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Chemie-Explosion in LeverkusenCurrenta durfte giftiges Löschwasser in Rhein leiten

Lesezeit 4 Minuten
Explosion der Sondermüllverbrennung Leverkusen am 27. Juli 2021.

Einen Tag nach der Explosion der Sondermüllverbrennung in Bürrig begann Currenta damit, 34.000 Kubikmeter stark belastetes Löschwasser in den Rhein abzuleiten. Die Staatsanwaltschaft hat das nun für in Ordnung befunden.

Die Umwelt-Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren wegen der Rhein-Belastung ein. Der BUND hält das für eine Fehlentscheidung.

Eine Anzeige nach der verheerenden Explosion am 27. Juli 2021 können die Verantwortlichen bei Currenta abhaken. Die Dortmunder Sonderstaatsanwaltschaft für Umweltkriminalität hat die Ermittlungen gegen den Chempark-Betreiber eingestellt. Der Beschluss liegt dem „Leverkusener Anzeiger“ vor. Dabei geht es um die 60 bis 70 Kilogramm des verbotenen Insektengifts Clothianidin, die Currenta in den Monaten nach der Katastrophe in den Rhein geleitet hatte. Das begann einen Tag nach dem Unglück, bei dem sieben Menschen starben und 31 verletzt wurden und zog sich nach bisherigen Erkenntnissen bis Heiligabend hin.

Das Gift war Bestandteil des Löschwassers, das nach und nach über die Bürriger Kläranlage in den Strom abgelassen wurde, insgesamt rund 34.000 Kubikmeter, wie sich nach und nach herausstellte. Dazu kamen jene rund 1400 Kubikmeter, die durch ein monatelang unbemerkt gebliebenes Leck in einem Tank versickerten.

Der BUND schrieb eine Anzeige

Der Umgang mit dem Löschwasser hatte den Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland auf den Plan gerufen. Er erstattete am 17. Januar 2022 Anzeige, nachdem durch beharrliches Nachfragen das ganze Ausmaß der Rhein-Verschmutzung durch Currenta deutlich geworden war. Am Donnerstag teilte der Dortmunder Staatsanwalt dem BUND mit, dass er die Ermittlungen einstellt, „mangels hinreichenden Tatverdachts“. Es sei nicht zu erwarten, dass die Verantwortlichen bei Currenta vor Gericht verurteilt würden. Wahrscheinlicher sei ein Freispruch. Der Straftatbestand einer Gewässerverunreinigung sei aus Sicht der Ermittler nicht erfüllt.

Dabei stützt sich die Staatsanwaltschaft auf Gutachten des Tüv und des Landesamts für Natur, Umweltschutz und Verbraucher. Das Lanuv sei vor einem Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einleitung des mit dem Insektengift und vielen weiteren Chemikalien belasteten Löschwassers keine „nachteilige Veränderung des Gewässers“ – also des Rheins – bedeute. Zumindest sei das „nicht nachgewiesen“ worden.

Tüv und Lanuv sehen keine Gefährdung des Rheins

Der Tüv hatte laut Staatsanwaltschaft schon Ende Dezember 2022 geurteilt, dass aus dem Ablassen des Löschwassers, in dem auch PCB, Ewigkeitschemikalien aus der PFAS-Familie und weitere Umweltgifte gefunden wurden, „keine Gefährdungen der aquatischen Biozönose und der Rheinwasser-beeinflussten Trinkwassernutzung resultieren“. Es habe auch keinen Anlass für einen Rheinalarm gegeben: Die Gift-Last habe immer „deutlich“ unter der Marke von 15 Kilogramm am Tag gelegen.

Allerdings hatte es laute Proteste aus den Niederlanden gegeben, nachdem durch hartnäckige Nachfragen des BUND klar geworden war, dass Currenta fast das gesamte Löschwasser in den Rhein abgegeben hatte: Die Stadt Rotterdam bezieht ihr gesamtes Trinkwasser aus dem Rhein – da wäre man doch gern von den deutschen Nachbarn in Kenntnis gesetzt worden.

Die Bezirksregierung gab ihr Okay

Die Dortmunder Staatsanwälte, die auch das nach wie vor nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen der Bürriger Katastrophe an sich führen, sehen Currenta außerdem dadurch entlastet, dass die Kölner Bezirksregierung die „Noteinleitung“ geduldet habe. Das sei rechtens, zumal nach der Explosion und dem Feuerwehreinsatz „eine akute Gefahr für die kommunale Abwasserentsorgung bestand“: Das Gemeinschaftsklärwerk mit dem Wupperverband hätte biologisch umkippen können. Das habe Currenta nur durch das Ablassen von Löschwasser in den Rhein verhindern können.

Das ist eine schwer erträgliche Verharmlosung und eine klare Fehlentscheidung.
Paul Kröfges, BUND

In der Dortmunder Behörde hat man keinen Zweifel, dass die Kölner Aufsicht alles richtig gemacht hat. Insofern liege auch bei Currenta keine Strafbarkeit vor. Auch die bis Heiligabend 2021 unbemerkt gebliebene Leckage sei keine strafbare Handlung, so die Staatsanwaltschaft. Sie sei „für die Mitarbeiter und Verantwortlichen der Currenta GmbH & Co. OHG nicht ohne Weiteres zu bemerken“ gewesen. Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz sei „jedenfalls nicht ersichtlich“.

Paul Kröfges

Paul Kröfges ist nicht zufrieden mit der Staatsanwaltschaft.

Für Paul Kröfges vom BUND-Landesverband ist die Einstellung des Verfahrens „eine schwer erträgliche Verharmlosung und eine klare Fehlentscheidung“. Die Umwelt-Staatsanwaltschaft ignoriere, dass die Löschwasser-Rückhaltung in Bürrig „nicht funktionierte und größere Schäden im Gewässer nur über die Streckung der Einleitung unter Anwendung des Verdünnungsprinzips im Rhein vermieden werden konnten“. Nach den Erfahrungen aus anderen Bränden hätte der Chempark-Betreiber mehr Tankvolumen vorhalten müssen, um große Mengen belasteten Löschwassers auffangen zu können. Das gebe es aber nicht, und „dies halten wir nach wie vor für einen verhängnisvollen strukturellen Fehler“. Der müsse behoben werden, darauf habe die Aufsicht bei der Kölner Bezirksregierung zu drängen.

„Die Zeiten, in denen hochgiftige und schwer abbaubare Substanzen nach dem Verdünnungsprinzip im Rhein entsorgt werden, sollten endlich vorbei sein“, so Kröfges. Mit ihrer Entscheidung, das Verfahren gegen Currenta einzustellen, habe die Staatsanwaltschaft „diese althergebrachte Methode der Chemieindustrie am Rhein, die uns zahlreiche Altlasten beschert hat, noch gerechtfertigt“.