Morddrohungen, tätliche AngriffeWelche Gewalt Bürgermeister im Kölner Umland erleben
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Immer häufiger kommt es zu verbalen und sogar tätlichen Attacken gegen Lokalpolitiker und Bürgermeister.
Eine Umfrage unter Bürgermeistern im Rhein-Erft-Kreis, im Rhein-Berg-Kreis, im Rhein-Sieg-Kreis, im Kreis Eifel/Euskirchen, im Kreis Oberberg und in Leverkusen offenbart: Auch in der Region mehren sich die traurigen Vorfälle.
Einige Bürgermeister der Kommunen haben uns ihre Geschichten erzählt.
Nordrhein-Westfalen – Fußabtreter der Frustrierten. Das könnte, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag bei einer Diskussionsrunde in Chemnitz, im schlimmsten Fall aus Deutschlands Kommunalpolitikern werden. Nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke fand er weitere klare Worte: „Es gibt keinen Zweifel mehr: Deutschland hat ein massives Problem mit Hass und Gewalt.“
Die Zahlen geben ihm Recht. Knapp zwei Drittel der Bürgermeister in Deutschland sind in ihrem Amt schon einmal beleidigt, beschimpft, bedroht oder angegriffen worden. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag der ARD hervor, die ebenfalls am Dienstag veröffentlicht wurde. Jeder zweite von ihnen erklärte sogar, schon mehrfach angegangen worden zu sein. Und neun Prozent der 2500 befragten Bürgermeister haben bereits körperliche Angriffe erlebt. Sind bespuckt oder geschlagen worden. Auch Mitarbeiter der Verwaltung oder Gemeindevertreter seien immer wieder Ziel von Angriffen.
Die Zahlen sind höher als im vergangenen Jahr. Damals berichteten noch acht Prozent der Bürgermeister von körperlichen Attacken gegen sich selbst, Mitglieder des Stadt- und Gemeinderats oder Kollegen der Verwaltung.
Auch in NRW kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Attacken gegen Amtsträger. 2015 wurde Henriette Reker einen Tag vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin von einem Rechtsextremisten mit einem Messer schwer verletzt. Zwei Jahre später griff ein Mann den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, wegen dessen liberaler Flüchtlingspolitik mit einem Messer an. Ein Bürgermeister einer NRW-Kommune hatte im Januar gar einen großen Waffenschein als Schutz vor Rechtsextremisten beantragt. Im selben Monat kündigte zudem der Kerpener Bürgermeister Dieter Spürck an, nicht mehr kandidieren zu wollen, weil er sich bedroht fühle und Angst um seine Familie habe.
Unsere Zeitung hat nun bei Amtsträgern in der Region nach ihren Erfahrungen gefragt. Ein Großteil gibt an, zum Glück noch nie bedroht worden zu sein. Dass es sich trotzdem nicht um Einzelfälle handelt, zeigen die ausgewählten Berichte auf den folgenden Seiten. (jl mit dpa)
Amtsträger aus dem Kreis Euskirchen/Eifel
Ingo Pfennings, Bürgermeister von Schleiden
Der Bürgermeister aus Schleiden ist schon einmal konkret bedroht worden. „Die heftigste Bedrohung waren verbale Androhungen von Gewalt bis zu Mord in schriftlicher Form mittels handgeschriebener Briefe und YouTube-Videos“, sagt Pfennings. Später wurde festgestellt, dass es sich in diesem speziellen Fall um eine geistig verwirrte Person aus dem Stadtgebiet handelte.
„Um zu bewerten, ob Bedrohungen quantitativ oder auch in der Schärfe zugenommen haben, bin ich noch nicht lange genug im Amt. Da ich aber ja schon einige Jahre kommunalpolitisch aktiv bin, kann ich klar sagen, dass sich die Kommunikation und der Umgang verändert hat. Ich nehme leider eine größer werdende Kluft, die oft durch Unwissen oder Misstrauen genährt wird, zwischen Teilen der Bevölkerung und der Politik sowie den Verwaltungen wahr. Erschwerend kommt sicher dazu: Was früher mal die Stammtischparole in der Kneipe war, wird heute gerne im Internet von sich gegeben,“ sagt Pfennings.
Wilfried Pracht, Bürgermeister von Nettersheim und Ulf Hürtgen, Bürgermeister von Zülpich
Zülpichs Bürgermeister Ulf Hürtgen und Nettersheims Bürgermeister Wilfried Pracht sind in ihrer Amtslaufbahn bisher noch nicht mit Bedrohungen konfrontiert worden.
