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Straßenbau-BeiträgeStadt Leichlingen ist gnädig, muss aber abkassieren

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2016 sind die Straßen in der Siedlung Ziegwebersberg ausgebaut worden, die Anlieger müssen 323 000 Euro mitbezahlen.

Leichlingen – In der Regel schreien die Leute erst auf, wenn es weh tut. In diesem Fall: Wenn eine gesalzene Rechnung von der Stadt im Briefkasten liegt. Wie jetzt bei den Anwohnern der Siedlung Ziegwebersberg. Oder etwas früher, wenn die Stadt in Bürgerversammlungen bevorstehende Straßenbauprojekte ankündigt und das Reizwort Anliegerbeiträge fällt.

In Witzhelden droht Einwohnern aktuell keine Zahlungsaufforderung – zumindest bis 2024 sind im Höhendorf keine Straßenbauten vorgesehen, die eine Beitragspflicht auslösen. Vielleicht deshalb war der Vortragsabend des SPD-Ortsvereins Witzhelden in der Grundschul-Aula überaus schlecht besucht. In der Stadtmitte allerdings ist das Thema, das vor einem Jahr im Stadtrat hohe Wellen schlug, virulent.

Für den geplanten Ausbau der Moltkestraße rechnet die Stadtverwaltung mit 140 000 Euro von den Anliegern.

Stefan Kämmerling, der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, berichtete in seinem Vortrag vor einer Handvoll Zuhörern aus erster Hand, dass es im Landtag in Düsseldorf diese Woche sogar heiß diskutiert wird. Denn hier liegen 437 202 Unterschriften einer vom Bund der Steuerzahler angeführten Volksinitiative sowie ein Gesetz-Entwurf der SPD zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge auf dem Tisch. Die von CDU und FDP abgelehnt werden. Die Landesregierung hat stattdessen vergangene Woche angekündigt, dass sie die Grundstückseigentümer ab 1.1.2020 zwar etwas entlasten, aber die umstrittenen Beiträge nicht ganz abschaffen will.

Alles zum Thema Ina Scharrenbach

Einnahmen sind eingeplant

Der Streit geht also auf die Schlussgerade. Und der Ausgang interessiert besonders jene Leichlinger Haus- und Grundbesitzer, die Bagger vor der Haustüre hatten oder bekommen. Die Stadt geht in ihrer Haushaltsplanung davon aus, dass es bei der Einziehung der Anliegerbeiträge bleibt. Im Etat sind diese Einnahmen eingeplant – bis 2024 fast 1,4 Millionen Euro.

■ 2019 werden die an die Anwohner bereits verschickten Rechnungen für den vor drei Jahren erfolgten Straßenbau in der Siedlung Ziegwebersberg fällig: 215 000 Euro in der Eichenstraße, 80 000 für die Birken- und 28 000 für die Tannenstraße.

■ 2021 sollen die Anlieger der Schützenstraße 154 000 Euro bezahlen, jene aus der Moltkestraße 140 250.

■ 2022 verursacht die Neustraße 186 450 Euro und werden Am weißen Stein 378 000 Euro an Erschließungsbeiträgen fällig.

■ 2024 folgen laut Plan 195 470 Euro an der Straße Am Wiesenberg in Kradenpuhl.

In der Schützenstraße kommen voraussichtlich 154 000 Euro an Beiträgen auf die Grundstückseigentümer zu.

Wie hoch der Anteil an den Baukosten ist, den die Stadt auf die Bürger umlegt, richtet sich nach der Einstufung der Straße und ihrem Nutzen für die Allgemeinheit (siehe „In reinen Wohnstraßen wird es am teuersten“). Wie hoch der Beitrag für den Einzelnen ist, wird nach einem komplizierten Modell ausgerechnet, das nicht nur auf der Grundstücksgröße basiert, sondern auch auf der Tiefe und Nutzung des Flurstücks und der Geschosszahl. Das ist auch ein Grund dafür, dass die Bescheide – wie jetzt in Ziegwebersberg – erst Jahre nach Abschluss der Baustelle zugestellt werden.

Nach dem Kommunalabgabengesetz sind die Städte und Gemeinden in NRW verpflichtet, Beiträge zu erheben. In 396 Kommunen existieren aber 396 verschiedene örtliche Satzungen, Prozentsätze und Kalkulationen. „Einige legen 50 Prozent der Kosten auf die Anlieger um, andere sogar bis zu 80 Prozent“, kritisierte Kämmerling in seinem Vortrag „Willkür“, je nach Vermögenslage der Stadt.

