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Gesundheitsminister im InterviewKarl Lauterbach gesteht Fehler in Corona-Politik ein

Lesezeit 4 Minuten
Karl Lauterbach steht in einem Treppenhaus, er schaut an der Kamera vorbei.

Karl Lauterbach Anfang Dezember vor einem Auftritt in Leverkusen.

Knapp 13 Monate lang ist Karl Lauterbach jetzt Gesundheitsminister. Er spricht über Erfolge und Fehler, Spaß an der Arbeit und Mangel an Freizeit.

Karl Lauterbach ist im Dezember 2021 Gesundheitsminister auch von Twitters Gnaden geworden. Mit #wirwollenkarl forderten unzählige Menschen Olaf Scholz dazu auf, den Gesundheitsexperten der SPD ins Ministeramt zu heben. Lauterbach – seit 2005 fünfmal für Leverkusen und Köln-Mülheim in den Bundestag gewählt – war in der Corona-Pandemie der strenge Mahner und stellte klare Forderungen. Nachts las er Studien, tagsüber erklärte er Deutschland das Virus. Wer also sollte besser geeignet sein, das Gesundheitsministerium zu führen, fragten sich Millionen.

Viele betrachten Karl Lauterbach als entzaubert

Und heute, da betrachten ihn viele als entzaubert. Er, der zuvor klare Positionen beziehen konnte, muss jetzt Kompromisse als Erfolge verkünden. „Manchmal setzt man sich durch, manchmal nicht“, sagt Lauterbach bei einem Gespräch Anfang Dezember in Leverkusen. Kurz zuvor hat er in einem Vortrag seine Erfolge aufgelistet: Reformen, die Krankenhäusern eine bessere Finanzierung sichern sollen, erste Schritte auf dem Weg zur Abschaffung von Fallpauschalen, die Rettung der Kliniken vor Insolvenzen durch explodierende Energiepreise zählt er unter anderem dazu.

Es ist 21.27 Uhr, als er sich die Zeit nimmt, danach noch über sein erstes Jahr als Minister zu sprechen. Die Personenschützer bleiben vor der Tür. Lauterbach wirkt erschöpft, lässt sich eine Flasche Wasser bringen und trinkt sie zügig leer.

Gefragt nach Fehlern, fällt ihm nur wenig ein. Zwei nennt er: „Das erste Infektionsschutzgesetz war wahrscheinlich nicht optimal. Die damals eingeführte Hotspot-Regelung, auf die ich mich mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) geeinigt hatte, war kaum umsetzbar.“

Und er räumt ein, dass es ab und zu „eine kleine Kommunikationspanne gegeben“ habe. Eine solche wiegt im April schwer. Erst verkündet Lauterbach, wer positiv auf Corona getestet werde, müsse sich nicht mehr isolieren, dann rudert er bei „Markus Lanz“ zurück. Dafür kassiert er viel Kritik. „So ein Talkshow-Auftritt ist nicht optimal, um eine Ankündigung zu machen“, sagt Lauterbach. „Aber der Inhalt war richtig. Das zählt.“

Lauterbachs allgemeine Impfpflicht ist gescheitert

Anderen dürften weitere Niederlagen einfallen, zuvorderst das Scheitern der allgemeinen Impfpflicht. Dass in manchen Bereichen die Maskenpflicht gestrichen, sie in anderen beibehalten wurde, betrachtet Lauterbach hingegen nicht als Niederlage, sondern wieder einmal als notwendigen Kompromiss.

Dass Lauterbach nicht mit Maximalforderungen den Kampf gegen Corona bestreiten kann, wie das einige bei Twitter wohl gerne gesehen hätten, liegt vor allem an der FDP: „Es ist nicht so, dass wir im Kabinett alles in Harmonie beschließen“, sagt Lauterbach. „Wenn ich zum Beispiel mit den Kollegen Buschmann und Lindner über die Strategie bei der Pandemiebekämpfung streite, haben wir ganz unterschiedliche Herangehensweisen.“ Aber ein schlechtes Wort lässt er auf keinen von beiden kommen.

Karl Lauterbach lobt FDP-Minister Volker Wissing

FDP-Mann Volker Wissing, der als Verkehrsminister ein Entscheider über die Zukunft des Autobahnausbaus in Leverkusen ist, lobt er: „Ich schätze Herrn Wissing ob seiner Kompetenz und seiner Verbindlichkeit. Wenn er Zusagen macht, kann man sich auf diese Zusagen auch verlassen. Ich glaube, dass er sehr viel mehr Verständnis für die Situation der Bürger hier in Leverkusen hat als sein Amtsvorgänger Andreas Scheuer.“

An der Leverkusen-Kölner CDU-Abgeordneten Serap Güler hat Lauterbach in Berlin bislang trotz des gemeinsamen Wahlkreises vorbeigelebt. Es habe wenig Zeit gegeben, „mich mit ihr auszutauschen, worüber ich mich sehr gefreut hätte.“

Ganz anders bei Grünen-Politikerin Nyke Slawik: Nachdem sie eine depressive Phase öffentlich gemacht hatte, habe er mit ihr gesprochen. „Es tat mir sehr leid, dass es ihr so ergangen ist. Sie macht eine gute Arbeit. Ich habe mich dazu mit ihr ausgetauscht und bin mit ihr in freundschaftlichem Kontakt.“

„Ich arbeite zwar sehr hart, aber ich mache das gerne. Weil ich vom Wert der Arbeit überzeugt bin“, sagt Lauterbach. Wie viel er arbeitet, der schon als Abgeordneter nur wenig Schlaf fand, wird spät am Abend in Leverkusen auch deutlich. „Ich habe viel weniger Freizeit als ich jemals in meinem Leben hatte. Mir fehlen auch viele Dinge, zum Beispiel das Lesen guter Bücher. Ich bin ein leidenschaftlicher Kinogänger, das fehlt mir auch. Ich bin sehr oft mit Freunden essen gegangen und wir haben lange Diskussionsabende gehabt. Und ich habe auch weniger Zeit zum Tischtennis spielen. All diese Dinge finden noch statt. Aber nicht mehr so oft.“

„Ich wäre gerne auf den Weihnachtsmarkt gegangen“, sagt Lauterbach zum Abschied. Aber klar, die Zeit habe gefehlt. Er esse zwar keine Rostbratwurst, „aber ich mag die Atmosphäre. Ich trinke gerne einen Glühwein.“