„Grundsätzlich schließe ich mich aber der allgemeinen Wahrnehmung an, dass der Ton rauer geworden und die Empörungsschwelle gesunken ist. Mehr respektvoller Umgang miteinander ist wichtig“, sagt Hürtgen. Pracht empfiehlt außerdem, dass in den Kommunen mit Aufklärungsmappen informiert wird.
Sabine Preiser-Marian, Bürgermeisterin von Bad Münstereifel
Für Sabine Preiser-Marian, Bürgermeisterin von Bad Münstereifel, ist das Thema deutlich komplexer und sie kritisiert vor allem eine eine Berichterstattung dazu. „Ich denke es ist der Kommunalpolitik nicht zuträglich, wenn man Mandatsträger und potentielle Kandidaten durch derzeit gebündelte Berichterstattung derart verunsichert und sie in Angst und Schrecken versetzt was möglicherweise auf sie zukommen kann. Noch dazu ruft die massive Vielzahl der Berichterstattung aus meiner Sicht erst recht Täter auf den Schirm, da Rücktritte, Resignationen und Ängste der Opfer als Erfolg ihrer Tat gewertet werden,“ sagt Preiser-Marian.
„Der deutsche Rechtsstaat verfügt über die notwendigen Instrumentarien und Gesetze, sich gegen Drohungen, Beleidigungen und Übergriffe zu wehren. Deshalb plädiere ich dafür diese entsprechend seitens der Geschädigten zur Anzeige zu bringen und mit einem Urteil versehen zu lassen,“ sagt Preiser-Marian.
Hermann-Josef Esser, Bürgermeister von Kall
Kalls Bürgermeister Hermann-Josef Esser musste sich vor allem verbaler Bedrohungen aussetzen. „Bei Facebook habe ich schon Begriffe wie „das Rumpelstilzchen vom Rathaus“ oder „Grußonkel“ gelesen. Ich bin selber nicht auf dieser Plattform unterwegs, was sich in dieser Situation als Vorteil herausstellte, da mangels Aufmerksamkeit mit der Zeit das Interesse verloren ging“, erklärt Esser.
„Den verbalen Attacken im virtuellen Raum bin ich gezielt mit betonter Sachlichkeit und einem freundlichen Tonfall in Emails und Telefonaten begegnet. Dies hat zu Beginn den „Ehrgeiz“ auf der anderen Seite noch leicht erhöht, aber nach einiger Zeit den Elan deutlich gedämpft“, verrät der Stadthalter.
Günter Rosenke, Landrat für den Kreis Euskirchen
Auch Günter Rosenke, Landrat für den Kreis Euskirchen, kennt verbale Ausgleisungen und Bedrohungen nur zu gut: „In einer Jugendamtsangelegenheit mit Kindesentzug bin ich vom Vater des Kindes als Mörder bezeichnet worden. Im gesamten Kreis Euskirchen sind sogar entsprechende Flugblätter verteilt worden. Für mich alarmierend war, dass die Aktion von einem Angehörigen der Bundeswehr ausging, also von einem Waffenträger. Ich konnte nicht einschätzen, wie weit er gehen würde.“
„Vor allem durch die sozialen Medien hat sich in Sachen Schärfe hier eine ganz neue Qualität entwickelt. Glücklicherweise bin ich aber von entsprechenden verbalen Übergriffen bis auf wenige Ausnahmen verschont geblieben“, sagt Rosenke. Auch in seiner Amtsausübung als Landrat fühlt sich Rosenke „nicht eingeschränkt“, betont aber dennoch, dass es Dinge gibt, die sich dahingehend ändern müssen. „Wichtig ist, all diese Vorfälle öffentlich zu machen und Anzeige bei der Kreispolizeibehörde zu erstatten. Wir dürfen diese Bedrohungen nicht als Kavaliersdelikt abtun, auch die sozialen Medien sind kein rechtsfreier Raum“, erklärt Rosenke.
