Sie bergen Schwerverletzte und Leichen, setzen bei Brandeinsätzen ihr Leben aufs Spiel: Feuerwehrleute arbeiten an der Belastungsgrenze. Jetzt erbost das Land die Einsatzkräfte. Ein Kölner erzählt von seinem Frust.
Schwarz-Grün erbost RettungskräfteFeuerwehrleute sollen zwei Jahre später in Pension gehen
Jürgen Schlott ist seit 1999 Feuerwehrmann in Köln. Wenn er von seinen Einsätzen erzählt, muss er zwischendurch tief durchatmen. „Man weiß nie, was einen erwartet“, berichtet der 57-Jährige. „Am schlimmsten ist es, wenn Kinder im Spiel sind. Ich musste mal zu einem Grillunfall, bei dem ein kleiner Junge völlig verbrannt wurde. Das macht einen fertig. Die Bilder bekommt man nicht mehr aus dem Kopf.“
Schlott ist Vertrauensmann von Verdi und hat sein Büro in der Hauptwache der Kölner Feuerwehr in Weidenpesch. Regelmäßig kommen Kollegen zu dem Personalrat, um sich über den belastenden Einsatzalltag auszutauschen. Derzeit gibt es noch ein zweites Thema, das für viel Gesprächsstoff sorgt. Die Landesregierung plant, die Altersgrenze für Feuerwehrleute von 60 auf 62 Jahre anzuheben. „Das ist eine Unverschämtheit“, empört sich Schlott. „Viele Kollegen sind so kaputt, dass sie die Pensionierung entweder gar nicht mehr oder als Schwerkranke erleben. Zu verlangen, dass Feuerwehrleute später aufhören sollen, ist absolut respekt- und instinktlos.“
Land will Fachkräftemangel lindern
Im Gesetzentwurf, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, wird der Schritt so begründet: „Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels erfolgt mit dem vorliegenden Gesetz eine moderate Anhebung der besonderen Altersgrenze für den feuerwehrtechnischen Dienst.“ Eine Sprecherin von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, man wolle einem drohenden Personalmangel „frühzeitig begegnen“. Der Schritt werde „das Gesamtsystem der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr aus Feuerwehren, Leitstellen, Aufsichtsbehörden und Ausbildungseinrichtungen erhalten und stärken“.
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Die Gewerkschaften haben für Donnerstag zu einer Mahnwache vor dem Landtag aufgerufen. „In einem Berufsfeld mit so extremen Belastungen heilt man Fachkräftemangel nicht, indem man Altersgrenzen für den Ruhestand anhebt. In dieser Lebensphase sind viele den körperlichen Anforderungen nicht mehr oder nur mit größter Mühe gewachsen“, sagte eine Sprecherin der Gewerkschaft Komba unserer Zeitung. Dies führe nur zu noch höherem Druck in den Dienststellen. Die Gewerkschaft Verdi befürchtet, die Feuerwehr würde durch die längere Arbeitszeit für Berufseinsteiger unattraktiv.
SPD: Feuerwehr ist ein „Knochenjob“
Christina Kampmann ist die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. „Eine 48-Stunden-Woche, jahrzehntelange Schichtarbeit, Einsätze an Sonn- und Feiertagen sowie enorme körperliche und psychische Belastungen sind kein Zuckerschlecken, sondern ein Knochenjob“, sagte die frühere NRW-Familienministerin. Die Pläne von Innenminister Reul bezeichnete sie als „Schlag ins Gesicht eines ganzen Berufsstandes“.
Junge Menschen würden sich dreimal überlegen, ob sie mit dieser Aussicht bei der Feuerwehr anfangen wollen oder lieber einen anderen Weg einschlagen, so Kampmann: „Wir brauchen vielmehr eine Attraktivierung des Öffentlichen Dienstes. Die packt die Landesregierung aber nicht an, weil es sie nicht zum Nulltarif geben wird.“