Fenster in die VergangenheitMuseum Morsbroich eröffnet Ausstellung von Marcel van Eeden

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Bilder der Ausstellung „Art Today - Zeichnungen und Animationen“ hängen an der Wand.

Mit postkartenähnlichen Zeichnungen nimmt der Künstler Marcel van Eeden das Publikum mit auf eine Zeitreise ins Zürich des 20. Jahrhunderts.

Die Ausstellung ist ein überraschender Mix aus abstrakten und realen Zeichnungen und Malereien – von Postkartenmotiven bis zu Koteletts. 

Ein bisschen erinnert die Ausstellung des Künstlers Marcel van Eeden im Museum Morsbroich an die Machart einer Fernsehserie. Dabei sind es nicht die kleinformatigen Einzelwerke selbst, die TV-ähnliche Geschichten erzählen. Vielmehr ist es das Gesamtkonzept, das den filmischen Eindruck erwecken lässt.

Denn Marcel van Eeden verwebt gleich mehrere seiner Zeichen-Serien – klar abzugrenzende Gruppen von Kunstwerken – geschickt durch Erzählstränge, wiederkehrende Figuren und Textelemente miteinander. Was in der Fernsehzeitung gerne mal als Ableger, Spinn-Off oder Crossover beschrieben wird, kann in künstlerischer Abwandlung auch in der Ausstellung mit dem Titel „Art Today – Zeichnungen und Animationen“ wiedergefunden werden, die am Sonntag, 30. Juni, eröffnet wird.

Kurator Fritz Emslander steht vor zwei kleinformatigen Zeichnungen van Eedens, darunter das Motiv der tanzenden Koteletts.

Kurator Fritz Emslander vor zwei kleinformatigen Zeichnungen von Marcel van Eeden, darunter das Motiv der tanzenden Koteletts.

Zum Beispiel ist da der Charakter Oswald Sollmann, dem das Kunstpublikum immer wieder in verschiedensten Facetten begegnet: als Schriftsteller, Theater-Direktor, Archäologe, Spion – und dem Alter Ego des Künstlers.

Neben diesen wiederkehrenden Figuren und Erzählungen ist den Werken des gebürtigen Niederländers – die meisten sind Zeichnungen der letzten 25 Jahre aus der Kölner Sammlung Gerhard Theewens – der Bezug zur Vergangenheit gemein. Auf Grundlage von Fotografien aus Zeitschriften, Tageszeitungen, Büchern und Katalogen, die allesamt vor seiner Geburt im Jahr 1965 gedruckt wurden, stellt van Eeden eine Zeit dar, die ohne ihn stattgefunden hat.

Van Eeden: Zeitreise durchs Zürich des frühen 20. Jahrhunderts

Mit postkartenartigen Motiven etwa nimmt er einen mit auf einen Spaziergang durchs Zürich des 20. Jahrhundert, seine heutige Wahlheimat. In Graustufen zeigt van Eeden Verkehrsmittel der Nachkriegszeit: die Tram, das Boot auf dem Zürichsee oder die noch heute existierende Polybahn.

Aber auch Skulpturen und prominente Gebäude sind auf der imaginären Zeitreise zu entdecken, darunter der 1937/38 errichtete Pavillon der Tramwartehalle Bellevue. Immer mal wieder stechen auch bunte Bilder hervor, ein Zitat eines Gemäldes von Joan Miró aus dem Jahr 1951 zum Beispiel, das einst so in der immer noch bestehenden Züricher Kronenhalle, einem in der Kunstszene bekannten Restaurant, gehangen haben soll.

In einer anderen Zeichen-Serie fallen den Betrachtenden dann ganz andere Umgebungen ins Auge, niederländische Landschaften, fast altmeisterlich gezeichnet, so scheint es.

Schwebende Würste und tanzende Koteletts 

Doch van Eeden kann auch abstrakter: In bunten Zeichnungen und Animationen stößt man plötzlich auf überdimensionierte, schwebende Bockwürste und das immer wiederkehrende Motiv eines mal tanzenden, mal rauchenden, vermenschlichten Koteletts. Wie das nun zu den realitätsgetreuen Zeichnungen aus Zürich und den Niederlanden passen soll, ist zunächst nicht ganz ersichtlich.

Das Begleitheft gibt Aufschluss: Mit der Darstellung akrobatischer, roher Fleischstücke führt van Eeden das Unterhaltungsbusiness und die Anfang des 20. Jahrhunderts populären varietéähnlichen „Vaudeville Shows“ ins Absurde, bevor diese durch das Aufkommen von Tonfilm und Radio abgelöst wurden. 

So überrascht auch das Motiv eines Einhorns in der wild gemischten – und doch irgendwie aufeinander aufbauenden – Ausstellung kaum. Während sich van Eeden gern mal hinter seinem Alter Ego Oswald Sollmann zu verstecken scheint, sei die farbige Zeichnung mit dem Titel „Art Today“ auch eine persönliche Offenbarung, das erzählt Gerhard Theewen, der Leihgeber der Werke.

Denn während der gemeinsamen Buchprojekte und Editionen fand der Herausgeber (Salon Verlag) eigentlich keine Verwendung für das rosafarbene Einhorn, das in eine abstrahierte Landschaft aus soßenähnlichen Flüssigkeiten zu springen scheint. „Das ist eher was für meine Enkelin“, habe er van Eeden scherzhaft mitgeteilt. Dass die bunte Zeichnung als Geschenk nun tatsächlich in den Besitz seiner Enkelin übergangen sei, spreche für die Großzügigkeit und Herzlichkeit dieses Künstlers, so Theewen. 

Tiefgründigere Einsichten verspricht ein Besuch der Ausstellung im Museum Morsbroich, die noch bis zum 6. Oktober dort gezeigt wird. 

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