Ab Montag, 1. Januar, gibt es die „Kulturstadt Lev“ nicht mehr.
JahresrückblickDie Kultur in Leverkusen steht am Beginn einer neuen Zeit
Er war ein Tag der Zäsur für Leverkusen, dieser 7. März 2023. An diesem Dienstag nämlich saßen die Mitglieder des Kulturausschusses zusammen und beauftragten die Stadtverwaltung mehrheitlich damit, die Kultur in Leverkusen neu zu ordnen. Genauer: Der städtische Eigenbetrieb „Kulturstadt Lev“ (KSL), in den das städtische Ressort der Kultur 20 Jahre zuvor mitsamt Programm, Personal und Immobilien ausgelagert worden war, solle zum 31. Dezember 2023 aufgelöst werden und ab dem 1. Januar 2024 Geschichte sein.
Es gab zum Teil heftige Diskussionen. Vor allem die Grünen kritisierten das Vorhaben und stimmten dagegen – nicht zuletzt, weil sie sich bei der Antragsformulierung außen vor gelassen fühlten. Mitarbeitende der KSL bangten um ihre Arbeitsplätze. Die von der KSL stets geförderte und finanzierte freie Szene befürchtete Schlimmes. Vielen Menschen ging das Vorhaben viel zu schnell. Und doch: Am 20. März stimmte der Rat dieser Forderung seitens der CDU, der SPD, der FDP sowie der Einzelvertreterin Gisela Kronenberg zu – und besiegelte damit das Aus für die KSL.
Leverkusen: Kultur wird Chefsache
Die Kultur wird „Chefsache“ Ab Januar also wird die städtische Kultur in Leverkusen anders aussehen. Sie wird programmatisch gesehen zur Chefsache und fällt dem Dezernat des Oberbürgermeisters Uwe Richrath zu, der genau das auch schon im Jahr 2018, kurz nach Veröffentlichung des verheerenden Urteils über die Kultur seitens externer Wirtschaftsprüfender angekündigt hatte. Genauer: Der OB erhält die Zuständigkeit für Kunst, Kultur, das Museum Morsbroich und ein erst noch zu gründendes Institut für Stadtkultur und Stadtgeschichte.
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Ein neuer Fachbereich Weiterbildung und außerschulische Bildung, in dem dann Volkshochschule, Stadtbibliothek, Musikschule, Jugendkunstgruppen und eine Verwaltungseinheit dafür zusammengefasst werden, verbleibt im Schul- und Kulturdezernat von Stadtdirektor Mark Adomat. Die entsprechenden Immobilien, allen voran das Forum in Wiesdorf, das Schloss Morsbroich und die Musikschule, sind fortan Bestandteil der städtischen Gebäudewirtschaft. Und häufig viel – und fällt nach wie vor – das Wort „Intendanz“.
Wohin dieser Weg führt, wird sich letztlich noch zeigen. Auch ein neuer Kulturentwicklungsplan soll dabei helfen: Ein solcher war schon 2008 erstellt und verabschiedet, aber nie ernsthaft umgesetzt, sondern in irgendeine Schublade gelegt worden, aus der seither nicht mehr hervorgeholt wurde. Bei ihrer letzten Sitzung als „Ausschuss KSL“ im November legten die Kommunalpolitikerinnen und – politiker um die alte und demnächst auch neue Ausschussvorsitzende Roswitha Arnold (Grüne) nun fest: Es soll ein neues Papier geschrieben werden, in dem Parameter für die Gestaltung und den Betrieb der Kultur in Leverkusen gesammelt sind.
Plan ließ Kultur in Leverkusen vor die Wand knallen
Der Rat folgte diesem Wunsch am 11. Dezember in seiner Jahresabschlusssitzung im Rathaus. Die Geschichte der KSL, die 2003 begonnen hatte und nun endet, war spätestens seit 2011 eine sehr bewegte. Damals nämlich beschloss der Rat der Stadt die Gütergleisverlegung in Opladen. Sie war und ist zentraler Bestandteil der neu gebauten Neuen Bahnstadt Opladen (NBO) und somit des wohl wichtigsten Bauprojektes für Leverkusen im neuen Jahrtausend.
Um die Verlegung nämlich finanzieren zu können, wurden der städtischen Kultur – also der KSL – über mehrere Jahre regelmäßig eine Million Euro abgezwackt. Das somit fehlende Geld sollte durch Sponsoren und andere externe Geldgeber aufgefangen werden. Indes: Dieser Plan, den der beim damaligen Beschluss noch amtierende OB Reinhard Buchhorn (CDU) sicherlich auch im Wissen um die Bahnstadt als persönliches Prestigeobjekt konsequent vorangetrieben hatte, ging nicht nur nicht auf. Er ließ die Kultur letztlich hoch defizitär und salopp gesagt vor die symbolische Wand knallen.
Der Plan und das Ziel der Neuordnung der städtischen Kultur sind letztlich der Versuch, selbige zeitgemäß zu gestalten und zukunftsfähig zu machen. Zukunftsfähig inmitten euer Gemengelage, die nicht leicht ist, denn: In der schwierigen finanziellen Situation holen benachbarte Kommunen wie etwa Monheim am Rhein durch die mittlerweile regelmäßige Verpflichtung national wie international relevanter Künstlerinnen und Künstler aller Sparten und Genres – Musik, Literatur, Theater, bildende Kunst – auf, respektive: Sie sind Leverkusen bereits enteilt.