In reinen Wohnstraßen wird es am teuersten

In der Leichlinger Straßenbaubeitragssatzung ist je nach Status der Straße geregelt, welchen Anteil an den Kosten die Anlieger bezahlen müssen:

In Anliegerstraßen zahlen die Beitragspflichtigen 50 Prozent der Baukosten für Fahrbahnen, Radwege, Beleuchtung und Oberflächen-Entwässerung und 60 Prozent für Parkstreifen und Gehwege. Anliegerstraßen sind laut Satzung „Straßen, die überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder der durch Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen“.

Haupterschließungsstraßen sind solche, „die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dienen“. Hier werden für Fahrbahnen und Radwege nur 30 Prozent, für Parkstreifen und Gehwege 50 Prozent angerechnet.

In Hauptverkehrsstraßen, „die dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen“, sinkt der Beitragsanteil weiter auf zehn bzw. 50 Prozent. Außerdem gibt es eigene Tarife für Hauptgeschäftsstraßen und Fußgängerzonen.

Die Satzung kann auf der Homepage der Stadtverwaltung in der Rubrik Bürgerservice unter dem Ortsrecht eingesehen werden. (hgb)

www.leichlingen.de

In Leichlingen ist man verhältnismäßig gnädig, bleibt man mit 50 Prozent an der untersten Grenze der möglichen Spannbreite. Darum ist Bürgermeister Frank Steffes (SPD) auch nicht begeistert vom Gesetzentwurf von CDU und FDP, der eine Absenkung auf 40 Prozent erlauben und die Einnahmeausfälle mit 65 Millionen Euro aus der Landeskasse fördern will. Der Betrag sei „ein Witz“, sagte er auf Anfrage und bringe Leichlingen gar nichts, sondern allenfalls Kommunen, die heute 80 Prozent verlangen. Auch die anderen Vorschläge der Landesregierung seien keine Verbesserungen, denn frühzeitige Bürgerbeteiligungen, Ratenzahlungen und Stundungen würden in der Blütenstadt längst praktiziert.

Stefan Kämmerling (SPD)

Das bisherige System sei ungerecht, unübersichtlich und zu bürokratisch, begründet der Eschweiler SPD-Landtagsabgeordnete Kämmerling die Initiative seiner Partei für die Abschaffung. Die „regelmäßig vierstelligen, nicht selten sogar fünfstelligen Beiträge“ würden ohne Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Betroffenen erhoben: „Ich halte das für ein gewagtes Model, da es keine soziale Komponente enthält“, sagte er. Bis zu 60 Prozent der eingezogenen Beiträge würden durch den hohen Verwaltungsaufwand für Erhebung, Veranlagung, Klageverfahren und Vollstreckungen wieder aufgefressen. Bis zu 90 Prozent der Bescheide seien fehlerhaft und würden vielfach angefochten.

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Die Beiträge abzuschaffen und durch eine Landesförderung zu ersetzen, wie es auch die Volksinitiative und in Resolutionen mehr als 60 Gemeinderäte „quer durch alle Parteien“ fordern, sei vernünftiger. Zudem stehe NRW unter den Bundesländern „ziemlich allein da“. Außer Nordrhein-Westfalen bestehen mittlerweile nur noch Bremen und Sachsen-Anhalt auf Straßenausbau-Beiträge.

Weil sie bei den Bürgern maximal unbeliebt sind, ist ihre Abschaffung im vergangenen Jahr auch im Leichlinger Rat diskutiert worden und hat wie berichtet bis in die CDU-Fraktion hinein Befürworter gehabt.

Kritik auch aus der CDU

UWG und Union hatten im November 2018 sogar schon beantragt, auf die Einziehung offener Rechnungen zu verzichten und auf eine Amnestie durch den Landtag gehofft. Aber freiwillig auf das Geld verzichten kann und darf die Stadt nach der Gesetzeslage nicht, weil sie sich dann der Untreue schuldig machen würde. Und ohne Kompensation durch das Land könnte sie sich den Millionenausfall auch gar nicht leisten.

Die SPD, im Landtag in der Minderheit, geht davon aus, dass der Streit um die Straßenbaukosten im Kommunalwahlkampf 2020 auflodern wird. Den von Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) vorgelegten Gesetzentwurf bezeichnet Kämmerling wegen des Millionenaufwands für die Abwicklung und Prüfung des neuen Förderprogramms schon jetzt als „teures Bürokratiemonster“.