Der Prozess gegen Mitglieder des Leverkusener Al-Zein-Clans geht am Landgericht Düsseldorf seinem Ende entgegen. Die Anwälte erhoben Vorwürfe gegen Innenminister Herbert Reul.
Behörde bezahlte VillaAl-Zein-Anwalt: Jobcenter Leverkusen hat Clan-Betrug leicht gemacht
Anwälte von Mitgliedern des Al-Zein-Clans haben im Prozess gegen die in Leverkusen ansässige Großfamilie Vorwürfe gegen Innenminister Herbert Reul erhoben. Der hatte nach der Rheindorfer Razzia am 8. Juni 2021 vor der Presse und im Landtag Klartext geredet und Begriffe wie „Clankriminalität“ im Zusammenhang mit der Familie benutzt. Auch hatte er sehr schnell eine Beschlagnahme der Rheindorfer Villa gefordert. Daraufhin habe sich eine Vorverurteilung in vielen Medien ergeben, Journalisten hätten zum Beispiel auf der Straße vor der Tür gestanden. Ständig sei das Haus der Familie in den Medien gezeigt worden.
Der Dienstag war der Tag der Plädoyers im Clanprozess. Er gehört den Anwälten, sie können den Richtern und Schöffen noch einmal klarmachen, welche Argumente, Geständnisse und Umstände für und welche gegen die Angeklagten sprechen.
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Reuls Anwürfe und die Medienberichte, die die Familienmitglieder nach der Razzia und zum Prozessauftakt über sich haben ergehen lassen müssen, müssten strafmildernd in das Urteil einfließen, forderten übereinstimmend mehrere Anwälte der Angeklagten. Das seien Grundrechtsverletzungen.
Legale Einnahmequellen zu keiner Zeit
Anwälte gibt es viele. Die vier angeklagten Männer, der Hauptangeklagte und Familienoberhaupt Badia Al Zein und die drei Söhne haben je zwei Strafverteidiger, die angeklagten weiblichen Familienmitglieder je eine. Die Frage, von welchem Geld die Al Zeins ihre Anwälte bezahlen, darf das Gericht ebenso wenig interessieren, wie die Herkunft einer Kaution von 80.000 Euro, die die Familie vor zwei Wochen hinterlegt hatte, um den Clanchef vorübergehend frei zu bekommen. Im Verlauf seines Vortrags sagte der Staatsanwalt aber noch einmal deutlich, dass legale Einnahmequellen zu keiner Zeit vorgelegen hätten.
Es ist Aufgabe der Anwälte, für ihre Mandanten etwas herauszuholen: Allerdings blickten sich die wenigen Zuschauer im Saal ungläubig an, als von der Verteidigerbank wiederholt der Vorwurf gegen das Leverkusener Jobcenter kam: Der Betrug sei ihren Mandanten in der Behörde doch allzu leicht gemacht worden. Das, so die Argumentation, die die Beobachter erstmal nachvollziehen mussten, sollte als strafmildernd in die Urteilsfindung ebenso einfließen, wie die „von Reue getragenen“ Geständnisse.
Allen Beschuldigten wird erwerbsmäßiger Bandenbetrug vorgeworfen. Die Forderung der Staatsanwaltschaft orientierte sich stets an der oberen Grenze des Strafmaßes für die erkannten Straftaten, die Anwälte blieben ein paar Monate darunter: Sechs Jahre soll der Clanchef sitzen, dem zusätzlich die Beteiligung und Anstiftung zu einer Geiselnahme vorgeworfen wird. Je drei Jahre sollen zwei seiner Söhne in Haft, dem dritten, der Geldwäsche zugegeben hatte, blüht nur eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Frau Al Zein soll für die Beteiligung am erwerbsmäßigen Bandenbetrug zwei Jahre bekommen — auf Bewährung.
Die Rheindorfer Villa wird ziemlich sicher eingezogen
Die Straf-Vorschläge von Staatsanwalt und den Verteidigern liegen dicht beieinander: Die ungefähren Strafen hatten Anwälte, Gericht und der Staatsanwalt vor zwei Wochen ausgehandelt. Im Gegenzug hatten die Angeklagten schriftliche Geständnisse zu einigen Tatvorwürfen abgelegt.
Klar ist mittlerweile: Das Haus der Familie in Rheindorf, die Villa, ist laut Staatsanwalt als Tatobjekt der Geldwäsche zu betrachten und es wird eingezogen. Die Immobilie dürfte heute eine Million Euro wert sein. Zusätzlich einigten sich Gericht und Anwälte darauf, dass sämtliche bei der Razzia beschlagnahmten Vermögenswerte, zum Beispiel Schmuck, Uhren und Bargeld, vom Gericht zur Begleichung der Kosten verwendet werden können. Diese „Razziafunde“ werden auf etwa 400.000 Euro geschätzt.
Bevor die Plädoyers gehalten wurden, lichtete der Richter die Reihen in der Anklagebank und schickte zwei Töchter der Al Zeins mit der Aussicht auf Einstellung ihres jeweiligen Verfahrens aus dem Saal. Eine muss binnen drei Wochen 2000 Euro zahlen, eine andere hat innerhalb von sechs Monaten 100 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Sie verließ mit entspannten Gesichtszügen und einem Wort den Saal: „Tschüss!“
Die von vielen Lesern und Beobachtern kritisierte Absprache, der sogenannte Deal zwischen Gericht und Anwälten, soll alleine dem Zweck dienen, dass das Verfahren nicht endlos in die Länge gezogen wird und dass es ein greifbares Ergebnis gibt. „Wir wollen einen Schlussstrich“, sagte eine Anwältin, „wollen nach vorne schauen.“
Bei einem der Angeklagten, dem Geldwäscher, erwähnte sein Anwalt, dass er eine positive Sozialprognose sehe.