Rolf Hartmann, Bürgermeister von Blankenheim und Peter Cremer, Bürgermeister von Heimbach
Verbesserungsvorschläge hat auch Blankenheims Bürgermeister Rolf Hartmann - allerdings appelliert er dabei vor allem an die eigenen Kollegen: „Manchmal sind wir Kommunalpolitiker auch keine guten Vorbilder. Nicht immer gehen wir sachlich miteinander um, sondern werden persönlich und wenig wertschätzend.“
Einen ähnlichen Weg rät auch Heimbachs Bürgermeister Peter Cremer: „Meiner Meinung nach muss die gesamte Gesellschaft zu den Werten unseres christlich geprägten Miteinander zurückkehren. Dann hat der Spuk ein Ende. Gegenseitige Achtung ist die Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens.“
Jan Lembach, Bürgermeister von Dahlem
Dahlems Bürgermeister Jan Lembach kritisiert vor allem Un- und Halbwahrheiten, welche immer wieder als Argument angeführt werden. Auch er hat dabei die Sozialen Netzwerke im Fokus und fordert „klare Regelungen“ sowie „konkrete gesetzliche und erhebliche strafrechtliche“ Konsequenzen.
Dr. Uwe Friedl, Bürgermeister von Euskirchen
Von ganz konkreten Bedrohungs-Szenarien kann Euskirchens Bürgermeister Dr. Uwe Friedl berichten: „Vor einigen Jahren wurde ich von einer polizeibekannten Person verbal und körperlich bedroht. Ich saß im Auto, der Angreifer beschimpfte mich und trommelte gegen das - zum Glück verschlossene - Seitenfenster.“ Daraufhin erstattete der Bürgermeister Strafanzeige.
„Persönlich gab es seither keine Vorfälle, so dass ich dies aus eigener Erfahrung nicht beurteilen kann, ob die Bedrohungen schärfer geworden sind. Leider ist aber sowohl eine Verrohung der Sprache als auch ein nachlassender Respekt im gesellschaftlichen Miteinander festzustellen. Und die Vorkommnisse in den letzten Monaten, bei der Politiker körperlich angegangen oder im Fall von Walter Lübcke sogar ermordet wurden, zeigen, dass offensichtlich auch die Hemmschwellen für derartige Angriffe sinken.“
Das ist nicht tolerierbar und dagegen muss mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mittel vorgegangen werden.Die im letzten Jahr eingerichtete „Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen“, an die sich betroffene Politiker wenden können, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Mindestens genauso wichtig wie die Verfolgung und Ahndung solcher Taten ist allerdings, das sich das gesellschaftliche Klima wieder in eine andere (positivere) Richtung entwickelt. Dazu gehört insbesondere der respektvolle Umgang miteinander“, sagt Friedl.
Amtsträger aus dem Rhein-Sieg-Kreis
Dr. Rolf Schumacher, Bürgermeister von Alfter
„In der Gemeinde Alfter ist der Umgang miteinander vorwiegend von Respekt und konstruktivem Meinungsaustausch geprägt“, erklärt Alfters Bürgermeister Dr. Rolf Schumacher. Konkret habe er keine direkten Drohungen oder Anfeindungen erlebt und bin in meiner Amtsführung nicht eingeschränkt.
„Eine gesellschaftliche Verrohung schadet der gesamten Gesellschaft und sie betrifft eben nicht nur Amtsträger sondern auch andere Berufsgruppen, wie Polizei oder Feuerwehr. Daher ist es wichtig, Respekt und verständnisvolles Miteinander zu leben und zivilen Einsatz, wie ehrenamtliches Engagement zu fördern“, sagt Schumacher weiter.
Stephan Vehreschild, Bürgermeister von Niederkassel und Renate Offergeld, Bürgermeisterin von Wachtberg
Keine Erfahrungen mit konkreten Bedrohungssituationen konnten Niederkassels Bürgermeister Stephan Vehreschild und Wachtbergs Bürgermeisterin Renate Offergeld machen. „Hilfestellung oder Unterstützung zur Verstärkung des Schutzes - das ist in der Gemeinde Wachtberg aktuell - Gott-sei-dank - kein Thema“, so Offergeld.
Stefan Raetz, Bürgermeister von Rheinbach
„Anpacken, leichtes Stoßen, verbale Entgleisungen“, beschreibt Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz seine Erfahrungen mit Bedrohungen. „Das war abends auf dem Heimweg nach Hause. Sie pöbelten mich wegen meiner Haltung zum Thema „Flüchtlinge“ an. Ich soll die lieber rausschmeißen als denen auch noch unsere Turnhallen zu geben. Ich habe erst versucht durch ein Gespräch zu deeskalieren. Als das nicht half bin ich zügig weitergegangen. Sie verfolgten mich nicht.“
Vor allem Bedrohungen per Mail nehmen laut Raetz immer mehr zu. „Da wird durchaus mit persönlichen Konsequenzen für mich gedroht. 'Wenn meinem Kind was passiert, dann ….'“, beschreibt Raetz. „Das gehört leider heute dazu. Das muss man zunächst erdulden. Aber man muss sich nicht alles gefallen lassen. Bei Drohungen gegen Mitarbeiter erstatte ich immer Anzeige,“ sagt Raetz.
