AboAbonnieren

Sissi Perlinger„Ich habe ein unglaublich treues Publikum“

Lesezeit 4 Minuten

Frau Perlinger, Sie schocken unzählige Anfangs- und Mittfünfziger, wenn Sie im Alter von 52 Jahren Ihr Programm „Ich bleib’ dann mal jung“ nennen. Denn das impliziert ja, dass Sie eigentlich schon alt sind. Hat die Angst vor dem Alter Sie schon sieben Jahre vor der bösen „60“ im Würgegriff?

Also, erstens habe ich noch nie jemanden getroffen, der sich geschockt gezeigt hätte. Und zweitens kann man doch gar nicht früh genug anfangen mit dem Jungbleiben. Wenn man das erst mit 80 beschließt, ist der Zug abgefahren. Ich persönlich freue mich schon mein halbes Leben lang darauf, endlich 63 zu werden, weil ich dann auf dem Höhepunkt meiner kreativen Schaffenskraft sein werde. Aber wir leben in Zeiten der Diktatur des depperten Jugendwahns – und darüber habe ich lange recherchiert und ein Buch und eben auch eine Show geschrieben, die den Leuten die Angst vor dem Alter nimmt und ihnen jene Möglichkeiten aufzeigt, die wir heute haben, um im Kopf jung zu bleiben.

Apropos Show: Die Titel Ihrer Bühnenprogramme weisen eine interessante Entwicklung auf: 1992 sah Ihr „Herz“ noch „rot“. 2005 kam Ihnen dann die „Singledämmerung“. 2010 gönnten Sie sich eine „Auszeit“. Und jetzt wollen Sie auf Teufel komm’ raus jung bleiben. Sind Sie ein wenig desillusioniert?

Schauspielerin, Autorin und Hörspielsprecherin

Die Kabarettistin Sissi Perlinger ist auch als Schauspielerin, Autorin und Hörspielsprecherin tätig und steht seit 1986 als Kabarettistin auf der Bühne. Sie ist unter anderem Trägerin des Grimme-Preises und des Deutschen Kleinkunstpreises. Am heutigen Freitag, 22. April, tritt sie um 19.30 Uhr mit ihrem neuen Programm „Ich bleib’ dann mal jung“ im Forum auf. Eintrittskarten für die Veranstaltung zum Preis von 15 bis 27,50 Euro sind erhältlich unter ☎ 0214/406 41 13. (frw)

Nein. Ich habe in allen meinen Programmen Krisenbewältigung betrieben. Man braucht nun mal immer ein Drama als Grundlage, um dann Humor produzieren zu können. Der Weg des Helden in jeder guten Geschichte führt seit den alten Griechen durch ein tiefes Tal, bevor er am Ende die Katharsis erleben darf. Und jetzt kann ich die potenzielle Krise – die des Alterns – zum ersten Mal im Vorfeld auf mich zukommen sehen und habe beschlossen, prophylaktisch zu handeln. Und genau das empfehlen ja auch alle Altersforscher: Man sollte nicht planlos in seine Zukunft stolpern, sonst landet man womöglich in der Schwarzmalergasse in Trübsal an der Winsel. Wer sich den inneren Schalter von Angst auf Liebe umlegt, schafft es viel eher in den Sonnenweg in Glückshausen an der Juchhei!

In Ihrer Show zeigen Sie den Menschen also den Weg nach Glückshausen?

Ja. Ich versuche, dem Alter so viele Pointen wie möglich abzuringen. Und noch nie haben die Menschen so viel und herzlich gelacht wie in dieser Show. Wenn sie raus gehen, dann haben sie eine neue Sichtweise, wie man im dritten Frühling zu seinem höchsten Potenzial heranreifen kann. Wir leben immerhin im Schnitt doppelt so lang wie die Menschen vor hundert Jahren. Das ist neu. Diese Zeit kann man sinnvoll füllen. Und wenn das alle tun, dann wird die Überalterung zu einem Segen.

Gutes Stichwort. Wie steht es denn Ihrer Meinung nach um die aktuelle Kabarettszene in unserem Lande, in dem Krawall-Comedians die Stadien füllen: Fluch oder Segen?

Was die anderen machen, das hat mich noch nie beeinflusst. Wissen Sie: Ich habe ein unglaublich treues Publikum und fülle meine Theater seit 30 Jahren, obwohl ich nicht mehr so viel im Fernsehen bin. Das macht mich sehr glücklich und ich nehme mir fünf Jahre Zeit für jede Show, biete etwas für alle Sinne, indem ich singe, tanze, musiziere und in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfe und meine eigene Kunstform entwickelt habe. Und das bedeutet wiederum, dass ich sehr authentisch bleiben konnte. Jeder muss eben tun, was er kann.

Sie sind eine Meisterin des Humors und der Satire und leben seit drei Jahrzehnten davon. Und Satire ist gerade aktuell – aufgrund der Böhmermann-Affäre – in aller Munde. Ihre Einschätzung als Expertin bitte: War das, was Böhmermann da veröffentlicht hat, wirklich Satire?

Ich sage es mal so: Ich versuche, die Menschen hochzuziehen in der Frequenz. Beleidigungen dagegen helfen nicht, das Klima auf dieser Welt zu verbessern.