Leverkusen – Die Erleichterung bei den Einzelhändlern ist groß, am Montag durften viele von ihnen zum ersten Mal seit der Corona-bedingten Schließung ihre Türen wieder öffnen. Wir haben uns in den drei Leverkusener Zentren umgeschaut.
Wiesdorf
Das Restaurant bleibt zu und auch der Kinderspielbereich. Am Eingang des Möbelhauses Ostermann in Wiesdorf leitet ein atemmaskierter Mann die Kunden zum richtigen Eingang. Drinnen bekommt man einen Chip in die Hand gedrückt, wie man ihn von der Theatergarderobe kennt und zwei Fragen gestellt: Ob man grippeähnliche Symptome verspürt oder in den vergangenen zwei Wochen Kontakt mit einem Corona-Erkrankten hatte. „In solchen Fällen raten wir vom Besuch ab“, sagte Karlheinz Reheußer. Bis zum Nachmittag sei dieser Fall aber nicht eingetreten, „und die Kunden sind sehr verständnisvoll“, so der Leiter der Filiale.
Mit dem Chip-System werde gewährleistet, dass sich nie mehr als 550 Kunden in dem Möbelhaus aufhalten. Das ist die Maximal-Zahl, die sich aus der Verkaufsfläche ergibt. Der Andrang habe sich am ersten Tag noch in Grenzen gehalten. Das überrasche nicht – die Ostermann-Belegschaft ist zunächst auch nur zur Hälfte angetreten. An den Öffnungszeiten habe man wohlweislich aber nichts geändert: „Wir wollen unsere Kunden ja nicht verwirren“, so Reheußer.
In der Rathaus-Galerie macht – wie in der gesamten City – nicht nur die hoch umstrittene 800-Quadratmeter-Flächenregel den Unterschied. Natürlich: Die Filialen von C & A, H & M sowie Saturn sind geschlossen – auch das Schuhhaus Kämpgen hat seinen Räumungsverkauf wegen Auszugs aus der Rathaus-Galerie nicht wieder aufgenommen. Aber auch längst nicht jedes Anhängsel einer Kette nutzt die Lockerung nach dem Lock-down. Unbegrenztes Einkaufsglück sieht anders aus, zumal es einen Wildwuchs bei den Öffnungszeiten gibt. Das Phänomen macht auch vor der Galerie nicht halt.
Zentraler Eingang an der Galerie
Wie viele Kunden gleichzeitig im Laden sein dürfen, hängt von der Fläche ab und ist am Eingang vermerkt. Und wer kann, trennt Ein- und Ausgang voneinander. In der Rathaus-Galerie versucht man, die Kundenströme durch die Blockade von drei Pforten zu kanalisieren: Nur der zentrale Eingang ist geöffnet. Wer rein oder raus will, bekommt die Richtung vorgegeben.Insgesamt aber zeigt sich die City wesentlich belebter als noch am Samstag. Mit der geradezu transzendentalen Ruhe ist es jetzt wieder vorbei auf dem und um den Wiesdorfer Platz.
SchlebuschAm Eingang zum Schreibwarengeschäft „Papelito“ im Schlebuscher Zentrum stehen fünf Einkaufskörbe und eine Flasche Desinfektionsmittel. „Bitte nehmen sie sich einen Korb und desinfizieren sie sich die Hände“, steht auf einem Zettel. „Wenn kein Korb mehr da ist, warten Sie bitte einen Moment.“ Das System zur Zugangskontrolle hat sich Inhaberin Isabel Hamm selbst ausgedacht, klare Handlungsanweisungen von offizieller Stelle in Bezug auf die Wiedereröffnung der kleinen Läden gibt es keine. „Ich bin sehr glücklich, dass ich wieder aufmachen darf, die Zeit war schon hart“, sagt Hamm.