„Manche Mitbürger benötigen eine bessere 'Kinderstube' und eine bessere Erziehung durch die Eltern. Die Sitten verrohen. Mehr Respekt zu der Arbeit der Bürgermeister und aller Bediensteten wäre schön. Allein nur höhere Strafandrohungen werden das Problem nicht lösen.“
Petra Kalkbrenner, Bürgermeisterin von Swisttal
„Festzustellen ist, dass der Respekt im Umgang gegenüber Behörden und Behördenmitarbeitern in vielen Fällen, wie leider sogar bei Einsatzkräften festzustellen war, nicht mehr vorhanden ist. Behördlicherseits ist dies insbesondere der Fall bei kontroversen Themen. Persönlich habe ich für mich noch keine Situation als konkret bedrohend empfunden,“ sagt Kalkbrenner.
„Sofern gegenüber Mitarbeitern Bedrohungen ausgesprochen werden, erheben wir konsequent Strafanzeige. Die Grenzen zwischen Unhöflichkeit, Respektlosigkeit, Beleidigung und Bedrohung fangen jedoch an zu verwischen. Dem ist mit den Mitteln des Rechts sowie durch aufklärende Kampagnen, wie beispielsweise der Respekt Kampagne, entgegenzutreten.“
Wolfgang Henseler, Bürgermeister von Bornheim und Norbert Büscher, Bürgermeister von Much
Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler hat auch in 15 Jahren Arbeit auf politischer Ebene keine nennenswerten bedrohlichen Situationen erlebt. „Dabei muss ich aber auch bemerken, dass ich in keinem Sozialen Netzwerk aktiv bin“, erklärt Henseler.
Auch Norbert Büscher, Bürgermeister von Much, hat keine einschneidenden Erlebnisse mit Drohungen gemacht. „Trotzdem ist eine Verrohung der Sprache festzustellen. Es gibt immer mehr verbale Attacken, die Leute haben nur noch wenig Respekt vor dem Amt,“ so Büscher.
„Beleidigungen und Diffamierungen müssen schneller geahndet werden. In der Vergangenheit war es eher so, dass einem als Amtsträger zugemutet wurde, einiges an Beleidigungen und Attacken zu erdulden. Das kann nicht sein,“ so Büscher.
Peter Wirtz, Bürgermeister von Königswinter und Otto Neuhoff, Bürgermeister von Bad Honnef
Peter Wirtz, Bürgermeister von Königswinter, sieht das Problem in der geltenden Rechtssprechung: „Nach dieser müssen Bürgermeister Schmähkritik hinnehmen. Die juristische Definition dieses Begriffs erlaubt allerdings aus der Sicht Betroffenen, dass Beleidigungen, Verdächte, Verunglimpfungen in hohem Maße zu tolerieren sind. Dies führt besonders durch Verbreitung in sozialen Netzen zu einer sich aufschaukelnden Eskalationsbereitschaft. Der gesetzliche Schutz für Mandatsträger muss verbessert werden. Dies reicht meines Erachtens von der Strafbewehrung solcher Äußerungen bis hin zu Löschansprüchen der Geschädigten.“
Von ganz konkreten Bedrohungen kann Bad Honnefs Bürgermeister Otto Neuhoff berichten. „Ein Bürger hat mich verbal bei Facebook bedroht. Dagegen habe ich Strafanzeige erhoben“, sagt Neuhoff.
„Der Rückhalt bei Polizei und vor allem Staatsanwaltschaft könnte stärker sein. Das Sicherheitsgefühl der Bedroher und Beleidiger sollte erschüttert werden“, sagt Neuhoff weiter.
Amtsträger aus dem Kreis Oberberg
Frank Helmenstein, Bürgermeister von Gummersbach und Ulrich Stücker, Bürgermeister von Wiehl
„In meiner 15-jährigen Amtszeit als Bürgermeister meiner Heimatstadt Gummersbach bin ich bislang nicht in einer ernst zu nehmenden Weise bedroht worden,“ sagt Helmenstein. Auch in seiner Amtsführung fühle er sich nicht eingeschränkt.
