Der Bund will gegen den Willen der Leverkusener Bevölkerung die Autobahnen auf Stadtgebiet massiv ausbauen. Leserinnen und Leser reagieren darauf mit Bestürzung.
Leserbriefe zum Leverkusener Autobahn-Ausbau„An einem Strang gegen die Monster-Stelze“
Zur Entscheidung der Autobahn GmbH für den oberirdischen Ausbau von A1 und A3 in Leverkusen hat der „Leverkusener Anzeiger“ zahlreiche Zuschriften aus der Stadt erhalten. Dies ist eine Auswahl.
Michael Hill aus Leverkusen: „Schluss mit Pseudo-Dialogen“
Jetzt ist es offiziell entschieden, was schon seit Jahren feststeht. Die Autobahn GmbH steht endlich zu ihrem zehn Jahre alten Entschluss, unsere Stadt lahm zu legen und deren Bürger zu bevormunden. Wenigstens ist jetzt Schluss, mit den Show-Veranstaltungen und Pseudo-Dialogen, die uns die Autobahn GmbH immer wieder vorgespielt hat. Leider haben dies alle Politiker und die Verwaltung mitgemacht. Man hat es der Autobahn GmbH auch leicht gemacht – halbherziges Interesse und keine einheitliche Meinung zur Lösung seitens der Politik.
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Der lange Tunnel wäre die einzige vernünftige Lösung gewesen. Aber da der Vorschlag vonseiten des Herrn Schoofs kam, konnte der Rest im Rathaus dies nicht akzeptieren. Der kurze Tunnel, der wohl immer noch – als Kompromiss der Stadt-Politiker – gewollt wird, war damals und auch heute, die schlechteste Lösung. Der immense Aufwand für den Bau rechtfertigt in keinem Fall den kleinen Nutzen dafür. In diesem Fall hat die Autobahn GmbH recht. Doch was können wir jetzt noch tun? Wir sollen und wir wollen weiterkämpfen, sagt der OB. Das Einzige, was jetzt noch bleibt, ist die Aktion „Keinen Meter mehr“ zu verschärfen und wörtlich zu nehmen.
Unsere Bundestagsabgeordneten müssen dafür sorgen, dass der Bundesverkehrswegeplan, der den Ausbau fordert, revidiert und geändert wird. Kein Ausbau der Autobahnen, sondern nur ein Sanieren und Ertüchtigen der vorhandenen versiegelten Flächen ist zu akzeptieren. Kein Verkauf von Flächen an die Autobahn GmbH und mehr politischen Druck und bundesweite Öffentlichkeit schaffen. Es kann doch nicht sein, dass die Gesellschaft es akzeptiert, dass man für ein bisschen bequemeres und schnelleres Autofahren die Anwohner enteignen darf.
Wir brauchen den Ausbau nicht. Die Änderung der Mobilität, der Arbeitsplätze (Homeoffice) und der Wunsch beziehungsweisedie Pflicht zu mehr Umweltschutz widersprechen dem irrsinnigen Ausbau. Die Sanierung der „Altbestände“ muss Vorrang vor Erweiterungen haben. Denn nur die vielen und ständigen kleinen Reparatur-Baustellen auf den Autobahnen rund um Leverkusen führen seit Jahren zu den Staus.
Gerhard Kortenbusch aus Leverkusen: „Ein Signal der Ignoranz“
Wenn Bundesverkehrsminister Volker Wissing meint, so mit den Leverkusenern Kommunalpolitikern sowie der gesamten Bürgerschaft umgehen zu können sollte er sich nicht wundern, wenn die jüngsten Ereignisse um den Braunkohletageabbau in Lützerath sich hier eines Tages wiederholen sollten.
Bereits die am 10. Juni vergangenen Jahres an den Tag gelegte Ignoranz bei der Übergabe der zigtausend Protestbriefe im Verkehrsministerium sendete ein eindeutiges Signal der Interessenlosigkeit und Ignoranz gegenüber den elementaren Bedenken zum geplanten Ausbau des Autobahnkreuzes. Und nun die Übermittlung der „Entscheidung“ mittels Massen-Propagandabrief unter Umgehung jeden persönlichen Meinungsaustausches!
Angesichts dieses geringschätzenden Umgangs: Wie sonst, wenn nicht über die Straße, sollen nun die Anwohner der Stelze, der Schleswig-Holstein-Siedlung und des Eisholzes ihre Sorgen hinsichtlich Enteignung, extrem verschatteter Gärten und schlafloser Nächte artikulieren? Wie sonst sollen die Leverkusener sich angesichts von Feinstaubbelastung und Treibhausgasen Gehör wegen der Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder verschaffen?
Ungeachtet aller Argumente in der Sache: Das Gebaren des Verkehrsministers leistet einerseits jeder Politikverdrossenheit sowie andererseits einer unsachlichen Form der Auseinandersetzung zur Lösung des verkehrspolitischen Problems Vorschub. Die schlechte Wahlbeteiligung der vergangenen Wahlen sowie die Bilder von Lützerath sprechen hier eine deutliche Sprache.