Gefühlt habe sie sogar mehr gearbeitet als vorher, auch wenn ihr angebotener Lieferservice eher schleppend lief. Einen Stift für 1,50 Euro zu liefern würde sich schließlich nicht lohnen. „Ich habe stattdessen den ganzen Landen auseinander genommen, geputzt und umgebaut“, erzählt die Inhaberin. Mut gemacht haben ihr in dieser schweren Zeit die Kunden. „Viele haben an die Scheibe geklopft, wenn sie mich gesehen haben und gesagt, sie kaufen nichts im Internet, sondern warten, bis ich wieder aufhabe“, sagt Hamm „Ich denke, das macht so ein Dorf wie Schlebusch auch aus.“ Das spürt sie auch am Montag kurz nach der Öffnung. „Alle Kunden sind sehr positiv und freuen sich.“
Das ist ein Gefühl, das die gesamte Fußgängerzone beherrscht. Um 10 Uhr hat sich vor dem Stoffladen „Nähszene“ schon eine Schlange von sechs Menschen gebildet, die geduldig und in großem Abstand warten. „Zeit hat man ja im Moment genug“, sagt eine Frau. Magret Paas kommt zu dem Zeitpunkt schon mit einer gut gefüllten Tüte aus dem Bekleidungsgeschäft „Quo Vadis“. Bunte Shirts befinden sich darin. „Fröhliche Frühjahrsmode, alles 30 Prozent reduziert“, sagt Paas fröhlich hinter ihrem Mundschutz. „Man hat sich ja lange im Verzicht geübt, jetzt hat man auch wieder Lust, etwa einzukaufen.“
Mundschutz und Optimismus
Die Schlebuscherin kauft gerne lokal ein. „Ich möchte die Händler hier auch unterstützen. Schön wäre, wenn die Cafés auch wieder aufmachen würden.“ Zur Vorsicht trägt sie in der Öffentlichkeit Mundschutz, aber Angst hat sie nicht, solange alle so vernünftig miteinander umgehen, wie es an diesem ersten Morgen mit ein bisschen Normalität in Schlebusch den Anschein hat.Rita und Matthäus Dettlinger sind wegen eines Arzttermins in Schlebusch unterwegs, auch die beiden Senioren tragen Mundschutz. Im Schaufenster des Bekleidungsgeschäfts „Peppys“ entdecken sie selbstgenähte Masken. „Sogar für Herren, die sind ja schick“, sagt Matthäus Dettlinger.
Peppys-Inhaber Andreas Caspari fegt in Atemschutzmaske den Weg vor dem Laden. „Wir haben auch Einwegmasken für unsere Kunden bestellt, die sind allerdings noch nicht da“, sagt Caspari. Auch wenn er ein bisschen über den Onlinehandel verkaufen konnte, habe er in der Schließzeit rund 80 Prozent Einkommensrückgang gehabt. Rita Dettlinger spricht aus, was wohl die meisten denken: „Es ist schön, dass ein bisschen Normalität wiederkommt.“ Auch sie freut sich darauf, wieder in lokalen Geschäften einkaufen zu können: „Aber nicht direkt am ersten Tag.“ Das Ehepaar geht raus, aber nur, um nötige Erledigungen zu machen. „Nicht nur für Plaisir“, sagt Matthäus Dettlinger. „Das fehlt schon.“ Und beiden fehlt der Enkel, den sie seit vier Wochen nur am Fenster gesehen haben. Und der 70. Geburtstag von Rita Dettlinger in dieser Woche wird auch anders ausfallen als geplant. „Aber für die Psyche ist es gut, dass es jetzt wieder aufwärts geht“, sagt sie fröhlich.
OpladenOpladen wacht langsam wieder auf. Am Montag, dem ersten Tag, an dem die kleinen Läden in der Innenstadt wieder öffnen dürfen, ist die Kölner Straße bereits mittags wieder voll wie zu Vor-Corona-Zeiten. Und doch zeigen sich kleine Unterschiede: Die Menschen sind fast immer nur einzeln oder zu zweit unterwegs, die Ausnahme bilden Eltern mit ihren Kindern. Man sieht viele Mundschutze, auch Handschuhe werden getragen, die meisten bemühen sich zudem um den immer noch gebotenen Abstand. An der tatsächlichen Durchführung hapert es häufig.
