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BundestagswahlLeverkusener Grüne Nyke Slawik ist mit dem Bundestag noch nicht fertig

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Nyke Slawik an der Wiembachallee in Opladen.

Nyke Slawik an der Wiembachallee in Opladen

Die erste Legislaturperiode für die Opladenerin war schwierig, inhaltlich wie persönlich.

Nach 16 Jahren CDU-Regierung den alten Muff loswerden und einmal richtig durchlüften – das hatte Nyke Slawik im Interview als Ziel ausgegeben, als sie vor dreieinhalb Jahren zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen war. Der Tatendrang hat schnell mehrere Einschläge verkraften müssen. „Es war eine höchst herausfordernde Legislaturperiode“, resümiert die 31-jährige Opladenerin. Als neues Bundestagsmitglied in Berlin anzukommen und nur unter Coronaauflagen tagen zu können, war nicht einfach. Und dann der Angriffskrieg auf die Ukraine nach wenigen Monaten. Debatten über Waffenlieferung und die Sicherheit Deutschlands. Fragen von Leben und Tod.

Die Klimaziele 2030 rücken für Deutschland das erste Mal in Reichweite.
Nyka Slawik, Leverkusener Bundestagsabgeordnete

Fragen, die die Grünen-Politikerin auch persönlich so sehr belastet haben, dass sie im Herbst 2022 mehrere Wochen lang arbeitsunfähig war. Jetzt habe sie gelernt, sich auf das Positive zu besinnen. Das, was sie und ihre Partei erreicht haben: „Die Klimaziele 2030 rücken für Deutschland das erste Mal in Reichweite“, sagt Slawik stolz. Der Ausbau der erneuerbaren Energien, der vorzeitige Kohleausstieg in Westdeutschland, das Heizungsgesetz – alles wichtige Bausteine, ohne die die das nicht möglich gewesen wäre, so die Grüne.

Slawik zeigt auf zwei Häuser entlang der Opladener Wiembachallee, beide haben Solarzellen auf dem Dach: „Wir haben Photovoltaik ausgebaut und entbürokratisiert.“ Dass in Leverkusen die finanzielle Förderung wegen der Haushaltskrise gerade wieder gestrichen wurde, zeige, wie wichtig es sei, bei Fragen von Zukunftsinvestitionen die Schuldenregeln zu lockern.

Natürlich hätte sie im Bereich Klimaschutz gerne noch mehr erreicht. „Das beste Beispiel ist das Tempolimit, das uns ja eigentlich nichts kostet und auch in Zeiten knapper Kassen eine gute Möglichkeit gewesen wäre“, sagt die 31-Jährige. Aber das war mit der FDP nicht zu machen.

Es gab damals auch große Übereinstimmung mit der FDP.
Nyke Slawik zur Gründung der Ampel

Überhaupt erwähnt sie im Gespräch häufig, wie schwierig es mit der FDP gewesen sei. Das Wagnis „Ampel“ war für sie dennoch die richtige Entscheidung. „Wir hätten sonst keine Mehrheiten gehabt für die wichtigen Reformen. Und es gab damals auch große Übereinstimmungen mit der FDP.“ Die geopolitische Lage kam dazwischen. „Wir mussten sehr viel Geld in die Verteidigung stecken. Die Bundeswehr war definitiv in keinem guten Zustand, als wir sie übernommen haben.“ Dazu die schwächelnde Konjunktur und die Preissteigerung durch das fehlende russische Gas. „Und dann hatte die FDP einen vollkommen anderen Ansatz der Haushaltsführung. Wir als Grüne waren nicht bereit, Soziales oder Klimaziele auszuspielen gegen Themen von nationaler Sicherheit“, sagt Slawik.

Klar habe sie viel darüber nachgedacht, ob sie noch einmal kandidieren wolle. Tessa Ganserer, die mit Slawik zusammen als die ersten transidente Frauen in den Bundestag eingezogen war, will nicht mehr kandidieren, um sich den persönlichen Anfeindungen nicht mehr aussetzen. Das kann Slawik verstehen, auch sie erfährt Hass aufgrund ihrer Biografie.

Aber auch hier ist ihr Credo, sich auf das Positive zu besinnen. „Ich habe viele Zuschriften von Menschen bekommen, die sich für das Selbstbestimmungsgesetz bedanken und ihre Geschichte erzählen. Für die es wahnsinnig wichtig ist, zu wissen: Da ist eine trans Person im Bundestag.“ Auf das Gesetz ist sie ebenso stolz, wie auf die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft und auf das Deutschlandticket, das sie maßgeblich mitgestaltet habe. „Das hat mir gezeigt, dass man als Abgeordnete viel Einfluss hat.“ Viel alter Muff ist weg. Dazu kommt die Sorge vor dem Rechtsruck, gegen den die Grünen sich als Gegengewicht sehen. „Das alles hat mir klargemacht: Ich will weiter für meine Themen und Ziele kämpfen. Ich habe das Gefühl, noch nicht fertig zu sein.“


Warum treffen wir uns an der Wiembachallee in Opladen?Ich bin hier zur Grundschule gegangen, das ist mein alter Schulweg. Und gleichzeitig ist es ein symbolträchtiger Ort, an dem wir bei der Flutkatastrophe 2021 festgestellt haben, dass die Klimakrise Realität geworden ist und uns auch hier in unserer Stadt trifft.

Was gefällt Ihnen besonders gut an Leverkusen?Wir sind eine Stadt, die Weltklasse ist, in ganz vielen Bereichen. Deutscher Meister im Fußball, ein weltführender Standort in der Chemieindustrie. Hier finden wichtige Innovationen statt. Und wir sind eine wahnsinnig herzliche Stadt.

Was nervt Sie an Leverkusen?Dass wir uns als Leverkusener bei dem leidigen Thema Autobahn in Berlin immer noch nicht haben durchsetzen können. Wir sind ein Beispiel für eine jahrzehntealte Verkehrsplanung, da werden wir uns weiter lautstark einsetzen müssen, um ein Umdenken hinzubekommen.

Was kann weg?Die Erweiterungspläne für die A1 und die A3. Wenn ich alleine entscheiden könnte, würden die wegkommen.

Was muss sich in den nächsten vier Jahren ändern?Die Haushaltskrise haben wir nicht nur kommunal in Leverkusen, auch das Land NRW ist knapp bei Kasse. Wir merken: Die Infrastruktur ist in die Jahre gekommen, wir müssen Schulen und Kitas fit machen, die Bahn und den ÖPNV reformieren. Das wünsche ich mir auch für Leverkusen, so würde auch der Wirtschaftsstandort wieder attraktiver werden. Dafür müssen wir die Schuldenbremse reformieren.

Was ist Ihr Herzensthema?Als aktuell stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses will ich mich weiter für eine gute Verkehrspolitik starkmachen, die Klimaschutz und Soziales mitdenkt. Das zweite Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ist sozialer Zusammenhalt und Vielfalt. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir den ersten CSD in Leverkusen hatten.