Wildbergerhütte – Zehn Jahre ist es nun bald her, dass Bürgermeister Rüdiger Gennies an einem Montagabend im Oktober 2012 die damalige nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) am Telefon hatte. Diese teilte dem überraschten Rathauschef mit, dass auf dem Gelände des früheren Munitionsdepots in Wildbergerhütte der Bau einer forensischen Klinik zur Therapie psychisch kranker und suchtkranker Straftäter mit rund 150 Plätzen geplant sei.
Pläne noch nicht vom Tisch
Daraus ist bis heute nichts geworden. Aber vom Tisch sind die Pläne noch immer nicht. In Nordrhein-Westfalen fehlen laut Aussage des Düsseldorfer Gesundheitsministeriums weiterhin Plätze für psychisch kranke Straftäter. Das Land will darum fünf neue forensische Krankenhäuser bauen. In Hörstel (Kreis Steinfurt), also in der der Stadt, in der Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann seinen privaten Wohnsitz hat, wurde im im vergangenen November Richtfest gefeiert. Rund 80 Millionen Euro werden dort investiert. Daneben gibt es Planungen für Neubauten in Bedburg-Hau, Wuppertal und Lünen. Der Landgerichtsbezirk Bonn ist weiterhin unterversorgt.
Das ehemalige Munitionsdepot
Der Streitfall
In der 1979 gegründeten Reichshofkaserne der Bundeswehr nahe Wildbergerhütte war ein Luftwaffenmunitionsdepot untergebracht. Im Dezember 2004 wurde der 55 Hektar große Standort vom Bundesverteidigungsministerium aufgegeben.
Nach Bekanntwerden der Pläne für eine Forensik 2012 bildet sich bald die „Bürgerinitiative Reichshof“, die den Bau verhindern will und rund 9000 Unterschriften für eine Petition sammelt. Bürgermeister, Gemeinderat und Kreistag wollen ebenfalls keine Klinik.
2014 stellt der Kreis das Gelände unter Naturschutz, was eine Bebauung allerdings nicht völlig ausschließt. Im selben Jahr kommt ein vom Ministerium beauftragter Gutachter zu dem Schluss, dass eine Forensik das dortige Vorkommen der Fledermausart Kleines Mausohr nicht gefährden würde. Auch nach dem Regierungswechsel von 2017 hält das NRW-Gesundheitsministerium grundsätzlich an seinen Plänen fest, räumt aber bei der Entwicklung den anderen Standorten Vorrang ein. (tie)
Das Ministerium teilt auf eine aktuelle Anfrage mit, dass die andere Standorte derzeit Priorität haben. „Nach derzeitiger Planung soll die neugebaute Klinik in Hörstel im nächsten Jahr in Betrieb genommen werden. An den Standorten Wuppertal und Lünen gehen wir derzeit von einem Baubeginn im Jahr 2024 aus.“ Unter den seinerzeit untersuchten Standorten im Bonn habe sich das ehemalige Munitionsdepot im äußersten Osten des Landgerichtsbezirks als „die bevorzugte Fläche“ herausgestellt. „An dieser Entscheidung hat sich bisher nichts geändert“, lässt das Ministerium in dieser Woche wissen. Wann eine Umsetzung der Baumaßnahme ansteht, könne man angesichts der laufende Umsetzung der anderen Standorte nicht sagen.
Kapazitäten des Ministeriums sind begrenzt
Auf Nachfrage versichert Ministeriumssprecher Achim Hermes, dass es nicht am mangelnden Bedarf in diesem Landgerichtsbezirk liege. Und auch nicht am hartnäckigen Widerstand der örtlichen Bevölkerung: „In Wuppertal gibt es auch viel Gegenwind.“ Nur seien die planerischen Kapazitäten des Ministeriums eben begrenzt. „Grundsätzlich gilt, dass die Umsetzung von Baumaßnahmen in der Größenordnung, wie sie im 2. Ausbauprogramm vorgesehen sind, einen sehr komplexen Abstimmungs- und Prüfungsprozess voraussetzen.“ So seien baurechtliche, finanzielle und wirtschaftliche Fragen zu klären. Das Ministerium habe vor diesem Hintergrund Baumaßnahmen an denjenigen Standorten vorgezogen, bei denen von einer möglichst zeitnahen Schaffung von dringend benötigten neuen Klinikplätzen auszugehen war. „Darüber hinaus bietet eine sukzessive Umsetzung die Möglichkeit, Entwicklungen der Patientenzahlen zu berücksichtigen.“
Die Gemeinde Reichshof ist die Hängepartie schon lange leid und würde am liebsten mit einer Naturschutzmaßnahme Fakten schaffen. Und zwar ausgerechnet mit Hilfe des Landes. Bürgermeister Rüdiger Gennies hat das Projekt bereits 2019 für eine Landesförderung im Rahmen der Regionale 2025 eingebracht und setzt sich derzeit wieder verstärkt für dessen Erfolg ein: Das ehemalige Luftwaffenmunitionsdepot soll mit den Hinterlassenschaft des Kalten Krieges renaturiert und für Besucher erlebbar gemacht werden. Dazu gehört insbesondere der Rückbau aller dort vorhandenen Gebäude, Straßen, Zäune und Bunkeranlagen. Mit dem sogenannten C-Stempel hat die Regionale-Jury das Konzept als grundsätzlich tragfähig beurteilt.
Abriss soll größere Artenvielfalt auf Fläche ermöglichen
Geplant ist, das Gelände an den Oberbergischen Kreis beziehungsweise die Biologische Station Oberberg zu übereignen. Mit dem Abriss der Anlage soll die Fläche ökologisch aufgewertet werden, um eine größere Artenvielfalt zu ermöglichen. Die Geschichte des Geländes soll allerdings weiterhin vermittelt werden, etwa indem die Bunkeranlage als Ausstellungsort erhalten bleibt und Rundgänge angeboten werden.
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Das Projektvorhaben, schreiben die Reichshofer in ihrem Entwurf, könnte ein Musterbeispiel dafür werden, wie kampfmittelbelastete Areale ökologisch transformiert werden können. Und dies im Verbund mit anderen ehemaligen Standorten der Bundeswehr im Regionale-Projektraum „Bergisches RheinLand“, etwa in Brächen bei Drabenderhöhe oder am Heckberg bei Much. Noch gilt in Wildbergerhütte: Auch wenn die Armee längst abgezogen ist – das Gelände bleibt Kampfgebiet.