Ingrid Gröber aus Leverkusen: „An einem Strang gegen die Monster-Stelze ziehen“
Verletzt Verkehrsminister Wissing mit der Entscheidung seines Ministeriums, die Monster-Stelze bauen zu lassen, nicht den Eid, den er geschworen hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden? Wir Leverkusener sind zwar nur ein Teil des Volkes, für den es aber auch gilt.
Im Ministerium sollte es durch Eingaben und Proteste der Bürger gegen diese Art des Ausbaus wirklich bekannt sein, wie stark unsere Stadt inzwischen durch Feinstaub, Abgase und Lärm belastet ist und was das für die Gesundheit der Leverkusener bedeutet.
Die Lkw-Raststätte, die man uns noch aufs Auge drücken will, wird bestimmt auch nicht ohne Schäden für die Umwelt und Anwohner aus den gleichen Gründen bleiben. Ich würde mir wünschen, dass die Stadt und wir Bürger wenigstens jetzt an einem Strang gegen die Monster-Stelze ziehen.
Horst Müller aus Leverkusen: „Wie menschenverachtend kann man sein?“
Das ist wohl an Zynismus nicht mehr zu übertreffen! Hier treffen Unvermögen, Hochmut, Arroganz und Bürgerfeindlichkeit aufeinander. Wie sonst kommt so eine Aussage zustande, wie menschenverachtend kann man noch sein?
Man stelle sich einmal vor, das ursprüngliche Planfeststellungsverfahren wäre bürgerfreundlicher ausgegangen und der Tunnel unter dem Rhein wäre das Ergebnis. Nach den Plänen hochrangiger Ingenieure und Tunnelexperten, die offensichtlich nicht bei der Autobahn GmbH angestellt sind, würden wir unmittelbar vor der Fertigstellung sein.
Stattdessen ist die erste Brücke noch nicht fertig und noch weitere zehn bis 15 Jahre Bauzeit liegen noch vor uns. Nicht zu vergessen circa 700 Millionen Euro an volkswirtschaftlichem Schaden pro Jahr, die leider auch nicht berücksichtigt werden.
Dany Kahindi von Parents for Future Leverkusen: „Eine vertane Chance“
Die Enttäuschung über den Beschluss des Bundesverkehrsministeriums ist verständlich, hatte es doch in den vergangenen Monaten Anlass zur Hoffnung gegeben, dass die geplante Mega-Stelze quer durch die Stadt als gigantomanisches Wahnsinnsprojekt längst überholter Zeiten in der straßenplanerischen Mottenkiste landen könnte.
Wer allerdings heute noch wie Lukas Köhler, Vize-Fraktionschef der FDP im Deutschen Bundestag, behauptet, der Autobahnbau habe „mit den Klimazielen gar nichts zu tun. (…) Ich weiß gar nicht, woher diese Vorstellung kommt, dass Autobahnen klimaschädlich sind“, ist entweder unbelehrbar und trotzt bewusst wissenschaftlichen Erkenntnissen oder er setzt sich dem Verdacht aus, die letzten Jahre im mentalen Dauerkoma verbracht zu haben.
Leider scheint er mit dieser Position im politischen Berlin nicht alleine zu stehen. Dort ist es nicht gelungen, mit einer den Erfordernissen der Gegenwart entsprechenden Entscheidung konstruktive Weichen für die Zukunft zu stellen. Eine vertane Chance, die hoffentlich in Leverkusen nicht ohne Resonanz bleibt.
Manfred Urbschat aus Leverkusen: „Den überregionalen Widerstand geschwächt“
Mit einer nicht mehr an die auch durch das Bundesverfassungsgericht geforderte Zukunftsfähigkeit im Sinne des Klimaschutzes orientieren sich das Bundesverkehrsministerium und seine Bauplanungsbehörden an einer gestrigen Politik der Dominanz einer Kfz-Infrastrukturförderung.
Selbst die Forderung der Industrie- und Handelskammer, es bei einem Ausbau der zeitweisen Seitenstreifen mit zusätzlichen Nothaltebuchten zu belassen – und damit eine zusätzliche Staubelastung durch weitere Spuren und neue Brückenbaustellen zu vermeiden, wird ignoriert. Eine Forderung, die durch die Initiativen gegen den acht- bis zehnspurigen Ausbau außerhalb von Leverkusen bereits seit Jahren erhoben wird.
Lange haben sich unser Oberbürgermeister und die politische Stadtspitze nicht an dieser Initiative beteiligt, sondern sich auf die Tunnellösungen für Leverkusen fixiert und damit den überregionalen Widerstand geschwächt.
Wir müssen erreichen, dass diese irrsinnige Planung gestoppt und auf ein vernünftiges Maß gestutzt wird zugunsten des Ausbaus der Bahn und des ÖPNV. Im schlimmsten Fall bleibt uns nur die Klage gegen diese Planung als nicht vereinbar mit dem durch das Bundesverfassungsgericht gefällten Grundsatzurteil zur Zukunftsfähigkeit der Projekte im Sinne des Klimaschutzes und persönlich das Blockieren der Bauarbeiten, notfalls durch Festkleben an den Baugeräten.