Viele bleiben dennoch geschlossen
Die Opladener Geschäfte haben auch noch längst nicht alle geöffnet: Nagelstudios und Friseure bleiben weiterhin geschlossen, aber auch manch anderer Ladenbesitzer hat ein handbeschriebenes Blatt im Schaufenster. „Viele, gerade ältere, Betreiber haben Angst, zu öffnen“, erzählt Ahmad Mohammad, Besitzer eines Bekleidungsgeschäfts an der Kölner Straße. „Auch ich habe überlegt, ob ich aufmache. Meine Kinder haben gefragt: »Willst du das wirklich?«“ Nachdem sein Laden nun einen Monat geschlossen bleiben musste, sei sein Einkommen jedoch weggebrochen. „So lange habe ich noch nie Urlaub gehabt“, lacht Mohammad, „ich bin froh, jetzt auch wieder zu Hause rauszukommen.“ Nun lässt er immer nur einen Kunden in das 32 Quadratmeter kleine Geschäft. Er beobachtet, dass die Leute immer noch gehemmt sind, und hofft, dass bald wieder alles normal läuft.
Frau als Aufpasserin
Auch Hermann-Josef Pesch freut sich, nach langer – von seiner Frau auferlegter – Ausgangssperre wieder rauszukommen. Der Opladener, der wegen einer Vorerkrankung zur Risikogruppe gehört, habe seine „Aufpasserin“ überredet, nun endlich wieder eine Stippvisite bei seiner Stamm-Buchhandlung Noworzyn zu unternehmen. „Das ist jetzt der erste Kontakt zu Menschen außerhalb. Drinnen fühlt man sich schon eingesperrt“, sagt Pesch nachdenklich. Im Kirschblütenregen auf der Birkenbergstraße lächelt er frei. „Meine Frau passt aber auch gut auf mich auf.“ Das Ehepaar Noworzyn selbst wollte zunächst nur vorbereiten und den Anrufbeantworter abhören – prompt stehen die Kunden bei ihnen Schlange und warten darauf, einzeln den Laden betreten zu dürfen. „Damit hatten wir gar nicht gerechnet“, wundert sich Heike Noworzyn hinter dem Mundschutz und bedient den nächsten Kunden.
Montag ist kein Ruhetag mehr
Auch in die geöffnete Tür des „Rosenzubers“ nebenan wehen die rosafarbenen Blütenblätter. Birgit Bätz hat normalerweise montags nicht geöffnet, der Tag wird der Seifenproduktion gewidmet. Heute kann jedoch reinkommen, wer möchte. Der spärliche Besuch ist für den Laden mit Handgemachtem nicht ungewöhnlich: „Wenn hier drei Leute drin wären, hätte ich schon volles Haus“, erzählt Bätz. Den Hauptumsatz mache sie mit Workshops, die sie momentan jedoch alle absagen musste. Sie sei dankbar, dass ihr die Vermieterin mit den Mietkosten entgegengekommen sei. Von der staatlichen Hilfe dürfe sie zwar Miete und Strom zahlen, nicht jedoch die Krankenversicherung, ein eigenes Gehalt oder Warenbestellungen. Seife produziert die zugezogene Opladenerin nun deutlich mehr, um der Nachfrage gerecht zu werden.
Leises Aufatmen
Im Blumenladen, der schon am Gründonnerstag wieder öffnen durfte, durchlaufen zwei Meter-Markierungen das ganze Geschäft, Einbahnstraßenschilder markieren einen festen Rundparcours. Die meisten Ladenbesitzer haben bei kleinerer Besetzung gut zu tun. Ein verhaltenes Aufatmen geht durch die Stadt. (mit Rosanna Großmann)