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Chemie in LeverkusenAuch Lanxess-Aktionäre sollen den Vorstand nur am Bildschirm sehen

Lesezeit 4 Minuten
Blick auf einen Backsteinbau im Chempark Leverkusen mit Lanxess-Schriftzug auf dem Dach

Auch der Lanxess-Vorstand – hier Büros im Chempark – setzt weiterhin auf Hauptversammlungen im Internet, nicht in der gleichnamigen Arena.

Bayer macht es, die Ausgründungen ziehen nach: Hauptversammlungen bleiben im Internet. Auch wenn kaum jemand teilnimmt.

In der Aktionärsdemokratie spielen die Interessen von Kleinanlegern kaum eine Rolle. Das zeigt sich am frühen Mittwochnachmittag, als auf der Hauptversammlung von Lanxess die Stimmen ausgezählt sind: Reichlich 88 Prozent der Stimmen bekommt der Plan des Vorstands, den Aktionären auch in Zukunft nur am Bildschirm zu begegnen und nicht persönlich. Was unter den Bedingungen der Corona-Pandemie aus der Not geboren wurde – es bleibt. Bei Bayer, bei Covestro, bei Lanxess.

Wie schon auf den Hauptversammlungen der Ex-Mutter und des Kunststoff-Schwesterkonzerns steht auch bei Lanxess der Antrag auf der Tagesordnung, die seit Jahrzehnten üblichen Treffen in Präsenz zu einer Kann-Übung zu machen. Der Vorstand des Spezialchemiekonzerns will sich dieses Mandat vorerst nur für zwei Jahre geben lassen – immerhin: Fünf wären auch möglich. So sieht es die Neufassung des Aktiengesetzes vor, die übrigens im Bundestag auf so gut wie keinen Widerstand gestoßen ist.

Um auch künftig im Netz tagen zu können und nicht – wie seit Gründungstagen des Unternehmens in der von Lanxess namensgesponserten früheren Köln-Arena –, muss die Satzung geändert werden. Vor der Entscheidung, das jährliche Treffen virtuell abzuhalten, muss der Vorstand unter anderem die Aspekte „Aufwand und Kosten“ betrachten sowie „Nachhaltigkeitserwägungen“ anstellen. Allerdings schlägt in dieser Hinsicht die virtuelle Hauptversammlung jedes Aktionärstreffen in Präsenz.

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Nur 96 Personen sind dabei

Ebenfalls soll eine Rolle spielen, wie viele Aktien auf der Versammlung präsent sind. Dass das nichts damit zu tun hat, wie viele Menschen teilnehmen, zeigt sich am Mittwoch frappierend: Mehr als 60 Prozent des Kapitals sind vertreten, was dem üblichen Wert entspricht. Als aber Lanxess-Finanzvorstand Michael Pontzen am Mittag die Frage beantwortet, wie viele Personen gerade zugeschaltet sind, wirkt das ernüchternd: 96. Auf der letzten Präsenz-Hauptversammlung im Jahr 2019 wurden mehr als 1200 Besucher in der Arena gezählt.

Was die Debatte angeht, fällt der Unterschied an diesem Mittwoch weit weniger krass aus. Zwar gibt es außer Wortmeldungen der Kleinanleger-Vertreter von Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sowie der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka nur eine weitere Anmerkung. Aber das war bei Aktionärstreffen in Präsenz nicht viel anders. Bei Lanxess ging es nie so zu wie bei Bayer. Die Aufregungen, die dort die Regel sind, hat es bei dem Chemie-Unternehmen bisher nicht gegeben.

Trotzdem findet kein Interessenvertreter der Kleinanleger den Plan, mit virtuellen Hauptversammlungen weiterzumachen, gut. Auch das Kostenargument verfängt nicht. Finanzchef Pontzen stellt zwei Millionen Euro für eine Präsenzveranstaltung 550.000 für eine virtuelle gegenüber.

Rekordschulden werden abgebaut

Es geht ja in dem weltweit agierenden Konzern sonst auch um ganz andere Zahlen. Der fortgesetzte Umbau des Unternehmens hat den Schuldenstand Ende vorigen Jahres auf 3,8 Milliarden Euro getrieben. Zu viel, das finden allerdings nicht nur die Aktionärsvertreter. Die 1,3 Milliarden Euro, die Lanxess dadurch zugeflossen sind, dass es seine Material-Sparte in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem US-Finanzinvestor Advent eingebracht hat, der wiederum den Kunststoff-Bereich der niederländischen DSM dazu tat, sollen vor allem für den Schuldenabbau eingesetzt werden. Dazu machte Finanzvorstand Michael Pontzen eine beruhigend wirken sollende Ergänzung: Lanxess sei „weit überwiegend zu fixen Zinssätzen finanziert“.

Das ist sicherlich gut so, denn Vorstandschef Matthias Zachert erwartet – auch wegen der hohen Energiekosten und anderer Hemmnisse – noch ein „ein hartes Jahr für die Chemie“ in Deutschland, also auch für Lanxess. Das erste Halbjahr werde wohl „besonders schwer“ verlaufen. Erst in der zweiten Hälfte könne sich die Lage verbessern.

Den Grund für diesen Optimismus erläutert auf Nachfrage wiederum der Finanzchef. Pontzen erklärt, dass die Auftragsbücher zwar nur die kommenden sechs Wochen abbilden. Aber „historische Erfahrungen“ in der Chemie-Industrie zeigten, dass Abnehmer nach zwei bis drei Quartalen wieder beginnen, ihre Läger aufzufüllen. Unter dem Trend, Vorräte aufzubrauchen, hat Lanxess seit vorigem Herbst stark gelitten. Diese schwere Zeit dürfte sich bald dem Ende zuneigen. Das ist gut für alle Anleger. Egal, wie viele Aktien sie haben.