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Spedition NiesenDie ersten elektrischen Laster fahren durch Leverkusen

Lesezeit 4 Minuten
Die elektrischen Mercedes von Niesen sind an der Aufschrift von außen erkennbar. Und weil sie leise sind.

Die elektrischen Mercedes von Niesen sind an der Aufschrift von außen erkennbar. Und weil sie leise sind.

An Elektroautos und -Linienbusse hat man sich längst gewöhnt, jetzt fahren die ersten elektrisch betriebenen Lkw durch Leverkusen.

Chef Klaus Niesen hat selbst einen Führerschein Klasse II und fährt zur Demonstration eine Runde elektrisch auf dem Hof. Die alte Vorstellung von Lkw-Fahrern, die mit Fett und Öl hantieren und dicke Muskeln zum Lenken und Kuppeln brauchen, hat zwar schon länger ausgedient, jetzt ändert sich der Beruf offenbar nochmal.

„Man sitzt hier wie in einer Sänfte“, sagt Niesen und beschleunigt. Der Elektro-Lkw, den Niesen vorführt, hat ebenso wie Elektroautos von unten heraus ein hohes Drehmoment. Die Motoren ziehen den leeren, neun Tonnen schweren Wagen schnell an. Niesens Spedition besitzt zwei Mercedes aus der Elektro-Serie „Actros 300“. Seine Firma in der Fixheide ist die erste, die in Leverkusen große, elektrisch betriebene Lkw einsetzt.

Schon beim Einsatz von Solarzellen auf dem Hallendach war die Firma früh dabei: 2010 machten Niesens diese Investition. Jetzt war es wohl folgerichtig, dass das 132 Jahre alte Familienunternehmen auch früh mit Elektro-Lkw beschäftigt.

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Leverkusen: Spediteure glauben an E-Mobilität

Klaus Niesen und sein Mit-Geschäftsführer Markus Kalcker sagen, dass sie an die Zukunft der Elektromobilität im Speditionsgewerbe glauben, als sie einen ihrer zwei gelben Strom-Laster vorstellen. „Wir hatten Glück, dass ein zweiter quasi frei wurde, weil ein anderes Unternehmen vom Kauf zurückgetreten ist“, sagt Niesen.

Das liegt wohl nicht daran, dass Daimler nicht genug produzieren kann, sondern daran, dass man als Firma eigentlich nur damit rechnen kann, dass jeder nur einen vom Verkehrsminister subventioniert bekommt. Das Bundesministerium schießt nämlich die Hälfte des gesalzenen Kaufpreises von etwa 400.000 Euro zu und erlässt dem Elektro-Lkw die Maut (normalerweise 0,36 Cent/Kilometer) für zwei Jahre komplett.

Selbst dann sei der Elektrische auch für Niesen noch um einiges teurer, als ein herkömmlicher, gleichwertiger Wagen mit Dieselmotor, erläutert der Chef. Nach den zwei Jahren rechnet Niesen zwar mit reduzierter Maut, die aber nicht mehr bei null sein wird. Der Markt werde ohne Subventionen schwieriger werden, so Niesen, der Preis für die Lastwagen werde sich ändern, wenn die Hersteller große Stückzahlen bauen. 2023 seien in Deutschland nur 600 Strom-Lastwagen zugelassen worden.

Der Subventions-Aufkleber.

Der Subventions-Aufkleber

„Wir subventionieren die Wagen auch noch einmal als Firma“, sagt Niesen. Die Nachfrage nach Elektro-Fahrten sei allerdings gut. Der Wagen fährt meist Autobahn in Richtung Aachen. Kunden können sich die CO₂-Ersparnis auf ihre Klimabilanz anrechnen lassen.

Die Reichweite betrage etwa 300 Kilometer, dann muss der Wagen spätestens ans Ladekabel. Die Kapazität der drei eingebauten Batterien beträgt 336 Kilowattstunden (kWh), bei Pkw liegen die Werte zwischen 40 und 100 kWh. Elektro-Lkw seien noch nicht für den Fernverkehr geeignet, sagt Niesen. „Wir können nicht bei einer Tour nach Sizilien alle 300 Kilometer ein paar Stunden zum Aufladen anhalten.“ Das Laden dauert nur ein paar Stunden.

Firma Niesen hat zwei elektrische LKW im Fuhrpark.

Firma Niesen hat zwei elektrische LKW im Fuhrpark.

Von der Fahrleistung ist der Elektrische mit Dieselgetrieben vergleichbar. Zwei Elektromotoren, die links und rechts auf der Hinterachse an den Rädern sitzen, leisten 450 PS. Unter der Fahrerkabine ist nur noch die Steuerelektrik zu finden, kein Antriebsaggregat mehr. Ansonsten ist auch alles auf dem neusten Stand: Die Außenspiegel sind durch Kameras ersetzt, es gibt keinen Toten Winkel mehr, in dem Radfahrer oft zu Tode kamen. Wenn doch mal einer ungünstig fährt, bremst der Lastwagen selbstständig. Das Armaturenbrett ist im Wesentlichen ein Bildschirm. Allerdings kann man nicht jeden Schrauber an den Lastwagen lassen. Bei manchen Problemen komme extra ein Mitarbeiter aus dem Werk in Wörth am Rhein nach Leverkusen.

Unter der Fahrerkabine ist kein Motor, nur noch Steuerelektrik. Hinten: Klaus Niesen und Markus Kalcker.

Unter der Fahrerkabine ist kein Motor, nur noch Steuerelektrik. Hinten: Klaus Niesen und Markus Kalcker.

Blick unter die Ladefläche: Die Motoren sind direkt an die Räder gebaut.

Blick unter die Ladefläche: Die Motoren sind direkt an die Räder gebaut.

Seinen öffentlichsten Auftritt hatte der gelbe Lkw, den man an der Aufschrift „100% Electric“ erkennt, auf der CSD-Parade in Schlebusch, an der Niesen-Mitarbeiter teilnahmen.

In Niesens Firma glaubt man an die elektrische Zukunft. Als man den Speditionshof neu habe asphaltieren müssen, seien Leerrohre verlegt worden, durch die man später Kabel ziehen kann, damit man an den Parktaschen Ladestationen aufstellen kann. Dann soll es auch einen Stromspeicher geben, damit der tagsüber erzeugte Solarstrom nachts zur Verfügung steht. Zurzeit gibt es nur eine Lastwagen-Ladesäule für zwei Autos. Das mitternächtliche Umstöpseln übernimmt derzeit noch der Nachtwächter.