Leverkusen – NRW-Familienminister Joachim Stamp hat Erzieher und Lehrerinnen in seiner jüngsten Ansprache die „Helden dieser Krise“ genannt, die mit ihrem großen Einsatz alles geben, um das System am Laufen zu halten. „Sind wir Helden?“, fragen sich nun die Leverkusener Tagesmütter und -väter in einem offenen Brief. Und kommen zu dem Schluss: Nein. Denn Helden würde man nicht so behandeln.
Voller Betreuungsumfang
Das Dilemma: Nach der aktuellen Coronaschutz-Verordnung müssen Tagespflegeeinrichtungen den vollen Betreuungsumfang für alle Kinder anbieten, deren Eltern sie nicht selbst betreuen können. Häufig gehen die Betreuungszeiten bis 15 oder 16 Uhr. Nur: Was machen die Tageseltern in dieser Zeit mit ihren eigenen Kindern? Die Älteren können nicht in die Schule und brauchen eventuell Unterstützung beim Lernen. Die Jüngeren können zwar in die Kita gebracht werden – allerdings wurde für alle der Betreuungsumfang um zehn Stunden in der Woche reduziert. Dass heißt, dass die meisten Kitas um 14.30 Uhr schließen. Und mit in ihrer Tagespflegegruppe dürfen die Pfleger die eigenen Kinder auch nicht nehmen – Infektionsschutz.
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„Das ist eine ganz schwierige Situation für uns, für die Kinder und für die Eltern“, sagt Sabine Bendicks, die als Erste Vorsitzende des Vereins Kindertagespflege in Leverkusen e.V. i.G. für 58 Tagespflegepersonen in der Stadt spricht. Eltern, die ihre Kinder zur Betreuung bringen, obwohl es die Empfehlung gibt, sie zu Hause zu lassen, versteht sie. „Es muss ja jeder schauen, wie er den Laden am Laufen hält.“ Die Lösung könne aber nicht sein, dass das Problem komplett auf den Schultern der Tagespflegepersonen lastet – und auf deren Kindern.
Hohe Infektionsgefahr
„Wir müssen Versprechen halten, die wir nicht gemacht haben“, schreibt der Verein, der sich noch in der Gründung befindet, in Richtung der Landesregierung. „Und das unter Bedingungen, in denen wir uns selbst nicht vor einer Infektion schützen können.“ Abstand halten ist bei Kleinkindern unmöglich, um die Anschaffung von Hygieneartikeln müssen sie sich selbst kümmern – ohne finanzielle Unterstützung. Von einem Corona-Bonus, wie ihn andere Berufsgruppen bekommen sollen, ganz abgesehen. Nicht sehr heldenhaft.
Geteilte Gruppen, doppelte Arbeit
Auch im Alltag der Großtagespflege, die Bendicks gemeinsam mit einer Kollegin in Opladen betreibt, sorgen die neuen Vorschriften für Probleme. Normalerweise betreuen beide Frauen die zwei Kleingruppen gemeinsam, nun sind sie streng voneinander getrennt. Das schmerzt die Kinder, die Freundschaften geschlossen haben. Teilweise ist auch ein Kind den ganzen Tag alleine in der Gruppe, je nachdem, wie viele Kinder gebracht werden. Während andere nebenan gemeinsam spielen. Und die Tagesmütter können sich keine Aufgaben mehr teilen. „Normalerweise geht eine von uns kochen und die andere räumt mit den Kindern schon einmal auf“, berichtet Bendicks. Wenn sie nun kochen geht, müssen ihre Tageskinder am Tisch sitzen und mit Büchern irgendwie bei Laune gehalten werden. Sie kann sie ja nicht unbeaufsichtigt spielen lassen.
Zweidrittel der Kinder kommen
Dazu kommen die Sorgen vor Infektionen. „Eigentlich heißt es ja, dass nur eine haushaltsfremde Person kommen darf“, sagt Bendicks. Bei vielen im Verein sind aber vier bis fünf Tageskinder plus zwei bis drei eigene Kinder im Haus. „Da wird es schwierig mit nachvollziehbaren Infektionsketten.“ Eine Umfrage des Vereins, an der 34 Tagespflegestellen teilgenommen haben, hat ergeben: Von 230 Kindern, die dort Betreuungsverträge haben, werden aktuell 174 gebracht. Dazu kommen 91 eigene Kinder der Tagesmütter. Eine Situation, die weder den Betreuern noch den Kindern gerecht werden kann.
Rotznasen zuhause lassen
Deswegen fordert der Verein Kindertagespflege Leverkusen: „Wir brauchen straffere Krankheitsregelungen und Testungen für Kinder und Jugendliche“. Damit ein Kind mit Rotznase zu Hause bleibt, oder abgeklärt wird, ob es sich um Corona handelt. „Wir brauchen Möglichkeiten, unsere Arbeitszeiten an die Öffnungszeiten der Einrichtungen unserer Kinder anzupassen und sie während des Homeschooling zu unterstützen“. Um komplette Schließungen zu vermeiden.
Ansonsten müssten Eltern permanent Angst um die Betreuung ihrer Kinder haben und die Kinder um ihre sozialen Kontakte. „Wir brauchen keine Schließung“, schließt der Brief, nur die richtigen Rahmenbedingungen. „Wir freuen uns auf Eure Kinder.“ Heldenhaft.