Hochwasserschutz in LeverkusenBäume an Wiembachallee stehen doch auf der Kippe
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Leverkusen – Die Leverkusener und Leverkusenerinnen haben lange darauf gewartet: Gemeinsam mit dem Wupperverband haben die Zuständigen der Stadtverwaltung eine Informationsveranstaltung durchgeführt und Fragen der Bürgerschaft gesammelt.
Umweltdezernent Alexander Lünenbach und Christiane Jäger, Amtsleiterin für Mobilität und Klimaschutz, hörten sich die zahlreichen qualifizierten Anmerkungen der mehr als 100 Teilnehmenden aus dem Chat während des Videocalls an. Georg Wulf als Vorsitzender des Wupperverbandes stand mit Marlene Liebeskind, Bereichsleiterin Gewässerentwicklung, Rede und Antwort. Unter der Rubrik „Zukunftsaufgabe Klimawandel“ (ZAK) sollen weitere Termine folgen, an denen der Stand der Aufnahme des Hochwassers von Juli 2021 und Maßnahmen zum Schutz präsentiert werden.
Diese Frage scheint banal, aber den Hydrologen und Hydrologinnen ist noch nicht klar, was jeweils die 923 beim Wupperverband eingegangenen Schadensmeldungen ausgelöst hat. Fest stehe jedoch, dass aus der Dhünntalsperre so gut wie kein Wasser geflossen sei und die Wuppertalsperre nicht mehr als 28 Prozent zur Flut der Wupper beigetragen habe, so Wulf. Der Rest müsse sich im Unterlauf summiert haben. Ein Problem sei auch das Treibholz gewesen, das zumindest teilweise hätte vermieden werden können, und für dessen Beseitigung im Nachhinein 21 Fremdfirmen für den Verband im Einsatz waren. Zum Frust vieler Bürger und Bürgerinnen bekamen sie also wenig konkrete Antworten auf ihre drängenden Fragen.
Erst wenn das Ereignis komplett erforscht ist, können Maßnahmen zum zukünftigen Schutz erarbeitet und der Hochwasserschutz neu gemanagt werden. Dazu ist Professor Holger Schüttrumpf der RWTH Aachen mit seinem Lehrstuhl am Institut für Wasserbau und -wirtschaft mit einem unabhängigen Gutachten beauftragt worden. Das Ergebnis wird Ende April erwartet. Es sind bereits 124 vorläufige Hot Spots im Verbandsgebiet, das 2300 Kilometer Fließgewässer bewirtschaftet, identifiziert worden. Das in Planung befindliche „Zukunftsprogramm Hochwasserschutz“ des Wupperverbands mit sechs Punkten wird auch die folgenden Themen beinhalten.
„Wir wissen alle, dass die Vorentlastung am Ende nicht ausreichend war“, sagt Wulf heute eindeutig über das Ablassen der Wuppertalsperre vor dem Starkregen. Aber Talsperren sind multifunktional. Neben dem Hochwasserschutz sorgen sie auch für Trinkwasser und sind Mittel, um in Trockenzeiten das Niedrigwasser der Flüsse zu erhöhen. „Wir werden diese Talsperren nicht als Hochwasserrückhaltbecken nutzen können“, sagt Wulf. Doch Lösungen wie die Vergrößerung der Staubecken und die definitiv anstehende Veränderung der Sommerstauziele, das heißt, die Reduzierung des Wasservorrats für Trockenzeiten, würden zurzeit analysiert.
Wie können bessere Informationen leichter vermittelt werden?
Zum einen sind bei der Flut viele Pegel ironischerweise gerade durch ihre Überflutung ausgefallen, und Kommunikationsketten zwischen Experten und Expertinnen und den Kommunen litten unter dem Strom- und Netzausfall. Die Antwort des Verbandes lautet ergo, mehr und neue Meldepegel zu installieren. Jedoch bleibe auch dann die Vorwarnzeit wegen des bergischen Gefälles kurz, weshalb sich Georg Wulf auch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Mustererkennung und Antizipierung potenzieller Gefahren vorstellen kann. Bereits geprobt wird ein Videokanal, in dem sich Entscheidungstragende im Katastrophenfall austauschen und die Bevölkerung informieren können.
Gibt es schon Lösungsansätze?
Schlebusch kann schon einmal aufatmen, denn quer zwischen Odenthaler Straße und Dhünn, vom Zentrum aus gesehen noch vor dem Kreisverkehr, planen die Technischen Betriebe Leverkusen (TBL) einen Deich, der 52 der 69 derzeit im Falle von Hochwasser gefährdeten Gebäude schützen wird. Oberhalb von Schlebusch wird außerdem der Ophovener Weiher vergrößert, sodass das Rückhaltebecken nicht mehr nur ein geringes Hochwasser (HQ15 auf der Skala), sondern eines der Ordnung HQ75 fassen kann.
Für den Mutzbach, der den Lindenhof überflutete, gibt es noch keine Lösung, da die Rohre zu klein und sein Gebiet dicht bebaut ist.
Der Wiembach wirft noch immer die größten Fragezeichen auf, ein Arbeitskreis hatte sich schon vor dem Juli-Hochwasser mit ihm beschäftigt. Elf Möglichkeiten untersuchen die TBL, Marlene Liebeskind vom Wupperverband bezeichnete alle als „nicht optimal“, aber eine Verdopplung des Fließquerschnitts wird derzeit von beiden Seiten favorisiert. Wie auch für die anderen Überlegungen müsste die Baumallee gefällt werden, doch kann sie bei dieser Lösung immerhin wieder angepflanzt werden.
Bürger und Bürgerinnen warfen im Prozess der Neugestaltung des Wiembachs der Stadt vor, die Ausweisung von Bauland dem Hochwasserschutz vorzuziehen. Opladener und Opladenerinnen fragten insbesondere nach einer Deicherhöhung an der Wupper. Wie hoch dieser sein müsste, um auch bei einer extremen Flut zu schützen, und um welchen Preis so eine Maßnahme errichtet werden kann, wird noch ermittelt. Ob derartige Wassermassen, wie sie im Juli „von überall“, so Wulf, kamen, überhaupt hätten aufgehalten werden können, ist fraglich. Sicher ist: Entscheidungstragende müssen neu abwägen, für welche Hochwasserpegel sie die Stadt schützen wollen.