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Flut in LeverkusenWie es drei Opladener Familien ein Jahr nach der Katastrophe geht

Lesezeit 6 Minuten
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Guido Weber im Opladener Garten. Das Chlorophyll der Lebensbäume war ausgebleicht, jetzt sind sie wieder grün.

Leverkusen – Das Sinnbild des vergangenen Jahres könnte für die Webers aus Opladen die Lebensbaumhecke im Garten sein: An allen Zweigen, die am 14. Juli 2022 vom undefinierbar verschmutzten Wupperwasser umflossen waren, ist bis heute der grüne Blattfarbstoff ausgebleicht. Die Farbe ging eher ins Graue über. Inzwischen sind neue Spitzen nachgewachsen, die die Hecke wieder gesund und grün erscheinen lassen. Im Innern der Hecke bleiben die Flutfolgen aber sichtbar.

Elisabeth und Guido Weber sagen, sie seien glücklich, dass sie jetzt schon soweit gekommen seien. Dass die Söhne, zwei Studenten, nun zum Jahrestag endlich wieder ihre vor einem Jahr überschwemmten Wohnungen im Untergeschoss beziehen können. Als die Reporter des „Leverkusener Anzeiger“ kurz vor Weihnachten die Webers und zwei weitere Familien besuchen und erstmals hier im Keller stehen, sind die Räume im Rohbauzustand. Die Flut ist damals zwar fast fünf Monate her, aber der Schock sitzt noch tief.

Alles ist wie vorher – nur schöner

Einer der Söhne wohnt bis heute in einer Ecke des Wohnzimmers, der andere kam in der Nähe bei Bekannten unter. Am Dienstag war Abnahme der letzten Malerarbeiten: Alles O.K, die Handwerker kamen aus der Gegend. Die Umzüge der Jungs können über die Bühne gehen. Alles wirkt wie in einem Neubau, die Wände im Keller strömen den Geruch von frischem Putz aus. Kaum hörbar dreht in einer nagelneuen Waschmaschine die Trommel. Im Nebenraum steht eine neue Gasheizung. Alles ist wie vorher – nur schöner.

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Guido und Elisabeth Weber mit ihrem Dackel Oskar im sanierten Keller des Hauses an der Wiembachallee

Wie viele ihrer Nachbarn rechnen die Webers erstmal nicht mit einer Wiederholung der verheerenden Flutnacht. Sie haben im Keller den Gegenwert einer gebrauchten 100-Quadratmeter-Eigentumswohnung verbaut, das Obergeschoss ist damals knapp trocken geblieben.

Auf der Straße stand das Wasser etwa hüfthoch, den tief liegenden Garten, der auf Kellerniveau ausgeschachtet ist, überflutete die Wupper in der Julinacht etwa 2,50 Meter hoch, genau bis an die Kellerdecke. Dort stehen Elisabeth und Guido Weber.

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Die Familie Weber hat einen neuen Gully mit Pumpe auf der Terrasse installiert.

Er zeigt auf der Terrasse vor dem großen Zimmer auf einen neuen Gully. „Da ist jetzt eine Pumpe drin, eine Hochleistungspumpe!“ Einen vernünftigen Generator will er noch anschaffen, er weiß, dass bei einer Flut schnell der Strom abgeschaltet wird. Klar ist aber: Bei einer Flut wie vor einem Jahr wird man mit der Pumpe nichts ausrichten, höchstens, wenn es nicht so schlimm kommt.

Geblieben ist die Nervosität, wenn es regnet

„Wir glauben, dass es im Wesentlichen die Wupper war, die uns so hoch überschwemmt hat“, sagt Elisabeth Weber. Das Vorhaben der Stadt, die Bäume an der Wiembachallee zu fällen und das Bachbett auszuweiten, halten die beiden trotz ihrer Erfahrung nicht für zielführend. Stattdessen: Weniger Versiegelung, mehr Freiraum fürs Hochwasser im Oberlauf.

Geblieben ist ihnen eine gewisse Nervosität, wenn es regnet: „Wir gucken dann ständig in die Apps“. Und bald geht es zum ersten Mal seit Juli 2021 wieder in den Urlaub. Wohin, ist noch unbestimmt; klar ist aber, dass sie mit dem Auto fahren und dann auch nur so weit, dass sie in ein paar Stunden zurück an der Wiembachallee sein können.

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Tobias und Martina Oppenhäuser sitzen in ihrem neuen Wohnzimmer.