Auch Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker musste bislang keine konrete Bedrohung erfahren. „Im Kern geht es bei solchen Drohungen um ein gesellschaftliches Problem. Das lässt sich nicht dadurch lösen, dass Bürgermeister Waffen tragen oder dauernd unter Personenschutz stehen. Ziel muss sein, ein gesellschaftliches Klima zu erreichen, in dem Respekt und menschliche Wertschätzung hohen Stellenwert genießen. Das betrifft letztlich jeden im alltäglichen Umgang miteinander, da sind wir alle gefordert“, so Stücker.
Landrat Jochen Hagt, Oberbergischer Kreis und Stefan Meisenberg, Bürgermeister von Marienheide
Landrat Jochen Hagt erlebte ebenfalls noch keine konkreten Bedrohungssituationen. Gleiches gilt für Stefan Meisenberg, Bürgermeister der oberbergischen Kommune Marienheide. „Allerdings habe ich in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass der Umgang mit Entscheidungsträgern, insbesondere in den sozialen Medien, mit weniger Respekt und Anstand geführt wird. Gefördert wird dies vor allen Dingen auch durch populistische Äußerungen einzelner politischer Gruppierungen.“
„Die Einrichtung eines Personenschutzes kann sich sicherlich im Einzelfall als notwendig ergeben, eine Bewaffnung halte ich allerdings für absolut nicht zielführend“, sagt Meisenberg weiter.
Jörg Bukowski, Bürgermeister von Morsbach, Peter Köster, Bürgermeister von Waldbröl und Rüdiger Gennies, Bürgermeister von Reichshof
Keine konkreten Erfahrungen mit Bedrohungen haben die drei Bürgermeister aus Morsbach, Waldbröl und Reichshof gemacht. „Ich habe bisher zum Glück keine Bedrohungen gegen meine Person oder meine Familie erleben müssen“, weiß zum Beispiel Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies zu berichten.
Dr. Gero Karthaus, Bürgermeister von Engelskirchen
Und auch Dr. Gero Karthaus, Bürgermeister von Engelskirchen, erlebte noch keine unmittelbaren Bedrohungen. „Was ich aber klar feststelle, ist die veränderte Tonart bei Beschwerden. Sachliche Kritik wird zunehmend von Beschimpfungen, Unterstellungen und persönlichen Abwertungen abgelöst“, sagt Karthaus.
„Im Falle konkreter bedrohlicher Situationen wünsche ich mir, aber auch meinen Mitarbeitern schnelle und kompetente polizeiliche Unterstützung. Ebenfalls sollte unsere Rechtssprechung unsägliche Beleidigungen nicht einfach als Meinungsfreiheit definieren.“
Wilfried Holberg, Bürgermeister von Bergneustadt
Körperliche Bedrohungen hat auch Wilfried Holberg, Bürgermeister von Bergneustadt, noch nicht erfahren müssen. „Verbale Entgleisungen, die ich als „bedrohlich“ im Sinne einer Grenzüberschreitung empfunden habe, musste ich allerdings schon einige Male erleben.“
„Die Einlassungen kamen aus bestimmten, kleingruppige Teilen der Bürgerschaft und wurden insbesondere über die sozialen Netzwerke verbreitet. Aggressive oder verbalbedrohliche Auseinandersetzungen in der unmittelbaren Begegnung mit Bürgern blieben mir glücklicherweise bisher erspart,“ erklärt Holberg.
In allererster Linie brauche es „ein Zusammenstehen aller real demokratischen Kräfte in den Räten,“ um Bedrohungen jeglicher Form Einhalt zu gebieten. „Für die beklagenswerten körperlichen Attacken auf Kolleginnen und Kollegen gibt es meiner Meinung nach nur die Antwort, dass der Staat seiner Verpflichtung unmissverständlich nachkommen muss, die demokratischen Strukturen zu schützen und insofern auch den Mandatsträgern vor Ort gefahrloses Arbeiten zu ermöglichen. Die klaren Ansagen des Innenministers der Landes NRW in diesen Zusammenhängen gefallen mir.“
Dr. Georg Ludwig, Bürgermeister von Lindlar
Auch Lindlars Bürgermeister Dr. Georg Ludwig begrüßt, dass diese Thematik stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wird. „Nach meiner Auffassung sind nicht nur Kommunalpolitiker mehr Anfeindungen ausgesetzt, sondern auch Verwaltungsmitarbeiter, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste. Gegenüber all diesen Gruppen herrscht eine zunehmende Respektlosigkeit, eine deutlich vermehrte Tendenz zu Übergriffen verbaler und körperlicher Art.“
Auch aus eigenen Erfahrungen kann Ludwig berichten: „Ich selbst war bei öffentlichen Veranstaltungen oder Terminen mit Bürgern schon das ein oder andere Mal in Situationen, die für mich unmittelbar physisch gefährlich waren. Eine Situation wurde dann zum Beispiel so gelöst, dass ich die Person mit mehreren Leuten unter Kontrolle hatte, bis die Polizei kam.“
„Schriftliche Drohungen habe ich ebenfalls erlebt, meist über das Internet, etwa in der Hochphase der Flüchtlingsbewegung oder bei Anlässen, die damit zusammenhingen,“ erzählt Ludwig.
