Queersein ist in unserer Gesellschaft nicht selbstverständlich, was auch ablehnende Publikumsreaktionen im Museum Morsbroich zeigen.
„Proberaum“„Pride am Rhein“ will mit Ausstellung in Leverkusen sichtbarer werden
„Wir hatten überhaupt keine Ahnung, was uns hier erwartet“, erinnert sich Sonja Dawson, Vorstandsmitglied vom sich für LGBTQ*-Rechte einsetzenden Leverkusener Verein „Pride am Rhein“, bevor sie den „Proberaum“ im Museum Morsbroich betritt. Regelmäßig bekommen hier Gruppen oder Einzelpersonen, auf Einladung der Kunstvermittlung des Hauses, für eine gewisse Zeit die Möglichkeit, nach den eigenen Interessen, Bedürfnissen oder relevant erachteten Themen ein Ausstellungskonzept zu konzipieren und dafür Werke aus der Sammlung auszuwählen.
Noch bis zum Sonntag, 9. Februar, können Besucherinnen und Besucher des Museums im „Proberaum“ die von „Pride am Rhein“ erarbeitete und seit Oktober letzten Jahres laufende Ausstellung „Unsichtbar“ besichtigen, deren zurückliegender Planungsprozess anfangs noch etwas stockte: „Ich bin ehrlich, ich habe keine Ahnung von Kunst“, gesteht Dawson. Als ihnen Lucia Riemenschnitter von der Kunstvermittlung des Museums letztes Jahr die Ordner mit der abgebildeten Sammlung aushändigte, sei sie erstmal „orientierungslos“ gewesen.
Leverkusener Ausstellung zeigt Wunsch nach sichtbarer Diversität
Dann habe die Gruppe aber „einfach begonnen, nach Gefühl Bilder auszuwählen, die Assoziationen mit dem CSD hervorrufen“, so Dawson. Zwei Wochen später habe bereits ein Konzept vorgelegen, ergänzt Riemenschnitter. Das Ganze habe überhaupt nichts Kunsthistorisches, sei aber genau deswegen so spannend, weil ganz persönliche Empfindungen, mit denen man vorher gar nicht rechnet, eingeflossen seien. Aus „40 bis 50 Zettelchen“ im Ordner wählten die Kuratoren sechs Kunstwerke, die zur Idee des „auf die Bühne Tretens“ passen, berichtet Dawson.
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So ist im „Proberaum“ das metallische „Fenstergriffobjekt“ von Rolf Glasmeier zu sehen. Die Hebel sind, auch wenn dies den Besuchern nicht gestattet ist, verstellbar. Ihrer Meinung nach ließe dies die Interpretation zu, dass Dinge veränderbar sind, erklärt Dawson. Dagegen seien für sie die an Asche erinnernden schwarzen Pigmentpartikel, die die Innenseiten eines in der Mitte des Raumes stehenden Plexiglaskastens von Erich Reusch bestäuben, Ausdruck für die Entwicklung der Menschheit und die gesellschaftlichen Kämpfe, die geführt wurden.
Insgesamt seien für sie alle ausgewählten Arbeiten ein Symbol dafür, wie es sei, in Leverkusen queer zu sein, führt Dawson aus. Es gehe, wie der selbst gewählte Titel der Ausstellung verrate, um Sichtbarkeit. „Hier gibt es nichts für queere Menschen“, beklagt Marco Sahler, Vorsitzender von „Pride am Rhein“ und Organisator des „Christopher Street Day“ in Schlebusch. „Was soll eine junge Person in Leverkusen machen, die dabei ist herauszufinden, ob sie queer ist? Abhauen!“, befindet er. Es gebe zum Beispiel keine Anlaufstellen, wo man sich Informationen holen könne.
Das sei auch generell einer der Hauptbeweggründe für das „Proberaumprojekt“, erläutert Riemenschnitter: „Communityarbeit“ in einem „geschützten Raum“. „Leverkusen ist eine große Stadt, aber die Kinder wachsen mit dem Verständnis auf, dass das Gute hier ist, schnell in Köln oder Düsseldorf zu sein.“ Insofern sei auch geplant, nach der Ausstellung weiterhin mit „Pride am Rhein“ zu kooperieren und beispielsweise den Jagdsalon des Museums für die Stammtische und Spielenachmittage zur Verfügung zu stellen, so die Leiterin der Kunstvermittlung.
Sie sei zwar nur Stellvertreterin, habe aber durch die Ausstellung noch einmal vor Augen geführt bekommen, wie intolerant die Gesellschaft in Teilen immer noch sei: „Muss man das denn hier jetzt so ausstellen?“, oder „Ich kann es auch nicht mehr hören!“, seien noch die harmloseren Dinge, die sie bei öffentlichen Führungen zu hören bekommen habe, sagt Riemenschnitter. An einer Wand, die die Möglichkeit bietet, Zettel mit Eindrücken zu hinterlassen, habe sie aber auch teilweise äußerst beleidigende Ausdrücke entfernen müssen. „Ich dachte, da wären wir weiter!“, zeigt sie sich nachdenklich.