Die Autobahn GmbH lässt entlang der Autobahn fast alle Bäume abschneiden.
Ärger an der A3An der Autobahn in Leverkusen fallen die Bäume wie Streichhölzer
Als neulich eines Vormittags ein unbekannter Mann mit einer Kettensäge im Garten stand, traute Carsten Geilen zuerst seinen Augen kaum. Der Garten endet an einer grünen Lärmschutzwand, direkt dahinter verläuft die Autobahn 3 Richtung Opladen. Carsten Geilen und seine Mutter Marlene wohnen in der Siedlung Eisholz am Erlenweg. Sie und viele ihrer Nachbarn müssen Enteignungen befürchten, wenn die Autobahn 3 wie geplant ausgebaut wird.
Schnell war klar, dass die Männer zu einem Trupp gehörten, die Bäume an der Autobahn fällen. Den Hinweis, es handele sich hier um ein Privatgrundstück, akzeptierte der Mann mit der Kettensäge. Er sei dann wohl falsch informiert worden, soll er gesagt haben. Der Autobahn GmbH sei das Betreten ihres Gartens zum Begutachten der Lärmschutzwand erlaubt, aber nur nach Anmeldung, klärt Marlene Geilen auf.
Überall entlang der Autobahn 3 und am Leverkusener Kreuz sind in diesem Januar Waldarbeiter mit der sogenannten Gehölzpflege beschäftigt, das hatte die Autobahn GmbH angekündigt.
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An manchen Stellen findet nahezu Kahlschlag statt. Am Parkplatz hinter der Dreifachsporthalle an der Bismarckstraße bleibt an der Lärmschutz-Böschung vielleicht noch jeder zehnte Baum stehen. In den vergangenen Jahren hat es wohl selten einen vergleichbaren Verlust an grünem Unterholz und Bäumen im Stadtgebiet gegeben. Auch in den relativ großen Waldstücken an der Anschlussstelle Leverkusen sind hunderte Bäume gefällt worden, auch solche, die sehr weit von der Straße entfernt standen. Sie konnten nicht auf die Autobahn fallen.
Auch an der Lärmschutzwand der Familie Geilen seien massenweise „100-prozentig gesunde Bäume“ gefällt worden, sagt Carsten Geilen, manche hätten schon Knospen gehabt oder Haselnussbäume mit Blütenständen. Alles ist legal: Trotz der zunehmend wärmeren Winter und dem früher einsetzenden Brutgeschäft der Vögel endet die Baumfällsaison erst Ende Februar.
Brennholz oder Artenvielfalt?
Einer der Waldarbeiter sagt, die dicken Stämme würden als Brennholz verarbeitet und die Äste gehäckselt. Vielleicht erklärt der Satz die radikale Fällaktion, die Autobahn GmbH liefert diese Erklärung: Bei der Pflege der Gehölzbestände an den Autobahnen habe die Sicherheit oberste Priorität, schreibt Autobahn–Sprecher Sebastian Bauer. Es sei deshalb manchmal erforderlich, scheinbar gesunde Bäume zu entfernen. Vor dem Beginn der Maßnahme habe man die Bäume auch außerhalb der Brutzeit auf Horst- oder Höhlenstätten mit möglichem Brutgeschäft untersucht. Die trockenen und heißen Sommer der vergangenen Jahre hätten das Erkranken und Absterben der Bäume beschleunigt. Durch die Entfernung von nicht mehr standsicheren Bäumen würden die verbleibenden Bäume gefördert. Die Wurzelstöcke könnten in der kommenden Wachstumsperiode wieder austreiben. Dadurch fördere man die Artenvielfalt, schreibt der Autobahn-Sprecher Sebastian Bauer.
Der Verkauf des Holzes mindere die Kosten für den Beschnitt, Gewinn mache die Autobahn GmbH dadurch nicht, teilt die bundeseigene Firma auf ihrer Webseite mit. Bei dem Mann, der mit der Kettensäge im Garten stand, habe es sich um ein Versehen gehandelt.
Hoffen auf die Seitenstreifenfreigabe
Marlene Geilen und ihr Sohn Carsten wohnen so nahe an der Autobahn, dass sie im Fall des Ausbaus den Verlust eines Großteils ihres Gartens fürchten müssen. Sie haben sich mit den Nachbarn kurzgeschlossen. Viele sind sauer, weil das einst üppige Grün jetzt weg ist. Die meisten gucken jetzt direkt auf die Lärmschutzwand. Nachbarin Therese Rolli sagt: „Das macht mich krank, im Sommer werden wir jetzt keinen Schatten mehr im Garten haben.“ Die Bäume seien doch gesund gewesen, sagt sie.
Neue Hoffnung hat den vom Autobahnausbau bedrohten Nachbarn die Nachricht von der temporären Seitenstreifenfreigabe gegeben, die zwischen Opladen und Hilden kommen soll. Erst jetzt, nachdem eine Studie die Machbarkeit bescheinigt, befürwortet die Lösung, die den Ausbau womöglich unnötig macht, auch die Autobahn-Behörde.
Eine Freigabe, sagt Marlene Geilen, könnte auch auf „ihrem“ Autobahnabschnitt eine Lösung der Konflikte sein. Sie will sich deshalb an zuständige Politiker wenden.
Eine Anfrage bei der Autobahn GmbH ergibt, dass die Einrichtung einer Seitenstreifenfreigabe auf dem Stück zwischen dem Leverkusener Autobahnkreuz und der Ausfahrt Opladen bisher noch nicht untersucht wurde.