„Auch in der Verwaltung erleben wir übergriffiges Verhalten: Manche Leute poltern im Rathaus los und fangen an zu randalieren, wenn sie ihren Willen nicht bekommen oder sie mit einer Verwaltungsentscheidung (z.B. einem Gebührenbescheid oder einer Mahnung) nicht einverstanden sind. Hier sehe ich eine wachsende Tendenz, und wir haben in der Zwischenzeit Vorkehrungen zum besseren Schutz der Kolleginnen und Kollegen getroffen.“
„Was muss sich ändern: Gerichte müssen einschlägige Verstöße stärker sanktionieren, manche Urteile fallen aus meiner Sicht zu milde aus und schrecken nicht ab,“ sagt Ludwig.
Amtsträger aus dem Rhein-Berg-Kreis
Lutz Urbach, Bürgermeister von Bergisch Gladbach
Der Bergisch Gladbacher Bürgermeister Lutz Urbach kennt Drohungen nur zu gut. „Es gab über die Jahre schon mal Drohungen per Telefon, per Mail oder auch per Video im Netz; dabei wurde Schaden für Leib und Leben bis hin zu Morddrohungen angedroht“, berichtet Urbach.
„Das waren ganz unterschiedliche Personen. Mal ging es um die Bewältigung der Flüchtlingskrise, mal sind die Motive nicht erkennbar, und mal hat es mit der Gesinnung des Reichsbürgertums zu tun,“ erzählt der Bürgermeister.
Urbach sagt außerdem, dass vor allem anonyme Beschimpfungen im Internet zugenommen haben. Eine Einschränkung in der Amtsausübung gebe es allerdings nicht.
„Ich denke, dass es keine generelle Lösung für solche Bedrohungen geben kann, da alle Attacken individuell und somit nicht planbar sind. Die Fachleute sind aber sensibilisiert und die Landesregierung kümmert sich, das finde ich gut. Man wird nie alle Risiken beseitigen können. Die Position in der Öffentlichkeit ist schon immer mit der Problematik der Bedrohung verbunden gewesen,“ sagt Urbach.
Landrat Rhein-Berg Stephan Santelmann
Stephan Santelmann ist Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises und hat glücklicherweise noch keine Bedrohungsszenarien am eigenen Leib gespürt. Dennoch weiß auch er: „Es ist in den vergangenen Jahren leider ein gesellschaftlicher Wandel festzustellen. Beleidigungen und Drohungen kommen immer häufiger vor. Diese Entwicklung macht auch nicht vor kommunalen Amtsträgern und Politikern Halt. Von aggressivem Verhalten einzelner Menschen sind ebenfalls Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei betroffen. Und das, obwohl sie sich im Einsatz für das Wohl der Allgemeinheit befinden. Dieser Entwicklung gilt es, Einhalt zu gebieten. Wir sind hier alle gefordert, durch unser Handeln ein Zeichen für mehr Respekt zu setzen.“
Marcus Mombauer, Bürgermeister von Rösrath, Willi Heider, Bürgermeister von Kürten und Robert Lennerts, Bürgermeister von Odenthal
Keine konkreten Bedrohungen musste bisher Rösraths Bürgermeister Marcus Mombauer erleben Auch Kürtens Bürgermeister Willi Heider und Odenthals Bürgermeister Robert Lennerts sind durch solche Bedrohungen - egal ob auf verbaler oder auf nonverbaler Art - bisher verschont geblieben.
„Die Polizeistation der Gemeinde Kürten ist in den Räumen des Rathauses untergebracht. Eine darüber hinausgehende Hilfestellung oder Unterstützung ist zurzeit in Kürten nicht erforderlich,“ erklärt Heider.
Frank Steffes, Bürgermeister von Leichlingen
„Zugenommen haben vor allem Beschimpfungen per Email oder bei Facebook, dies gilt gleichermaßen für meine MitarbeiterInnen und auch für mich. Auch Schmähbriefe habe ich an meine Privatadresse erhalten. Einmal wurde mein Fahrzeug verkratzt,“ erzählt Steffes.
