Oberberg – Das Foto mit dem neuen Ministerpräsidenten kramt Magnus Bürger gerne heraus. Anfang Oktober wurde der 54-jährige Reichshofer, Geschäftsführender Hauptgesellschafter der Robert Jaeger Rohstoffhandelsgesellschaft mbH in Denklingen, ein Familienunternehmen im Metall- und Elektrorecycling, als Beisitzer wieder in den Landesvorstand der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) gewählt. Auch Wüst, seit 2013 MIT-Landesvorsitzender, wurde bestätigt – mit 100 Prozent.
Dass sein Vorstandskollege es auf den höchsten Posten des Landes geschafft hat, freut Bürger: „Wüst ist jemand, der gut zuhören kann. Aus den Gesprächen mit uns im Vorstand kennt er die Sorgen des Mittelstandes.“ Beschleunigung der Bürokratie: Das sei auch und gerade für die mittelständisch geprägte Wirtschaft in Oberberg nach wie vor ein wichtiges Thema. Und es sei gut, wenn jemand das mit in die Arbeit als Ministerpräsident hineinnehme.
Als die CDU im Jahr 2017 in NRW wieder die Macht übernommen und sie verteilt hatte, war Oberberg ganz vorne dabei. Zwei Ministerposten, ein Fraktionsvorsitz: Mit Herbert Reul inklusive kamen die bergischen Christdemokraten so gut weg wie keine andere Region – und das mit einer klar oberbergischen Note.
Drücken wir es vorsichtig aus: Ein Blick auf das, was seitdem passiert ist, könnte den Schluss nahelegen, dass auch die Region als Ganze davon monetär in besonderem Maße profitiert hat. Viele Förderbescheide wurden unterzeichnet und gerne persönlich auch von nicht aus Oberberg stammenden Ministern überbracht. Manche kamen so oft vorbei, dass sie fast schon als adoptiert gelten konnten. Hinzu kommt die starke Rolle, die Bodo Löttgen vor und nach der Wahl spielte: Nicht jeden Fraktionsvorsitzenden verbindet so eine Nähe und enge Zusammenarbeit mit dem Ministerpräsidenten wie den Nümbrechter und Armin Laschet.
Ändert sich das alles mit dem Wechsel von Laschet zu Hendrik Wüst? Reul und Peter Biesenbach bleiben Minister, Löttgen muss weiter die Mehrheit zusammenhalten. Und rein theoretisch könnte der Münsterländer Wüst noch besser als der Aachener Laschet erahnen, wie wichtig Fördermittel für die Entwicklung des ländlichen Raums sind. Es muss sich also nichts ändern. Zumindest bis zur Wahl im Mai.
Wüst kennt nicht nur die Sorgen des Mittelstandes, sondern auch das Oberbergische. Der neue Ministerpräsident war erst im Juni zu Gast in Engelskirchen. Die Gemeinde war eine von zwölf Kommunen, die den Zuschlag für einen „Fußverkehrscheck“ erhalten hatte. Wüst, da noch Verkehrsminister, hatte die Urkunde an Bürgermeister Dr. Gero Karthaus übergeben. Mit dabei damals: Bodo Löttgen. Der 62-jährige Nümbrechter ist mit dem Hückeswagener Peter Biesenbach als Justizminister auch ein Grund, warum CDU-Ministerpräsidenten wissen, wo Oberberg liegt – egal, ob sie Wüst oder Armin Laschet heißen. Im Sommer 2012 wurde Löttgen als Generalsekretär der NRW-CDU.
Er gilt bei vielen bis heute als Architekt von Armin Laschets Wahlsieg 2017 und – nach dem Wechsel auf den Posten des Vorsitzenden der Landtagsfraktion – als erfolgreicher Organisator der knappen Regierungsmehrheit im Landtag. Auch zuletzt war Löttgen mittendrin – als eine Art Moderator des Übergangs von Laschet zu Wüst. Hätte der Nümbrechter auch mehr sein können, vielleicht sogar Ministerpräsident? Löttgen sagt nur: „Ich bin in einer Position, in der man dazu niemals nie sagen darf.“ Aber: Die Frage habe sich nicht gestellt. Und: „Von Ambitionen allein wird man nicht Ministerpräsident.“
Eine echte Personaldebatte habe es nie gegeben: Man sei gemeinsam der festen Überzeugung, „dass Hendrik Wüst das Zeug dazu hat, das Land zu führen“. Was sich mit Wüst ändert? „Ein paar Personen, mehr nicht“, meint Löttgen . Selbst die Tatsache, dass einige jener Partner wie Christian Lindner, Joachim Stamp oder FDP-Fraktionschef Christoph Rasche, mit denen auch er vor vier Jahren so schnell und erfolgreich verhandelte, jetzt ähnlich geräuschlos in Berlin an der Ampel basteln, will er nicht überbewerten.
„Mache mir keine Illusionen“
„Ich gehe davon aus, dass wir weiter so problemlos regieren wie bisher“, sagt Löttgen. Das heiße nicht, dass es immer problemlos war. Die Unterschiede würden in Richtung Landtagswahl im Mai 2022 sicher zunehmen. Eine Ampel-Koalition in Berlin werde aber keinen Einfluss haben, glaubt er. Ähnlich sieht es Peter Biesenbach: „Ich mache mir keine Illusionen. Ja, die FDP war immer sehr kooperativ, aber eine Koalition ist keine Liebesheirat.“ Wenn es nach der Wahl Optionen gebe, würden die geprüft – wie jetzt in Berlin.
Der 73-Jährige wird 2022 nicht mehr für den Landtag kandidieren, macht aber keinen Hehl daraus, dass er seinen „Traumjob“, wie er das Amt als Justizminister gerne nennt, danach gerne behalten würde – auch unter einem Ministerpräsidenten Hendrik Wüst: „Er ist menschlich einfach sympathisch und fachlich richtig gut.“ Unter ihm, glauben beide, werde sich an der Wahrnehmung Oberbergs in der NRW-CDU nichts ändern – vor allem im bergischen Dreieck mit Herbert Reul, wie Löttgen betont.
Und Armin Laschet? Bodo Löttgen wird nachdenklich. „Wenn man wie ich in den vergangenen zehn Jahren manchmal mehr Zeit mit ihm als mit seiner Frau verbracht hat, dann geht einem dessen Niederlage auch persönlich nahe.“ Bei der Suche nach Gründen spricht er von der „kommunikativen Macht der Bilder“. Das sei keine Medienschelte, betont Löttgen. Aber der Mensch und Politiker Laschet sei nicht so, wie es ausgesehen habe. Und dessen Umgang mit der Niederlage nötige ihm Respekt ab.
Auch Biesenbach, dem nie eine vergleichbare Nähe nachgesagt wurde wie Löttgen, spricht davon, dass es nicht gelungen sei, im Bund zu vermitteln, wie Laschet wirklich sei: „Er ist kein Taktiker der Macht. Sein Wägen, sein Machenlassen, sein Suchen nach der richtigen Lösung ist vielleicht auch wegen der andauernden Krisensituation falsch verstanden worden.“