Düsseldorf – Nach großer Verunsicherung in den Kommunen will die Landesregierung Rechtssicherheit bei der Erhebung von Abwassergebühren in Nordrhein-Westfalen schaffen. Dazu habe das Landeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, teilte Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) in Düsseldorf mit.
Ob das für die einzelnen Haushalte künftig mehr oder weniger Gebühren bedeutet, lässt sich aus dem Entwurf nicht ableiten. Die Räte sollen aber Klarheit bekommen, welche Kosten - Abschreibungen und Zinsen - sie bei der Gebührenrechnung berücksichtigen dürfen. Die Details werden nun gesetzlich definiert. Der Entwurf soll nächsten Mittwoch in den Landtag eingebracht und noch in diesem Jahr verabschiedet werden.
Der Bund der Steuerzahler bezeichnete den Entwurf am Donnerstag als „eine einzige Enttäuschung”. Der Landesvorsitzende Rik Steinheuer kritisierte in einer Mitteilung: „Bürgerfreundlich geht anders”.
Die Landesregierung reagiert mit ihrem Gesetzentwurf auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom vergangenen Mai, das damit seine eigenen, 28 Jahre geltenden Maßstäbe über Bord geworfen hatte. In einem Musterverfahren gegen die Stadt Oer-Erkenschwick hatte der Senat entschieden, dass dort erheblich zu hohe Abwassergebühren berechnet worden seien.
Moniert wurde, dass bei der Zinsberechnung nicht Durchschnittswerte aus 50 Jahren herangezogen werden dürften und dass der Inflationsausgleich doppelt berechnet worden sei. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da Oer-Erkenschick Beschwerde eingelegt hat. „Alles schwebt”, sagte Scharrenbach.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung begrenzt den Zeitraum nun auf 30 Jahre und definiert auch, dass künftig nur noch betriebsnotwendiges Kapital bei der Verzinsung berücksichtigt werden darf.
Damit werde die vom OVG in seinem Urteil vorgegebene 10-Jahres-Frist als Grundlage der Zinsberechnung nicht aufgegriffen, bemängelte der Steuerzahlerbund. „Wir befürchten, dass die Gebührenzahler bei weitem nicht in dem Umfang entlastet werden, den das Urteil erwarten ließ”, kommentierte Steinheuer die Äußerungen der Ministerin.
Scharrenbach hatte zuvor gesagt, sie gehe davon aus, dass das Abwassergebührenaufkommen in der Summe dennoch gleich bleiben werde. Dies sei auch notwendig, da enorme Aufgaben zu finanzieren seien bei der Sanierung und Verbreiterung von Kanälen für wasserresistentere Städte sowie für Investitionen in Kläranlagen und die Anpassung an europäische Reinigungsstandards, argumentierte die Ministerin.
Das Kanalnetz in Deutschland umfasse rund 600.000 Kilometer, berichtete Scharrenbach. In den Großstädten sei es im Durchschnitt 56 Jahre alt - teils sogar schon über 100 Jahre. Der Wiederbeschaffungszeitwert für das gesamte Netz sei mit bis zu 700 Milliarden Euro zu veranschlagen. Bundesweit müssten jährlich sechs bis acht Milliarden Euro in das Netz investiert werden - davon rund 20 Prozent in NRW. Verbrauchsabhängige Abwassergebühren seien also notwendig, um die Kanäle instand zu halten, sagte Scharrenbach.
„Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzentwurf dazu führt, dass die Kommunen in Zukunft angemessene Gebühren von ihren Bürgern verlangen müssen”, leitete der Steuerzahlerbund aus der Argumentation ab. „Wie wäre es denn, wenn Ministerin Scharrenbach einfach mal ein bürgerfreundliches Gerichtsurteil in ein bürgerfreundliches und verständliches Gesetz gießt?”
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