„Damit einhergehend wird oftmals versucht, über formale Wegen wie Dienstaufsichtsbeschwerden oder die Kommunalaufsicht, die handelnden Personen unter Druck zu setzen,“ so der Leichlinger Bürgermeister weiter.
„Das Amt ist mit bestimmten Risiken behaftet, die sich vermutlich nie ganz ausschließen lassen. In konkreten Bedrohungssituationen würde ich die Strafverfolgungsbehörden einschalten. Ich würde mir wünschen, Gerichte würden Beleidigungen und Schmähungen ahnden und nicht als freie Meinungsäußerung gelten lassen. Auf militante Sprache folgt meist militantes Handeln. Dem muss die Gesellschaft insgesamt entgegentreten,“ sagt Steffes weiter.
Amtsträger aus dem Rhein-Erft-Kreis
Susanne Stupp, Bürgermeisterin von Frechen und Frank Keppeler, Bürgermeister von Pulheim
Frechens Bürgermeisterin Susanne Stupp wurde bislang noch nie ernsthaft bedroht. Auch Pulheims Bürgermeister Frank Keppeler hat mit ernsthaften Bedrohungen bisher keine Erfahrung gemacht.
„Auch Einschränkungen in meiner Amtsausübung kann ich nicht feststellen. Wahrnehmbar ist hingegen, dass Diskussionen heute zum Teil kontroverser geführt werden, als dies früher der Fall war,“ sagt Keppeler
Dirk Breuer, Bürgermeister von Hürth und Erwin Esser, Bürgermeister von Wesseling
„Teilweise vermischen sich bei den Debatten bzw. Beiträgen im Netz plakative Thesen und teils dreiste Unterstellungen - auch auf lokaler Ebene,“ sagt Hürths Bürgermeister Dirk Breuer, der selbst noch nie ernsthaften Bedrohungen ausgesetzt war. „Sachfundierte Debatten taugen in Zeiten von Twitter und Co. vielen nicht als das Mittel der Wahl. Insofern wird in den sozialen Netzwerken vieles verbreitet, was sich mit der Realität nicht in Übereinklang bringen lässt oder aus einer geschickten Verdrehung der Tatsachen besteht. Daher müssen Regeln für Netzdebatten her,“ sagt Breuer.
„Ich wurde noch nie bedroht und fühle mich derzeit noch nicht eingeschränkt,“ hat auch Wesselings Bürgermeister Erwin Esser zu berichten. „Ich nehme allerdings schon einige Zeit wahr, dass der Ton gegenüber den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mir, genauso wie gegenüber Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleuten und Rettungskräften schärfer wird. Das ist eine Erfahrung, die auch Politikerinnen und Politiker machen. Diesen Verlust an Respekt für Menschen in öffentlichen Funktionen kritisiere ich entschieden,“ sagt der Bürgermeister.
Michael Kreuzberg, Landrat des Rhein-Erft-Kreises
Auch Michael Kreuzberg, seines Zeichens Landrat des Rhein-Erft-Kreises, hat noch keine konkreten Bedrohungssituationen erlebt. „Allerdings gab und gibt es nach Einschätzung der Polizei durchaus potentielle Bedrohungslagen, die prophylaktisch unterschiedliche Formen von Schutzmaßnahmen für meine Familie und mich erforderlich gemacht haben oder möglich machen könnten,“ verrät der Politiker.
„Allgemein kommt es öfter und in einem rüderen, entehrenden Ton zu Entgleisungen und Verunglimpfungen. Das erfahren neben Rettungskräften auch Polizistinnen und Polizisten. Das Gewaltpotential ist signifikant gestiegen. Jede dieser Lagen bringe ich als Behördenleiter konsequent zur Anzeige,“ sagt Kreuzberg.
Welche Lösung gibt es? „Gesellschaftlich müssen wir die Schraube finden, die schnell höhere Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, zurückzudrehen. Ein schwieriges Unterfangen. Die Akzeptanz des und der Respekt vor dem Anderen ist zum Teil abhandengekommen. Dies können wir schon in Kitas und in unseren Schulen erfahren. Kolleginnen und Kollegen in diesen Einrichtungen haben bisweilen alle Hände voll zu tun, pädagogisch-erzieherisch dagegen anzugehen. Sie tun ihr Bestes, doch die äußeren Umstände erleichtern nicht gerade ihre Arbeit. Falls es erforderlich wird, muss für kommunale Amtsträger Schutz organisiert werden. Ein Waffenschein für Amtsträger stellt sicherlich keine gute Lösung dar,“ so der Landrat.
