Norbert Winterberg hat einen Wochenendplatz und Fischteiche. Seine Grundsteuer hat sich versiebenundzwanzigfacht.
GrundsteuerreformWie ein Leverkusener Millionär wurde – für das Finanzamt

Auch die alten Fischteiche von Norbert Winterberg sind für das Finanzamt 260 Euro pro Quadratmeter wert. So viel wie ein Baugrundstück.
Copyright: Thomas Käding
Wer Leverkusens Ränder kennt, weiß, dass es dort oft erstaunlich idyllisch zugeht. Das gilt auch für Hahnenblecher. Wiesen und Felder, so weit das Auge reicht. Hier und da ein Fischteich, gespeist vom Köttersbach; die B 51 verschwindet hinter Bäumen und ist kaum zu hören. Das wissen knapp vier Dutzend Familien zu schätzen und haben sich bei Norbert Winterberg einquartiert. Der betreibt einen Wochenendplatz. Das ist eine Art Campingplatz, aber für Daueraufenthalt. Entsprechend stehen auf vielen der 45 Plätze keine Wohnwagen mehr, sondern einfache Häuschen, sozusagen Gartenlauben de luxe.
„Ursprünglich war das landwirtschaftliche Fläche“, berichtet Winterberg. Grünland mit einem Quadratmeterpreis, der vor vielen Jahrzehnten im Pfennigbereich lag. Jetzt hat das Finanzamt den Wert des Landes auf 260 Euro taxiert, pro Quadratmeter. Macht bei knapp über 18.000 Quadratmetern reichlich 4,7 Millionen Euro. Winterberg könnte sich über den Buchwert freuen, wenn daraus nicht die Grundsteuer berechnet würde. Seit Jahresbeginn sind pro Jahr 12.780 Euro fällig. Bis 2024 hat Winterberg 482 Euro überwiesen. Die Steuerlast hat sich also „versiebenundzwanzigfacht“, hat er ausgerechnet. „Wir müssen jetzt alle drei Monate 3800 Euro Grundsteuer bezahlen. Das können wir nicht stemmen.“
Hilfeersuchen bei Leverkusens OB
Gezahlt haben er und seine Frau Martina noch nicht. Sondern nach weitgehend erfolglosen Gesprächen mit ihrer Sachbearbeiterin beim Finanzamt Leverkusen beim Oberbürgermeister um Hilfe nachgesucht. Uwe Richrath habe sich in der vorigen Woche zwar durchaus offen gezeigt und den Irrsinn erkannt, berichtet Norbert Winterberg. Aber der OB kann nichts ausrichten: Den Grundstückswert zu ermitteln, ist Sache des Finanzamts. Und dort vertrete man die Ansicht, dass Norbert Winterberg dort oben in Hahnenblecher über gut 18.000 Quadratmeter bebautes Land verfügt.
Alles zum Thema Uwe Richrath
- In den Osterferien Leverkusens Jugendstadtrat wird international
- Bilanz Wie Leverkusener Karnevalisten auf die vergangene und in die neue Session schauen
- Luminadensturm So wurde Leverkusens OB den Rathausschlüssel los
- Briefwechsel mit Richrath Henriette Reker antwortet zur Zukunft der Leverkusener Fähre vage
- Karneval ist „kein Freifahrtschein“ Plakate in Leverkusens Bussen sollen vor sexualisierter Gewalt warnen
- Sportlerehrung 2024 Leverkusen feiert seine Champions
- Kinderbetreuung Stadtelternrat Leverkusen kritisierte verzögerte Kita-Platzvergabe

Offenbar wurden bei der Bewertung der Grundstücke Dächer gezählt. Aber der Schein trügt.
Copyright: Thomas Käding
Wie das? „Die haben Dächer gesehen“, gibt Winterberg die Erklärung aus dem Finanzamt weiter – die Dächer der besseren Wochenendlauben. Und das Dach eines alten Pumpwerks neben den Fischteichen, die in der Talsohle liegen und mangels Wasseraustausch nicht mal für die Fischzucht taugen, sagt der Eigentümer. „Da sind 50 Jahre alte Karpfen drin. Die will keiner mehr essen.“ Das Land mit dem alten Pumpwerk dient Winterberg als Lagerplatz, „und ich mache da Brennholz“, so der 67-Jährige. In den Augen der Finanzbeamtin sei das „Industriegelände“, sagt er und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Unterm Strich ist das alles aber nicht lustig. Denn die Einschätzung der Manforter Behörde führt dazu, dass jeder Quadratmeter als bebaute Fläche angesehen wird.
Wenn er drauf bauen könnte – das wäre ja noch was. Dann könnte er sich einen Investor suchen und so reich werden, wie er nach Ansicht des Finanzamts heute schon ist. Die Wahrheit ist, dass allein die Grundsteuer einen Großteil der Pachteinnahmen aus dem Wochenendplatz auffressen würde. „Und die Pacht so stark erhöhen, dass es sich wieder lohnt? Das kann ich den Leuten nicht antun“, so Winterberg.
Der Gutachterausschuss kann nichts ausrichten
Also bleibt ihm nur, das Finanzamt doch noch zu überzeugen, dass freie Fläche am Stadtrand nicht mit Eigenheim-Grundstücken am Rand von – zum Beispiel – Mathildenhof gleichzusetzen ist. Der bei der Stadtverwaltung angesiedelte Gutachterausschuss für Grundstückswerte jedoch kann in der Sache nichts ausrichten. Auch das ist Norbert Winterberg im Termin beim Oberbürgermeister klar geworden. Das Fachgremium hat zwar Kriterien aufgestellt, wodurch sich bebaute Flächen im Außenbereich wie etwa in Hahnenblecher auszeichnen. Und die lesen sich wie das genaue Gegenteil dessen, was man auf den Winterberg'schen Ländereien vorfindet.
Es gibt dort eben keine „überwiegende Wohnnutzung“, wie der Gutachterausschuss formuliert. Die Erschließung ist auch nicht gesichert: Zu den Häuschen und Wohnwagen kommt man nur über einen nicht weiter befestigten Fußweg. Und es gibt auch keine kompletten Versorgungsanschlüsse: Strom und Trinkwasser schon – aber Duschen und Toiletten sind in einem Waschhaus untergebracht.
Im konkreten Fall aber muss ein spezifisches Gutachten her, weiß Winterberg inzwischen. Nur: Das wird so schnell nichts. Vor April könne der Mann nicht, wissen die Winterbergs. Und so lange schwebt die Forderung des Finanzamts über ihnen.
Da haben die beiden es schlechter als ihr Nachbar Bernd Kaup. Dessen zum Teil ebenfalls als Wochenendplatz verpachtetes Land habe das Finanzamt ebenfalls mit 260 Euro pro Quadratmeter taxiert. „Da sind aber nur 2,1 Millionen bei rausgekommen“, verrät Winterberg. Vor allem aber: Kaup habe bei der Steuerbehörde eine Stundung erreicht, bis das Grundstücksgutachten vorliegt. Für Martina Winterberg wäre das ein Segen: „Ich schlafe kaum noch.“ Ihr Mann scheint mit dem Druck gelassener umzugehen. Aber vielleicht ist das eine ebenso falsche Einschätzung wie die des Finanzamts.