Leverkusen – Der Minister legt sich fest. Ein – wenn auch kurzer – Tunnel für die A 1 „ist ein Gebot der Fairness gegenüber dieser Stadt“, so Hendrik Wüst. Allerdings hat er als Landesminister nur begrenzten Einfluss darauf, was der Bund am Ende bauen lässt in Leverkusen. Aber der CDU-Mann zieht die Strippen: Dem Unterhändler aus Nordrhein-Westfalen bei den Koalitionsverhandlungen, Oliver Wittke, hat er den dringenden Tunnelwunsch aus Düsseldorf mitgegeben.
Und während Hendrik Wüst auf Schloss Morsbroich am Montagabend die Verkehrspolitik in weitem Bogen bespricht, wirbt sein Parteifreund in Berlin womöglich gerade für die Ausnahme-Lösung in Leverkusen. Dass der Tunnel am Ende Bestandteil des Koalitionsvertrags sein wird, erwartet auch Wüst nicht. „Aber er könnte in einer Protokollnotiz stehen“, stellt sich der Minister vor.
Davon, dass die Variante Rheinbrücke mit kurzem A-1-Tunnel technisch überhaupt machbar ist, hat sich Wüst überzeugt, sagt er. Also werde er sie nun mit voller Kraft verfolgen – schließlich stehe auch Ministerpräsident Armin Laschet bei den Leverkusenern im Wort. Dass die sozialdemokratische Konkurrenz beim kleinen Tunnel nicht so richtig mitzieht, muss Wüst bei dieser Gelegenheit hervorheben: Er ist zu Gast bei Freunden, der CDU-Mittelstandsvereinigung. Also findet er es schade, dass sich Karl Lauterbach in den langen Tunnel verrannt hat. Und dass die NRW-SPD keinen Verkehrspolitiker in die Koalitionsverhandlungen geschickt habe, sei auch nicht sonderlich hilfreich.
Der Minister lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass sein Amtsvorgänger Michael Groschek viel erreicht hat: 20 Milliarden Euro kann NRW für Straßen verbauen. Eine gewaltige Summe, die man auch erst einmal bewegt bekommen muss. Dafür braucht man mehr Ingenieure, hat auch Wüst erkannt – und einen Anfang machen können: Bei Straßen NRW seien 50 zusätzliche Stellen ausgeschrieben und weitere 20 entfristet worden, berichtet er. Das sei schon mal ein Anfang, auch wenn die neuen Leute noch nicht da seien.
Fest steht aus seiner Sicht, dass „die Verkehrsinfrastruktur zu klein ist“. Das gelte ja nicht nur für die Autobahnen, „auch die Schiene ist voll“. Daher seien Appelle, mehr Pendler auf die Bahn zu bringen, nicht sinnvoll. „Wir überzeugen die Leute nicht von der Bahn, indem wir das Autofahren noch schlechter machen“. Die Bahn müsse vielmehr besser werden. Bei den erforderlichen Milliardeninvestitionen in die Schiene bestehe übrigens das gleiche Problem wie bei der Straße: Selbst wenn das Geld da ist, muss es auch verbaut werden. Dafür biete der Rhein-Ruhr-Express ein gutes Beispiel. Mit dem weiteren Gleis seien die Anwohner in Düsseldorf-Angermund natürlich nicht glücklich.
Das bedeute weitere Verzögerungen für das an sich tolle Projekt. Angesichts der Zeitplanung ist Hendrik Wüst absolut überzeugt: „Am RRX werden auch noch Verkehrsminister nach mir arbeiten.“ Ihm sei auch ein bisschen mulmig bei der Vorstellung, den neuen Zug „auf ein noch nicht ertüchtigtes Gleis zu stellen“. Das bedeutet nicht nur längere Taktung, sondern auch, dass sich der RRX auf die selben überlasteten Strecken quetschen muss wie seine bei Pendlern ob ihrer Unpünktlichkeit verrufenen Vorgänger RE 1 und RE 5.
Warum so langsam gebaut wird
Der Minister kennt es aus eigener Erfahrung. „Wenn ich gleich nach Hause fahre, habe ich 7,2 Kilometer Baustelle auf der A 3. Auf der stehen vielleicht fünf Baufahrzeuge und ein Dixi-Klo.“ Was Hendrik Wüst damit meinte: Auf Autobahn-Baustellen wird nicht schnell genug gearbeitet.
Einen Grund nannte der Verkehrsminister am Montag auch: „Wir sind nicht so sexy als Auftraggeber.“ Die Öffentliche Hand müsse sparsam wirtschaften, Nachforderungen von Baufirmen erzeugten „immer viel Palaver“.
Der Effekt: Öffentliche Auftraggeber kämen den Firmen bei den Bauzeiten entgegen. Das sei einerseits verständlich, man müsse aber einen vernünftigen Mittelweg finden. Grundsätzlich gelte aus seiner Sicht: „Lieber sechs Wochen später anfangen und dann schneller machen“, sagte der Minister. (tk)
Freilich setzt der Minister auch auf mehr Komfort abseits des Zugs – etwa beim Fahrkartenkauf. Da biete die Digitalisierung Chancen. Dass man „schneller eine Reise nach Australien buchen kann als eine Fahrt von Leverkusen nach Rhede“, wo Wüst wohnt, sei ja kein Naturgesetz. Natürlich müssten dafür jede Menge Vereinbarungen zwischen Verkehrsgesellschaften und -verbünden getroffen werden. Aber auch auf diesem Gebiet will sich der Minister auf den Weg machen.
Aber auch bei Elektromobilität. Die ist nach seiner Auffassung zwar kein Mittel für alle Fälle. Aber Bussen mit elektrischem Antrieb kann er viel abgewinnen. Zumal einiges passiere: Vor ein paar Wochen war er in Köln und hat den KVB einen Scheck über 30 Millionen Euro dagelassen: Förderung für die Anschaffung von E-Bussen. Ohne Verbrenner werde es aber noch länger nicht gehen – und das Stickoxid- und Feinstaub-Problem könne man in den Griff kriegen.
Klar sei, dass die Infrastruktur „bei der Mobilität der limitierende Faktor ist“. Und deshalb gebe es zum Ausbau allerorten keine Alternative. Dass man „mit zu wenig Straßen den Verkehr nicht vermindert, ist uns in diesem Land viele Jahre gezeigt worden“.