Dieter Freytag, Bürgermeister von Brühl
Brühls Bürgermeister Dieter Freytag hat ebenfalls noch keine konkrete Bedrohung erlebt. Doch auch er sieht, dass Bedrohungen sowohl quantitiv als auch in der Schärfe zugenommen haben: „Der Mord am Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist das grausamsten Beispiele für den Hass, der vielen Politikern entgegenschlägt. Wenn man die Zahl der Angriffe auf Politiker bundesweit betrachtet wird deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht, insbesondere hinsichtlich des Personenschutzes für betroffene Personen.“
„Aufgrund der Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit ist vom Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen eine Zentrale Ansprechstelle für politische Verantwortungsträger zu polizeilichen Sicherheitsfragen installiert worden. Der Innenminister des Landes hat zugesagt, dass geeignete Ansprechpartner Fragen zur individuellen Sicherheit beantworten oder im Bedarfsfall unmittelbar notwendige Maßnahmen einleiten können,“ erklärt Freytag.
Volker Erner, Bürgermeister von Erftstadt und Volker Mießeler, Bürgermeister von Bergheim
Volker Erner (Bürgermeister von Erftstadt) und Volker Mießeler (Bürgermeister von Bergheim) haben ebenfalls noch keine konkreten Bedrohungssituationen erlebt. Mießeler schließt sich klar den Forderungen des Städte- und Gemeindebundes an, der sich in den letzten Jahren bereits verstärkt mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat.
Aus Sicht des Städte und Gemeindebundes sind wichtige Strategien zum konsequenten Entgegenwirken gegen solche Anfeindungen:1) Diskussion dieses Themas in einer breiten ÖffentlichkeitDemnach kann davon ausgegangen werden, dass das, was im Netz gesagt wird, in einem persönlichen Gespräch so nicht „eins zu eins“ wiederholt würde. Probleme müssen ernst genommen und sachlich diskutiert werden, persönliche Anfeindungen jedoch konsequent ausgeschlossen werden2) Hasskriminalität nicht verschweigenBürger müssen für dieses Thema sensibilisiert und motiviert werden, den Betroffenen auch öffentlich beizustehen3) Konsequente VerfolgungMandatsträger sollen die Vorgänge zur Anzeige bringen. Aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes (StGB) sollten Schwerpunktstaatsanwalten gegründet werden, die auch in der Öffentlichkeit demonstrieren, dass die Vorgänge ernst genommen und ggf. strafrechtlich verfolgt werden.4) StrafrechtsverschärfungDer StGB schlägt vor, dass der Stalking Paragraf um den neuen Straftatbestand „Politiker Stalking“ erweitert wird5) Bündnis gegen Gewalt und für ToleranzEs soll ein Bündnis etabliert werden in Kooperation mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch unter Einbindung von Medienvertretern6) ÖffentlichkeitskampagneDer StGB wirbt für mehr Aufklärung, mehr politische Bildung in Schulen, mehr offenen Austausch von Angesicht zu Angesicht, um der schwindenden Anerkennungskultur für politische Ämter entgegenzuwirken. Auch die Medien sind hier gefordert.
Amtsträger aus dem Kreis Leverkusen
Uwe Richrath, Bürgermeister von Leverkusen
Leverkusens Bürgermeister Uwe Richrath ist bisher noch mit keinen ernsthatfen Bedrohungsszenarien konfrontiert worden. Dennoch seiht auch er, dass sich ein Wandel vollzogen hat, was gegenseitigen Respekt angeht.
„Grundsätzlich muss sich in unserer Gesellschaft wieder ein respektvollerer Umgang miteinander etablieren – ganz allgemein genauso wie im Speziellen gegenüber Menschen, die eine Aufgabe im öffentlichen Leben wahrnehmen, wie z.B. Polizisten, Rettungskräften oder Politikern. Gerade Kommunalpolitiker üben dieses Amt ehrenamtlich aus. Wer dabei massiven Beleidigungen, Diffamierungen oder gar Bedrohungen ausgesetzt wird, wird ein solches Amt auf Dauer nicht ausüben wollen. Das würde letztlich unser gesamtes demokratisches System gefährden. Daher müssen konkrete Bedrohungen, genauso wie Hasskommentare oder ehrverletzende Beleidigungen auch viel stärker und konsequenter strafrechtlich verfolgt werden,“ so Richrath.