Leverkusener und die Inflation„Man schaut jetzt noch mehr nach Angeboten“
Lesezeit 4 Minuten
Leverkusen – Es ist die höchste Inflation seit knapp 50 Jahren: 8,1 Prozent müssen nicht nur die Leverkusener und Leverkusenerinnen mehr für Waren und Energie ausgeben. Wir haben uns an zwei Standorten in der Stadt umgehört, wie die Bürger damit umgehen: in Schlebusch und in Rheindorf.
In den heißen Mittagsstunden gehen eher junge Eltern oder Rentner einkaufen. Einige Berufstätige flitzen zwischendurch in die Supermärkte, um sich schnell etwas zu holen. In Schlebusch im Münsters Gässchen vor dem Edeka sagt Herbert Daunen (Name von der Redaktion geändert): „Natürlich vergleicht man jetzt die Preise, aber wir sind noch in der glücklichen Lage, dass wir unser Einkaufsverhalten nicht ändern mussten. Was mich nur ärgert, sind die ganzen Aktionen der Politik. Der Tankrabatt geht in die falsche Richtung und setzt auch das falsche Signal. Man merkt ja, dass nichts passiert. Stattdessen sollte viel mehr in den ÖPNV und Erneuerbare Energien gesteckt werden. Was im Moment passiert, sind doch alles nur Strohfeuer.“
Andere versuchen zu verzichten, wie Stefan Rauschenberg: „Ich übe ganz bewusst Konsumverzicht. Bei der ganzen Sache fühle ich mich einfach abgezogen. Da kaufe ich bewusst weniger Luxusgüter und Fleisch. Ich brauche es ja nicht zwingend.“ Susanne Detlef (Name geändert) möchte dagegen ihren Lebensstandard beibehalten. „Wir machen jetzt ein paar Überstunden mehr oder schauen uns nach 450-Euro-Jobs um, um unseren Lebensstandard zu halten. Den will ich mir nicht nehmen lassen. Leider bin ich auf das Auto angewiesen und merke natürlich die Spritpreise. Der Tankrabatt ist eine einzige Verarsche. Die Politiker können sich in den Normalverdiener doch überhaupt nicht reinversetzen.“
7,9 Prozent: Das ist eine Zahl, die im Moment überall groß steht. Sie beschreibt den Durchschnittswert der Inflation im Mai 2022 in Deutschland. Für Nordrhein-Westfalen lag der Wert mit 8,1 Prozent sogar noch höher. Die aktuellen Daten für Juni werden am 29. Juni veröffentlicht. Die Inflation beschreibt die Abnahme des Werts einer Währung. Zu ihrer Berechnung wird ein fiktiver Warenkorb genutzt, der laut der Europäischen Zentralbank „alle Waren und Dienstleistungen (enthält), die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen“. Der Preis dieser Dinge wird addiert und mit dem aus dem vorherigen Monat verglichen. Wurden für die gleichen Waren mehr Geld bezahlt, ist die Inflation gestiegen und das Geld weniger Wert. Die größten Preistreiber sind laut dem Statistischen Bundesamt im Moment die Kosten für Energie und Nahrungsmittel. Erstere sind um 38,3 Prozent gestiegen und die Nahrungsmittel um 11,1 Prozent.
Paul Scholz ist auch unterwegs im Supermarkt an diesem Tag: „Für mich hat sich nichts geändert. Aber ich vergleiche die Preise aus Interesse und sichte die günstigen Alternativen.“ Die meisten Kunden nehmen es pragmatisch: Die Preise seien zwar hoch, aber die Rechnungen müssen irgendwie bezahlt werden, ist häufig der Tenor.
„Was soll man machen?“
In Rheindorf vor dem Lidl ist unsere zweite Stichprobe: Hier gaben mehr Menschen an, sich einschränken zu müssen. Viele meinen: Wir warten, bis es vorbeigeht. Was anderes könne man sowieso nicht machen. Aufs Geld achten und die Preise vergleichen habe man ja schon immer gemusst. „Klar, alles ist teurer geworden. Teilweise kosten die Dinge jetzt doppelt oder dreifach so viel, aber was soll man machen? Wir müssen ja einkaufen gehen“, sagt Abdellah Abbazouh, und Hakkouch Mohamed ergänzt: „Man schaut jetzt noch mehr nach Angeboten.“
Edres Cacan sieht es ähnlich: „Ich gehe schon immer bei Lidl einkaufen und daran hat sich nichts geändert. Ich kann jetzt nur weniger kaufen, weil alles so viel teurer geworden ist. Da müssen wir einfach warten, bis es vorbei ist.“ Auch Touristin Vivian sind die Preissteigerungen aufgefallen. Sie ist zu Besuch in Deutschland und hatte von den teureren Lebensmitteln gehört. Trotzdem war sie überrascht: „Ich war schon vorgewarnt, aber dass Fleisch jetzt über drei Euro kostet, da war ich dann doch geschockt. Für mich geht es noch, aber im Vergleich zu vorher hat alles deutlich angezogen.“
Laut Bundesbank könnte es mit der Rekordinflation spätestens im nächsten Jahr vorbei sein. Für 2023 sagt sie eine Geldentwertung von 4,5 Prozent voraus und für 2024 eine von 2,6 Prozent. Ob dies dann auch wirklich eintrifft, wird sich aufgrund der angespannten Weltsituation zeigen.