Leverkusen – Das Stadtdesign von Leverkusen, das typische satte Grün und das auf der Spitze stehende Quadrat mit den beiden Dreiecken links und rechts stammt aus dem gleichen Grafikbüro wie die damals wegweisende Grafik der Olympischen Spiele 1972.
Es waren fette Jahre in Leverkusen, man engagierte nicht irgendeinen Grafiker, um ein neues Stadtsignet zu entwerfen. Den Auftrag erhielt 1970 das Büro Otl Aicher. Aicher ist einer der Gründer der Hochschule für Gestaltung in Ulm, und Aicher gilt als ein Erneuerer seiner Zunft; nicht nur die berühmten Piktogramme und andere Elemente von Olympia 1972 stammen aus seinem Büro, auch die Lufthansa erhielt ein Design von ihm. Neben vielen anderen ließen sich das ZDF und die Sparkassen von ihm ein Erscheinungsbild schaffen, alle sind einprägsame Zeichen, die jeder sofort kennt. Aicher war mit der Schwester von Sophie und Hans Scholl verheiratet.
Das Konzept „Visuelles Erscheinungsbild Leverkusen“ setzte damals der junge Münchner Grafiker Rolf Müller mit einer eigens eingerichteten Projektgruppe um, verraten die Akten.
Zeigt man das grün-weiße Leverkusen-Emblem Menschen außerhalb Leverkusens, die es nicht sofort erkennen, kommen diese Assoziationen: "Ist es das Zeichen eines Fußballclubs?", "Hat es was mit Jagd oder Umwelt zu tun?", "Ein seltenes Verkehrsschild?". Oder: "Kommt mir bekannt vor... Irgendwas mit Autobahn?" Gesehen hat es fast jeder schon einmal. Bei der Erklärung, dass das Quadrat das offizielle Leverkusener Stadtzeichen ist, fällt es fast allen Testpersonen wie Schuppen von den Augen.
Man muss aber davon ausgehen, dass es einem Großteil der Leverkusener bekannt ist. Von einem Logo, das seit nunmehr über 50 Jahren Jahren auf fast allen Formularen, auf Stadtkarten, auf Schildern, Broschüren und Knöllchen (in Schwarz-Weiß) zu sehen ist, kann man das erwarten.
In der Wirtschaftswunderzeit war das reiche und fortschrittliche Leverkusen bei Neuerungen oft vorne mit dabei: Die Stadt wurde autogerecht, das war irgendwie schick und galt als fortschrittlich. Man plante früh ein großes Einkaufszentrum, Ende der 60er-Jahre kam die Idee auf, ein einheitliches Erscheinungsbild für die Stadtverwaltung zu schaffen. Das hatten damals erst wenige Städte, heute haben selbst kleine Kommunen meist ein Stadt-Logo. Um im Schatten des großen Bayerwerks ein eigenes Gesicht zu bekommen, war ein einheitliches Stadt-Design auf jeden Fall hilfreich.
Auch die nahende kommunale Neugliederung taugte als Argument für ein stadteigenes Design: Eine als als eigenständig wahrgenommene Stadt, so die Überlegung, könne man nicht so einfach schlucken, dazu verhalf das neue „Corporate design“ für die Chemiestadt.
Projektgruppe eingerichtet
Die Arbeit war umfassend. Für den ersten Auftrag gab der Kämmerer 35 000 Mark frei. Aber es folgte noch eine jahrelange Betreuung und Beratung durch die Münchner Grafiker. Im Stadtarchiv liegen mehrere dicke Akten-Stapel zum Thema und einige kleine Objekte, die sich die Stadt damals leistete, wie Kugelschreiber und Zündholzbriefchen mit dem Emblem.
Konsequent setzte man das Grün-Weiß und das Eckige in der ersten Phase in allen möglichen städtischen Bereichen um. Nicht nur Papiere bekamen das Emblem, auch in der Stadtmöblierung finden sich immer noch Elemente, zum Beispiel auf den öffentlichen Stadtplänen. Die überaus übersichtlichen grünen Schilder mit den Stadtteil-Namen am Wiesdorfer Busbahnhof sind inzwischen dem Neubau zum Opfer gefallen.
Das Hochkant-Quadrat prangt prominent auf der Webseite der Stadt und ziert jedes Knöllchen. Auch der Architekt des grünen Rathauses war ganz offenbar inspiriert vom Leverkusen-Grün; am Eingang des 1977 eingeweihten Baus stand sogar ein Würfel, der ans Design erinnerte.
Welche Idee steckt hinter dem Zeichen? Auf jeden Fall wirkt ein auf der Ecke stehendes Quadrat nicht nur kippelig, sondern hat etwas dynamisches. Eine Eigenschaft, die man der Stadt Leverkusen in den 70er-Jahren auch zuschrieb. Das dunkle Grün, das sich auch heute noch manchmal in der Stadt findet, soll positiv und sympathisch wirken, irgendwie auch gesund wie Spinat oder frisch wie ein Wald.
Interpretationen finden sich wenige, meist sind sie verschwurbelt: "Das Fahnenband Leverkusens, grün-weiß-grün, ist in einem Punkt zusammengefasst", sinnierte der damalige Chef im Presseamt, Werner Rudolph, der die Einführung maßgeblich beförderte.
Der Grafiker Müller ist 2015 gestorben. Aber falls er sich in den letzten Jahren noch einmal nach Leverkusen bewegt hat, würde er sicher eine Verwässerung des einstmals durchgängig gepflegten „Corporate Designs“ mit seinem durchaus zeitlosen Quadrat beklagen. Städtischen Töchter, etwa die „Kulturstadt“ und die TBL (Technische Betriebe Leverkusen) haben sich eigene Logos zugelegt, statt sich an das einst teure Design-Quadrat anzulehnen. Das von der TBL wirkt provinziell mit dem Maulwurf mit Bauhelm als Signet.
Aber selbst beim Web-Auftritt des mit städtischem Geld finanzierten Museum Morsbroich nutzt die Stadt-Raute nicht, obwohl sie aus dem wahrscheinlich bedeutendsten Grafikbüro Deutschlands stammt.
Auch wenn nicht jeder mitmacht beim Stadt-Design, offiziell wurde das Erscheinungsbild nie aufgegeben.
Das stehende Quadrat hält sich. Immer wieder musste abgemahnt werden, wenn sich jemand unerlaubt damit schmücken und sich einen quasi-amtlichen Status geben wollte. Das zeigen die Akten, Nicht nur die Leverkusener AOK wurde wegen unerlaubten Aneignung ermahnt, auch Vereine. Als 1991 die NPD-Leverkusen das Quadrat unerlaubt benutzte, gab es eine Abmahnung der Stadtverwaltung an die Partei.
Das gleiche Zeichen in Schwarz-Weiß, um 90 Grad gedreht kann man übrigens manchmal in Supermärkten auf Kartons sehen. Etwa bei Putzmitteln. Es bedeutet: gefährlicher Inhalt, Transport nur in kleinen Mengen.
Dieser Artikel erschien schon einmal in der Zeitung, wir haben ihn aus aktuellem Anlass aktualisiert.