Getragen wird die Kultur in der Stadt derzeit unter anderem vom „Start-Festival“ der Bayer-Kultur, die sich damit vom Gedanken der ganzjährigen Spielzeit verabschiedet und für ein Programm der zeitlich geballten Qualität entschieden hat. Von privaten Veranstaltern wie Fabian Stiens, der im Opladener Scala-Club Konzerte und Comedy-Shows bietet – und seit nunmehr acht Jahren die international nach wie vor wahrgenommenen Leverkusener Jazztage veranstaltet. Oder von den vielen Akteurinnen und Akteuren der freien Szene, die seit Jahren wichtige Akzente setzen.
Das Leverkusener Kulturjahr in Monaten
Januar
Nachdem die famose Bar Avni und ihre Bayer Philharmoniker mit dem Neujahskonzert im Erholungshaus gleich einen Pflock in die Kulturlandschaft gerammt hatten, ist es Autorin Anna Hanrahan, die Leverkusen beschenkt: mit einer Biografie des 2014 verstorbenen Künstlers Kurt Arentz, über die sich nicht nur dessen Witwe Therese freut.
Februar
Das Konzept der öffentlichen Teilhabe, das Direktor Jörg van den Berg dem Museum gibt, zieht Kreise: Nach Beiträgen in „Süddeutsche“, FAZ und Co. zeichnet der WDR eine Talkrunde zum Thema vor Ort auf, zu der sich auch die Direktorinnen des Frankfurter Kunstvereins und des Museums Abteiberg in Mönchengladbach einfinden.
März
Über 500 Kinder und Jugendliche – die gesammelten „Jekiss“-Chöre der Stadt –geben zwei Konzerte im Forum und werden dabei von Nicole Jers, die auch schon für den Leverkusener Kinder- und Jugendchor mit Leib, Seele und Herzblut zuständig ist, angeleitet. DieAuftritte an zwei Tagen hintereinander sind eine Premiere.
April
Nach der Pandemie findet die Buchwoche „Lev liest“ wieder statt – unter anderem mit Schauspielerin und Autorin Andrea Sawaztki. Auch das Ensemble des Theaters „Studiobühne“ spielt nach drei Jahren Unterbrechung wieder. Und: Der Leverkusener Pit Hupperten gibt in Köln seine ersten Konzerte als nun endgültiger Frontmann der Fööss.
Mai
Es hat lange gedauert, nun ist es soweit: Die Bayer AG bekennt sich erstmals auch für die breite Öffentlichkeit sichtbar zur Beschäftigung von Zwansgarbeitenden im Zweiten Weltkrieg: Vor der Konzernzentrale installiert sie einen vom finnischen Künstler Jussi Ängeslevä konzipierten Ort der Erinnerung an das Leben und das Leid der Ausgebeuteten.
Juni
Schön: Im Wuppermannpark begeistern Cat Ballou und vor allem Brings Tausende Menschen beim Schlebuscher Volksfest. Traurig: Mit Horst A. Scholz stirbt am 12. Juni der langjährige Dramaturg der „Kulturstadt Lev“ und Initiator des beliebten „Klassik-Sonntag“ nach schwerer Krankheit. Horst A. Scholz wurde nur 59 Jahre alt.
Juli
Eine Woche lang feiert das Ensemble des Jungen Theaters den 25. Geburtstag jenes Hauses, das schon zig bekannte Schauspielende hervorbrachte. Die Hitdorfer Musikerin Anika Auweiler spielt beim Kölner Christopher Street Day auf der großen Bühne. Tausende kommen zum „Holi“-Festival der Electro-Musik in den Neulandpark.
August
Totgesagte leben länger: Über Jahre war der Fortbestand des „Street Life“-Festivals in Wiesdorf nicht sicher, 2023 aber bringen viele umtriebige Menschen vor allem aus den Reihen des Vereins „Jazz Lev“ das mehrtägige Festival wieder zurück auf die Untere Hauptstraße vor die Kultkneipe „topos“ und feiern mit vielen anderen zur Livemusik.
September
Die ukrainische Autorin Tanja Maljartschuk, bekannt geworden durch ihre vom Krieg in der Heimat geprägte„Klagenfurter Rede“, liest in der Stadt. Im Scala-Kino läuft „Vegiss Meyn nicht“ – der Film von und über den bei Umweltprotesten im Hambacher Forst ums Leben gekommenen Leverkusener Steffen Meyn.
Oktober
Zum ersten Mal nach der Corona-Pause kann auch die Leverkusener Kunstnacht wieder stattfinden. Es ist die 19. Ausgabe dieser Nacht der offenen Ateliers und Galerien – und beschert den Menschen unter anderem die erste Ausstellung seit Jahren des Schlebuscher Künstlers Eberhard Foest, der im Sensenhammer seine Bilder zeigt.
November
Der November ist traditionell der Monat der Musik in der Stadt: Zum 44. Mal gehen die Levekusener Jazztage über die Bühne und bieten an gleich drei Orten – Forum, Erholungshaus und Scala – zweieinhalb Wochen lang zahlreiche Konzerte ebenso zahlreicher Genres und Spielarten des Jazz. Mit dabei ist auch Trilok Gurtu.
Dezember
Sie wird zwar schon Ende November eröffnet. Aber sie ist somit die letzte Ausstellung des Museums in diesem sowie die erste im kommenden Jahr – und eine der interessantesten seit Jahren: „sein & haben“. Menschen aus der Stadt kuratieren je einen Raum im Haus und zeigen, wie persönlich und „normal“ Kunst sein kann.