Gummersbach – Wenn bei einer Ausstellungseröffnung die Polizei vor der Türe steht, wundert man sich zunächst. Kennt man das Thema und weiß, wer auf der Gästeliste als Schirmherr steht, versteht man zwar die Sicherheitsmaßnahmen. Doch man ist auch betroffen, weil man erkennt, dass Antisemitismus und die Aggression gegen Juden mitten in der Gesellschaft sind, wie am Montagabend in der Technischen Hochschule in Gummersbach mehrfach betont wurde.
In der Bildungsstätte fand die Eröffnung der Anne-Frank-Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ statt. Die Schirmherrschaft hatten Abraham Lehrer und Sylvia Löhrmann. Lehrer ist stellvertretender Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland.
Lehrer und Löhrmann klagen über Antisemitismus
Löhrmann, ehemalige stellvertretende Ministerpräsidentin in NRW, ist Generalsekretärin des Vereins „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Nicht nur die beiden zeichneten ein Bild eines sich ausbreitenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft, das nicht zuletzt Anlass zur Sorge gab.
Abraham Lehrer beklagte in seinem Grußwort, dass 77 Jahre nach der Shoah in den sozialen Medien ein beispielloser Hass auf Juden nachzulesen sei. „Antisemitismus scheint wieder salonfähig zu sein. Er ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, so Lehrer, der auch Vorstand der Synagogengemeinde Köln ist. Die Ausstellung, die Einblicke in das Leben der Anne Frank und deren Zeit erlaube, zeige auch, wo das Verächtlichmachen von Menschen hinführen könne.
Mit Anne Frank erhält die Shoah ein Gesicht
Sylvia Löhrmann hob hervor, dass Anne Frank in der Ausstellung für junge Menschen nahbar sei, das Verbrechen erhalte ein Gesicht. Umso wichtiger sei es, eine Erinnerungskultur zu pflegen, auch wenn die Menschen wie Anne Frank schon lange tot seien.
„Unerträglich“ findet es Löhrmann, wenn sich heute Corona-Leugner mit Anne Frank oder Sophie Scholl vergleichen würden. Sie wollten suggerieren, dass es keinen Unterschied zwischen einer Diktatur und einer Demokratie gebe.
Auf Initiative des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln und des katholischen Bildungswerks im Oberbergischen war die Wanderausstellung nach Gummersbach geholt worden. Norbert Michels, Geschäftsführer des Diözesanrats, betonte eingangs, es sei wichtiger denn je, dem Antisemitismus die Stirn zu bieten. Sylvia Löhrmann und Abraham Lehrer würden mit ihrer Schirmherrschaft ein wichtiges Zeichen setzen.
Christian Kohls, Dekan des Campus Gummersbach, sagte, dass das tägliche sich Beschäftigen mit der Ausstellung auch für die Studierenden und Lehrenden der TH wichtig und richtig sei. So gesehen sei sie auch eine Einladung, aufeinander zuzugehen und in den Dialog zu kommen. „Wir möchten uns als offene Hochschule zeigen“, betonte der Dekan. Weihbischof Ansgar Puff, Bischofsvikar für den Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln, sagte, es müsse Ziel sein, mit der Ausstellung sensibel dafür zu machen, zu erkennen, wo Menschen ausgegrenzt würden.
Die Ausstellung ist bis zum 17. November zu sehen und wird von einem Rahmenprogramm begleitet. Weiter Informationen sind auf der Homepage des Diözesanrates zu finden.
Entwickelt mit dem Anne-Frank-Haus, Amsterdam
„Deine Anne“ wurde gemeinsam vom Anne-Frank-Haus in Amsterdam und dem Anne-Frank-Zentrum in Berlin entwickelt. Sie erzählt in elf Stationen mit bisher unveröffentlichten Fotos und Dokumenten das Leben von Anne Frank und ihrer Zeit.
Die Ausstellung verbindet auf großen Leinwänden die persönliche Geschichte von Anne Frank und ihrer Familie mit der Geschichte der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus, der Judenverfolgung, des Holocausts und des Zweiten Weltkriegs. Neben der Perspektive der Verfolgten und ihrer Helfer wird die Perspektive von Mitläufern und Tätern dargestellt.
Audiozitate würdigen Anne Frank als Tagebuchschreiberin und Chronistin ihrer Zeit. Sie ermöglichen ein Nachdenken über die Parallelen und Unterschiede zwischen gestern und heute. Anmeldungen zu Klassen-, Kurs- und Gruppenführungen müssen per Mail an Bernhard Wundergerichtet werden. (r)