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Protokoll eines Corona-DesastersWie eine Familie aus Leverkusen unter die Räder kam

Lesezeit 4 Minuten

Im Unterricht ist das Tragen von Mundschutz freiwillig.

  1. Völlig willkürlich fühlt sich eine Familie aus Leverkusen vom Gesundheitsamt behandelt.
  2. Der Quarantäne-Marathon der Familie K. ist ein Lehrstück für fehlendes Augenmaß bei der Bekämpfung der Pandemie.
  3. Protokoll eines Corona-Desasters.

Leverkusen – Stephanie K. (43) ist durch, doch die Corona-Geschichte ihrer Familie wohl kein Einzelfall. Drei Mal innerhalb von fünf Wochen wurden Mitschüler ihrer beiden Söhne Jonas (15) und Tristan (14) positiv auf Corona getestet.

Damit müsse man auch in Zukunft rechnen, sagt die Polizeibeamtin. Aber die Erfahrungen, die sie mit dem Gesundheitsamt von Leverkusen machen musste, lassen erhebliche Zweifel aufkommen, ob das so weiterlaufen kann. „Wir können alle das Wort Corona kaum noch hören“, sagt sie. „Aber wie sollen die Bürger Verständnis für all die Einschränkungen aufbringen, wenn die Gesundheitsämter so unterschiedlich und nicht nachvollziehbar handeln?“ Das Protokoll eines Corona-Desasters.

Donnerstag, 27. August, 1. Fall

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Jonas (15), der die 10. Klasse der Realschule am Stadtpark besucht, wird mit vier weiteren Kindern nach Hause geschickt. Begründung: Ein Junge aus seiner Gruppe, der hinter ihm gesessen hat, ist positiv getestet worden. Obwohl das Land NRW die Maskenpflicht längst aufgehoben hat, wird der Mund-Nasenschutz an der Realschule auch im Unterricht von allen nach wie vor getragen.

Zuhause angekommen wird Jonas vom Gesundheitsamt telefonisch befragt. Haben die Kinder Masken getragen? Wurden die Abstände eingehalten? Weist er Symptome auf? Nein, er habe keine Krankheitsanzeichen, die Regeln seien beachtet worden, antwortet Jonas. Dann, so der Mitarbeiter, dürfe er am Freitag wieder in die Schule.

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Sonntag, 13. September, 2. Fall

Per E-Mail schreibt der Klassenlehrer von Tristan (14), dass ein Mädchen aus einer Klasse am Lise-Meitner-Gymnasium positiv getestet wurde. Weil alle Kinder Masken getragen hätten, gebe es keinen Grund, die Kinder nicht in die Schule zu schicken.

„Er hatte zwar neben dem Mädchen gesessen und sich in der Woche davor mehrfach nicht gut gefühlt, aber seine Symptome deuteten nicht auf eine Corona-Infektion hin“, sagt Stephanie K. Folglich sei Tristan am Montag ganz normal zur Schule gegangen. Am Nachmittag habe er erneut über Kopfschmerzen und Magen-Darm-Probleme geklagt. Die Schule habe am Nachmittag mitgeteilt, andere Kinder hätten ebenfalls Krankheitssymptome– wenn auch anderer Art. Das könne auf eine Corona-Infektion schließen lassen.

Stephanie K. ruft am Dienstag die Corona-Hotline des Gesundheitsamts an, schildert das Problem und bittet, bei Tristan einen Test zu veranlassen. Ihr Anliegen wird protokolliert. „Auf die Rückmeldung des Gesundheitsamts warte ich bis heute.“ Stephanie K. gelingt es nach vielen Diskussionen „über unsere Ärzte“ Coronatests für ihren Sohn und sich selbst zu organisieren, „weil ich unter starken Kopfschmerzen gelitten habe“. Beide Tests sind negativ. „Wir haben sie nicht an das Gesundheitsamt weitergeleitet“, sagt K. „Mein Sohn ist am Donnerstag wieder zur Schule gegangen. Die anderen vier Kinder am Freitag.“

Freitag, 2. Oktober, 3. Fall

Die Realschule schickt den 15-jährigen Jonas zum zweiten Mal nach Hause, weil es wieder einen Corona-Fall in seiner Klasse gibt. „Es handelt sich um exakt den gleichen Sachverhalt wie beim ersten Mal“, sagt Stephanie K. Der infizierte Mitschüler habe am Montag das letzte Mal am Unterricht teilgenommen. Insgesamt müssen sechs Kinder gehen, 18 nicht. „Die einzige Begründung ist die Sitznähe.“

Obwohl ihr Sohn außerhalb der Schule keine Zeit mit dem infizierten Kind verbringt, alle im Unterricht Masken tragen und die Klassenräume regelmäßig gelüftet werden, ordnet das Gesundheitsamt noch am Freitag für die gesamte Familie K. zwei Wochen Quarantäne an. „Völlig willkürlich. Ohne jede Anhörung. Wir waren und sind symptomfrei.“ Die Proteste bleiben erfolglos . „Die Stadt Leverkusen fährt das Konzept, die ganze Familie unter Quarantäne zu stellen mit der Begründung, dass die Maskenpflicht an den Schulen aufgehoben sei. Das ist bei unseren beiden Schulen aber nicht der Fall. Ich habe das dem Gesundheitsamt auch mehrfach mitgeteilt, aber das war denen völlig egal“, sagt Stephanie K. „In meiner Quarantäne-Anordnung steht, ich hätte in Kontakt mit einer infizierten Person gestanden oder sei in einem Risikogebiet gewesen. Beides stimmt nicht. Ich habe widersprochen und daraufhin die Standard-Antwort bekommen, dass die Stadt Leverkusen so handelt.“

Die Verfügungen seien überdies noch falsch oder unvollständig ausgefüllt gewesen. „Auf der, die vermutlich für Tristan gilt, steht kein Name. Bei der anderen hat das Amt meinen Mann und meinen Sohn verwechselt. Darüber habe ich mich beschwert. Keine Reaktion. Wir haben immer noch keine Verfügung, die mein Mann beim Arbeitgeber vorlegen kann. Und in der Schule für Tristan auch nicht.“ Der Rest der Schulklasse sei erst am vergangenen Mittwoch, 7. Oktober, getestet worden, die in Quarantäne befindlichen Schüler sogar noch zwei Tage später. „Am Montag lagen die Ergebnisse immer noch nicht vor, dafür gibt es eine Aufforderung an alle, in dieser Woche noch einmal zum Test zu erscheinen.“

Stephanie K. hat Zweifel, wie bei derart chaotischen Verhältnissen regulärer Unterricht überhaupt möglich sein soll. Ihr Ältester mache in diesem Schuljahr seine Abschlussprüfung. „An der Realschule ist der Unterrichtsausfall schlimm. Der Online-Unterricht funktioniert gar nicht. Wenn die Stadt diese Linie so weiterfährt, sehe ich uns bald in Dauerquarantäne.“