Krankenhausreform, Pflege, Digitalisierung – es gab viel, über das die Sozialdemokraten reden konnten.
Empfang der FraktionSPD Leverkusen widmet sich der Pflegesituation – Lauterbach zu Gast
Die Vorzeichen, unter denen der Jahresempfang der SPD-Fraktion stattfand, hätten gewiss einfachere sein können. Doch das Finanzdesaster, das die Leverkusener Politik derzeit umtreibt, war auch am Donnerstagabend im Freudenthaler Sensenhammer allgegenwärtig. Ganz ausblenden konnten die Sozialdemokraten die Haushaltssperre nicht, auch wenn sie den Abend thematisch unter das Motto „Who cares? Pflege auch in Zukunft sichern“ stellten.
„Wir müssen trotz der Haushaltssperre in die Zukunft investieren“, forderte in ihrer Rede die Fraktionsvorsitzende Milanie Kreutz. Es gebe genug zu tun derzeit in Leverkusen, aber die Pflege, schlug sie den Bogen zum Hauptthema des Abends, gehe irgendwann alle an. Die meisten der Anwesenden, das signalisierten sie per Handzeichen auf Kreutz’ Frage hin, kümmern sich zu Hause um jemanden. Manche um ältere, manche um jüngere Familienmitglieder.
Schon jetzt seien 21 Prozent der Leverkusener Bevölkerung 65 Jahre oder älter, so Kreutz. Und Plätze in Pflegeheimen seien rar und teuer. Das bekämen besonders die Frauen zu spüren, die nach wie vor den Großteil der „Care-Arbeit“ zu Hause erledigten. „Die Pflegewelle rollt auf uns zu“, sagte Kreutz. Stationär, also in Heimen, sei sie kaum zu händeln. Und dann springe die Familie ein, zumeist die Frauen. Aber nicht nur zu Hause. Sondern auch in den Pflegeberufen arbeiten größtenteils Frauen.
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Leverkusen: OB ruft zu Zusammenhalt auf
Oberbürgermeister Uwe Richrath nutzte die Gelegenheit, um in seinem Grußwort die Anwesenden noch einmal einzuschwören, „jetzt zusammenzustehen“. Die Haushaltssperre komme zum verkehrten Zeitpunkt. Die Lage sei darauf zurückzuführen, dass „die Systeme nicht mehr funktionieren“. Er meinte damit die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Land. Grundsätzlich forderte der OB angesichts der bevorstehenden Wahlen in Thüringen und mittelfristig auch in den USA, als Demokraten „den Geist einzusetzen und nicht nach einfachen Lösungen zu suchen“. Um eben nicht auf Populisten vom politischen Rand hereinzufallen.
Gesundheitsminister und SPD-Bundestagsabgeordneter Karl Lauterbach war auf Einladung ebenfalls in seinen Wahlkreis gekommen. Er monierte „Reformstau“ in nahezu allen Bereichen, ohne zu verschweigen, dass auch seine Partei, die jahrelang in der großen Koalition Regierungsverantwortung trug, dazu beigetragen habe.
Auf seinen Bereich, die Gesundheit, habe das konkrete Auswirkungen. Die Babyboomer fielen bald als Fachkräfte weg, würden aber in ein paar Jahren selbst pflegebedürftig. Das habe einen Rückgang von Fachärzten zur Folge. „Jedes Jahr fehlen fast 5000 Ärzte“, sagte Lauterbach. 15.000 müsse man eigentlich im Jahr approbieren für den Bedarf, der da sei. Aber es seien vielleicht 11.000. 64.000 Ärzte in Deutschland hätten schon jetzt einen Abschluss im Ausland gemacht. Ohne sie würde das System wohl komplett zusammenbrechen. Aber: Das haben auch andere Länder gemerkt. Es werde in Zukunft also auch schwieriger, Ärzte aus dem Ausland zu bekommen, zeichnet der Gesundheitsminister ein düsteres Bild.
Ähnlich sehe es in der Pflege aus. 20.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland seien zuletzt gekommen. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Lauterbach, der ankreidete, dass Deutschland für solche Menschen kein attraktives Land sei. Durch die komplizierte Sprache, durch fehlende Anerkennung von Abschlüssen.
Nun ist er als Gesundheitsminister der Mann, der für all die Probleme Lösungen finden muss. Ebenso für den verheerenden Zustand der Krankenhauslandschaft. Deshalb stellte Lauterbach im Schnelldurchlauf die Gesetze vor, die er angestoßen habe, die noch kommen würden oder schon gekommen sind. Die Krankenhausreform – „zu viel stationär, zu wenig spezialisiert“–, die Vorsorgemedizin – „Die Lebenserwartung in Deutschland liegt 1,7 Jahre unter der Erwartung in den anderen westeuropäischen Ländern“–, die Digitalisierung der Medizin – „Es ist nichts gelungen“– oder das „Gesundes-Herz-Gesetz“: „5000 bis 10.000 Kinder im Jahr werden mit Stoffwechselstörungen geboren, die mit 30 schlechte Gefäße haben wie 80-Jährige.“
Für die Pflege strebt der Gesundheitsminister eine Reform der Finanzierung an. „Die Pflegeversicherung ist zum Angstfaktor geworden“, sagte er. In der Praxis sollen Pflegekräfte die Möglichkeit bekommen, mehr Dinge eigenständig zu entscheiden (Pflegekompetenzgesetz) und er wolle, dass Menschen, die eine entsprechende Qualifikation haben, vor allem aus dem Ausland, schneller anerkannte Pflegeassistenzkräfte werden können.
In Bezug auf die finanzielle Situation in Leverkusen stimmte er dem OB zu: „Wir können unsere Kommunen nicht kaputtsparen.“ Dafür gab es viel zustimmenden Kopfnicken unter den Sozialdemokraten. Bei der Absichtserklärung blieb es allerdings in dieser Hinsicht.