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Die Geschichte des BalkanexpressAls der Bummelzug in die Berge kletterte

Lesezeit 3 Minuten

Der ehemalige Bahnhof in Burscheid in einer Luftaufnahme. Die Firma Goetze und die Ziegelei konnten die Güterwaggons direkt nutzen.

  1. Der Bummelzug ins Bergische Land war auch eine touristische Attraktion.
  2. Von 1881 bis 1991 für die Bahn von Opladen aus.
  3. Heute wünschen sich viele die Schienenverbindung zurück.

Leverkusen – „In Deutz beginnt der Bolschewismus und hinter Kassel die Walachei“, soll Konrad Adenauer einmal gesagt haben, als er mit dem Zug nach Berlin fuhr und angeblich bei der Fahrt über den Rhein die Vorhänge zuzog. Es dürfte allerdings nicht am damaligen Bundeskanzler gelegen haben, dass die Hohenzollernbrücke nicht für jenen Zug vorgesehen, war, der wiederum aus den rheinisch-bergischen „Karpaten“ kam – den „Balkanexpress“.

Nur kurze Zeit bis Köln

Der gemütliche Bummelzug aus dem Bergischen Land hatte nach Köln nur vorübergehend einmal eine durchgehende Verbindung in den 1920er Jahren. Aufgrund von Kapazitätsproblemen auf der Hohenzollernbrücke, wurde diese Verbindung aber wieder gestrichen. Für den Leichlinger Eisenbahnhistoriker und Buchautor Kurt Kaiß ist die Tatsache, dass der Zug nicht dauerhaft bis nach Köln durchgeführt wurde und in Opladen endete, eines der Kernprobleme, die später zur Stilllegung des Schienenwegs von Lennep nach Opladen führte.

Ein To der Baureihe VT 95 im Jahr 1952 in Bergisch Neukirchen.

In Zeiten des Verkehrskollapses wünschen sich viele den Balkanexpress heute wieder zurück. Der Radweg Balkantrasse allerdings ist auch eine beliebte „Schnellverbindung“ und touristische Attraktion. Beim Balkanexpress wiederum spielte auch der Gütertransport eine Rolle – wenn es auch nicht nur tonnenschwere Fracht war, sondern oftmals in Heimarbeit gefertigte Stücke wie Messerklingen oder Textilien. In Burscheid profitierte der Kolbenringhersteller Goetze von der Bahn und auch Ziegel wurden transportiert.

Das Ausbesserungswerk testete neue Technik.

In Neucronenberg suchte die Schraubenfabrik Tillmanns den Anschluss, hatte eine Seilbahn und nutzte später die Lützenkirchener Kleinbahn. Der Gütertransport entwickelte sich in der Anfangszeit des Balkanexpresses gut, doch wie Kaiß zur Bahnverbindung erklärt, „erlangte das Beförderungsaufkommen im Personenverkehr zeit ihres Bestehens nie den Umfang, den es eigentlich bedurft hätte, um den in den Jahren 1908 bis 1910 erfolgten zweigleisigen Ausbau der Strecke zu rechtfertigen.“

Von sparsamen Preußen finanziert

Für ihn ist es ein Paradox, dass die ansonsten so sparsamen Preußen, das Projekt finanzierten. Denn es rentierte sich nicht und wurde auch nicht richtig für schnelle Züge oder ein höheres Aufkommen genutzt. „Der Erste Weltkrieg markiert das Ende des Eisenbahn-Booms“, sagt Kaiß. Mitte der 1920er Jahre ging es wirtschaftlich etwas bergauf, doch dann kam die Wirtschaftskrise. Ende der 1950er Jahre wurde betriebstechnisch wieder in eine eingleisige Hauptbahn umgewandelt.

Ein NT 6129 abends im Jahr 1988 in Opladen abgelichtet.

Der Name Balkanzug taucht laut Kaiß Ende der 1930er Jahre erstmals auf. „Aus der kreativen Rhein-Region ging es hinauf ins karge Gebirge. Die Strecke kletterte schon ganz schön“, sagt Kaiß. In der Anfangszeit seien drei Loks erforderlich gewesen, zwei hätten den Zug vorne gezogen, eine hinten geschoben. Später hieß es Balkanexpress, aber auch das war eher ironisch gemeint. Denn dem Bummelzug wurde auch nachgesagt, dass er sich eigne, während der Fahrt Blümchen zu pflücken.

Die Strecke führte zumal im Bereich Bergisch Neukirchen malerisch durch die Obstregion. Auf einem Bierdeckel gab es zur Abbildung des Zugs einmal die Aufschrift „Blütenbahn“. Und die hatte Tradition: Bereits 1876 bestand eine Schienenverbindung zwischen Lennep und Wermelskirchen, fünf Jahre später wurde die durchgehende Verbindung bis Opladen eröffnet. Von einer Sekundär- und Nebenbahn wandelte sich die Bahnlinie zeitweise sogar zur Hauptbahn.

Das Stationsgebäude in Hilgen um 1900.

„Im Verlauf des langsamen, aber stetigen Niedergangs in der Ära der Deutschen Bundesbahn verkamen mit der Stilllegung des Abschnitts Wermelskirchen–Hilgen zum 28. Mai 1983 die beiden verbliebenen und wieder zur Nebenbahn herabgestuften Streckenstümpfe jeweils zu unbedeutenden Restbahnen“, so Kaiß.

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Endgültig wurde der Betrieb auch zwischen Opladen und Hilgen 1991 eingestellt. Konkurrenz machten Busverbindungen. Bestrebungen, die Bahn aufrecht zu erhalten kamen aus Wermelskirchen, Remscheid und Burscheid. Leverkusen war nicht interessiert. Das Interesse an der alten Balkantrasse aber wächst mit dem Radtourismus. In Filmen ist der Zug noch zu sehen, so im Streifen „Wenn Süß da Mondlicht auf den Hügeln schläft“ (1969).