Leverkusen – 189 Tote hatte es bundesweit bei der Flut vor einem Jahr gegeben, keinen in Leverkusen, dafür einige in Lebensgefahr, viele materielle Schäden – und seelische.
Am Jahrestag der Flut gab es in Opladen einen Gedenk-Rundgang, veranstaltet von der Stadtverwaltung. Startpunkt war der Hof im Naturgut Ophoven. Dort ahnte mittags vor genau einem Jahr noch niemand etwas davon, was gegen 20 Uhr geschehen sollte: Bis dahin war der Wiembach so stark gestiegen, dass auch der letzte wegen Lebensgefahr das alte Gut verlassen musste.
Gedenken, Kennenlernen, Verarbeiten
Zum Gedenktag, an dem alle Flaggen in NRW auf Halbmast wehten, sollte bei einer gemeinsamen Wanderung den Wiembach hinunter mit Verwaltungsmitarbeitenden, Retterinnen und Rettern, Politikern, Seelsorgern, zwei Abgeordneten und natürlich Anwohnerinnen und Anwohnern die Flut wenigstens zum Teil rekapituliert werden: zum Gedenken, zum Kennenlernen und zum Verarbeiten der existenziellen Erlebnisse, die viele an dem Tag durchlebt haben. Ungefähr 70 Teilnehmer machten den Rundgang mit, der an der Bielertkirche mit Gebet, Kaffee und Kuchen endete.
Oberbürgermeister Uwe Richrath war zum zentralen Gedenken an die Ahr gefahren, also hielt der Umweltdezernent Alexander Lünenbach die Eröffnung. „Wir erleben wieder extreme Hitzetage, auch wenn alles kein Vergleich zum 14. Juli 2022 ist, wir sind mitten im Klimawandel“, sagte er, zwar sei Leverkusen im Prinzip hochwassererprobt, aber nicht so. Die Bilder der Flut hätten sich bei ihm stark eingeprägt. Und die Stadt müsse Vorkehrungen treffen.
Er nannte erstens den beschlossenen Deich für Schlebusch und er sagte zweitens: „Was am Wiembach kommt, das sehen wir dann.“ Da unterscheiden sich die Ansichten einerseits der Verwaltung und vieler Bürger nämlich noch sehr stark, wie später deutlich wurde.
„Wir müssen mit Entsiegeln anfangen“
Lars Dietrich, der mögliche neue Leiter des arg in Mitleidenschaft gezogenen Naturguts Ophoven, beleuchtete die selbe Frage von der Ursache her: „Die Sache haben wir selbst im Griff: Wir müssen nicht nur weniger neu versiegeln, wir müssen mit dem Entsiegeln anfangen“.
Station eins der kleinen von der Stadtverwaltung organisierten Prozession war die Wiembachallee. Sie soll ja nach Ansicht der Verwaltung komplett neu angelegt werden – mit einem breiteren Bachlauf, damit entfiele für die Umgebung der Status einer Überflutungsfläche bei einem 100-jährlichen Hochwasser mit den Folgen, dass dort weiter gebaut werden dürfte. Simone Möller („Ich bin selbst abgesoffen“) von den TBL (Technische Betriebe Leverkusen) sagte, es müsse etwas geschehen, „Der Wiembach will mehr Raum“.
Konsens ist nicht einfach
Christiane Jäger, die den städtischen Fachbereich Klimaschutz leitet, moderierte, als die Meinungen gegeneinander standen. Ausnahmslos alle Bürger die sich in der Diskussion unter dem kühlen und dichten Blätterdach der Allee zu Wort meldeten, mahnten an, dass an der Ursache der Überschwemmungen vielmehr am Oberlauf des Wiembachs etwas geschehen müsse. Weniger Neubauten zum Beispiel, weniger Asphalt, mehr Rückhalteflächen. „Die Regel heißt: Entsiegeln, entsiegeln, entsiegeln, aber wir wollen alle hier in der Stadt leben. Über das, was wir machen, ist nicht einfach Konsens herzustellen“, sagte Jäger.
Einen Flutverlauf wie vor einem Jahr, bei dem die Wupper in die Tiefebene Opladen hineingedrückt hatte, könnte auch ein ausgebauter Wiembach nicht im geringsten beeinflussen, war man sich immerhin einig. Marlene Liebeskind vom Wupperverband erklärte auf der Allee und am Weiher die Flutwellen von Wiembach und Wupper. Die Menschen kamen sehr gut ins Gespräch untereinander, Telefonnummern und E-Mail-Adressen wurden getauscht.
Zum eigentlichen Gedenken kam man am Schluss im Versammlungssaal der Bielert-Gemeinde mit Pastor Stephan Noesser. Ein bewegendes Klavierstück, gespielt von Silke Hamburger, dann folgte eine Gedenkminute – für 189 Tote und für bedrohte Existenzen.