Aus dem Urlaub kehrten die Oppenhäusers 2021 in ihr überflutetes Haus an der Bielertstraße, ein paar hundert Meter entfernt von den Webers, zurück. Auch sie hindert die Vergangenheit nicht daran, mit ihren vier Söhnen im Juli wieder das Weite zu suchen. Der Keller war vor einem Jahr komplett geflutet, im Wohnzimmer stand das Wasser 40 Zentimeter hoch. Wenn sie jetzt in den Urlaub verschwinden, sagt Martina Oppenhäuser, dann werde sie die wichtigen Sachen nach oben stellen, „spaßeshalber“. Die Fotos, zum Beispiel, die es vor einem Jahr geschafft hätten, die es überhaupt noch gibt. Viele andere sind für immer weg.

„Wir fühlen uns hier sauwohl“

Tobias und Martina Oppenhäuser kommen schnell auf die Wiembach-Pläne der Stadt zu sprechen, auf ihre „Wut über das, was über den Wiembach erzählt wird“. In der Flutnacht, da sei es „ein bisschen Wiembach und viel Wupper“ gewesen, was auf den Straßen und in ihrem Haus stand. „Wir finden nicht, dass es sinnvoll für unser Viertel ist, wenn hier der Wiembach verändert wird.“

„Wir fühlen uns hier sauwohl“, sagt Tobias Oppenhäuser. Hätten sie denn nie darüber nachgedacht, das Haus aufzugeben? „Nein“, antwortet er. „Mal kurz“, antwortet Martina Oppenhäuser zeitgleich. „Aber wir haben ja nur Sachen verloren. Wären hier Menschen zu Schaden gekommen, würden wir darüber wohl anders reden.“

In der Küche zeugt nur noch ein grauer Schleier an den Beinen des Holztisches vom Hochwasser. Küche und Wohnzimmer sind fertig hergerichtet, die neue Heizung wurde installiert, der Keller braucht nur noch ein paar Wochen. Also alles wieder perfekt? Nein.

„Manchmal geht mir die Puste aus“, sagt Martina Oppenhäuser. „Was noch alles gemacht werden muss! Es fehlen noch Lampen, die Toilettentür wellt sich, viele Kisten sind noch eingelagert. Aber irgendwann kann ich auch nicht mehr. Ich habe einfach keine Lust mehr, Kisten durchzuwühlen.“

„Wir haben großes Glück gehabt“

Edeltraud und Klaus Nadolski kennen dieses Gefühl. „Wir sind es so leid“, sagt sie. „Da ist eine unsichtbare Hürde, die sich aufbaut. Und immer wieder stellt man neue Schäden fest.“

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Edeltraud und Klaus Nadolski in ihrem Garten in Opladen

Das Rentner-Ehepaar sitzen in seinem Wintergarten, der nach der Flut abgesackt ist. Das war doch schon vorher so und sei sowieso ganz typisch für Wintergärten, sagte die Versicherung. „Wenn dir erwachsene Leute so etwas erzählen“, setzt Klaus Nadolski an – und beendet den Satz nicht. Bei der Betonung aber wird deutlich, dass er statt „so etwas“ auch „so einen Unsinn“ hätte sagen können. Später wird er noch die abgesackte Terrasse neben dem Wintergarten zeigen und sagen: „Natürlich war das vor der Flut noch nicht so.“

Und dann die Handwerker, an denen es mangelt, weshalb der Garten einfach nicht fertig und Klaus Nadolski mit seinen 83 Jahren jetzt die Sanitäranlagen im Keller selbst installieren wird. „Du bist fleißig, aber das klappt auch nicht alles immer“, sagt Edeltraud Nadolski.

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Was sich auch nicht abstellen lasse, sei das „gewisse Unbehagen“, sagt Edeltraud Nadolski, das sie beschleiche, wenn es stark regnet. Der Gedanke an eine erneute Flut, „der ist immer da“, sagt sie. „Das geht nicht weg.“

Aber nein, sie wollen nicht so viel meckern, ermahnen sie sich immer wieder selbst. „Uns geht es grundsätzlich gut“, sagt sie. „Wir sind gut weggekommen. Nur der Keller war überflutet, wir hatten keine Verletzten, haben keine Angehörigen verloren. Wir haben großes Glück gehabt.“

Und was sowieso „ein Genuss“ sei, sagt Edeltraud Nadolski: der neue Keller. Kein Rohbau mehr, keine Baustelle, nein, neuer Boden, neue Wände, neue Geräte, ein neues Arbeitszimmer. Noch einmal: „Ein Genuss!“