christuskirche und Bibliothek sind zu, die beiden großen Alten- und Pflegeheime abgeschlossen. Besuchsverbot. Quarantäne. Im Seniorendorf geht die Furcht vor dem Coronavirus um.
Bettlaken hängen an den Balkonen von „Haus Siloah“. Das 65-Betten-Heim und das gegenüber liegende Alten- und Pflegeheim „Tiberias“ mit seinen 80 Plätzen sind das Epizentrum des Corona-Ausbruchs, der das evangelische Seniorenheim teils lahmgelegt und ins Herz getroffen hat. „Bleibt gesund“ haben Angehörige darauf geschrieben, liebevoll Glücks-Kleeblätter, Marienkäfer und Herzchen dazu gemalt. „Wir sind für euch da“ steht auf dem Laken im Stockwerk darüber. Neben bunten Handabdrücken und Smileys.
Herzliche Grüße auf Laken
Die Grüße ersetzen Besuche und Umarmungen, die seit der vom Gesundheitsamt verfügten Sperrung der Häuser nicht mehr möglich sind. Die Ansteckungsgefahr ist zu groß. Vor drei Wochen ist die erste Erkrankung im Haus Siloah bekannt geworden. Heimleiter Joachim Noß hat vor allem erschrocken, wie rasant sich das Virus danach ausgebreitet hat: „Wie schnell das geht! Ich zermartere mir seitdem den Kopf: Wo kommt das her? Durch Besucher oder Mitarbeiter? Ich weiß es nicht. Wir machen doch alles, was das RKI und das Gesundheitsamt vorschreiben...“
Auch der Krisenstab des Kreises konnte die Quelle nicht mehr herausfinden: „Nein, wie so häufig zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie, ist der Ursprung der Infektionen nicht zu identifizieren“, erklärte dessen Sprecher Torsten Wolter am Freitag. 45 Personen, 36 Bewohner und neun Mitarbeitende der beiden Weltersbacher Häuser sind positiv getestet worden. Für sie gilt häusliche Quarantäne. Die Speiseräume sind zu. Für die Familien herrscht ein Besuchs- und Betretungsverbot.
Die behördlichen Anordnungen, Stop-Schilder und selbstgemalte Plakate hängen an den Eingangstüren. „Jeder, der dieses Haus betreten möchte, muss an der Tür klingeln“, steht darauf: „Ohne tägliches Screening inklusive Temperaturmessung ist das Betreten untersagt!“ In den Foyers hängen Geräte zur kontaktlosen Fiebermessung. Wer mehr als 37,5 Grad auf der Stirn hat, wird nicht eingelassen. Auch Pflegekräfte nicht, die die Seniorinnen und Senioren auf ihren Einzelzimmern weiter betreuen, mit Essen, Medikamenten und Wäsche versorgen müssen. Sie tragen dabei FFP2-Masken und komplette Schutzkleidung wie im OP.
Damit sich die Mitarbeitenden nicht ständig mit Uhrzeiten und Kontaktdaten in die Formulare zur Personenkontrolle eintragen müssen, hat ein Kollege eine hauseigene App entwickelt, auf der man das jetzt schnell auf dem Handy erledigen kann. Im „Haus Tiberias“ gelten Quarantäne und Besucherstopp bis zum 10. Dezember. Für die 65 betroffenen Bewohner von „Siloah“ hängt es von neuen Tests ab, ob sie am Wochenende auslaufen oder verlängert werden müssen.
Bläser musizieren im Dorf
Auf dem Außengelände des Seniorendorfs gilt keine Maskenpflicht. Aber es ist, obwohl die anderen Wohnhäuser und das Verwaltungsgebäude offen sind, ohnehin kaum jemand draußen unterwegs. Das Dorfcafé, für den Rest des Jahres zu, verkauft am zweiten Advents-Wochenende Käsekuchen und Kaffee „to go“. Die Gottesdienste des christlichen Heims finden ohne Besucher statt, werden wie die Morgenandachten über den Dorffunk in die Zimmer übertragen. Veranstaltungen sind abgesagt. Auch die Adventsfeiern.
Um trotzdem etwas Weihnachtsstimmung zu verbreiten, bringen Bläserensembles den Senioren Ständchen: Die Rheinisch-Bergischen Musikanten und der Orchesterverein Hilgen ziehen von Haus zu Haus. Heiligabend wird es ebenfalls nur eine digitale Christmette geben. Das Virus hat Weltersbach im Griff.
Die Ausfälle beim Personal reißen Lücken in die Dienstpläne. Kollegen schieben Doppelschichten und zusätzliche Wochenenden. Noß hat beim Gesundheitsamt Unterstützung angefordert, beim Helferportal des Kreises, beim AOK-Pool und auch bei der Bundeswehr. Bisher ist niemand gekommen.