An vielen Orten gibt es die Möglichkeit, die Fußball-EM im Rudel zu gucken. Wir waren beim Auftakt in Gummersbach und Wipperfürth dabei.
Public ViewingWo in Oberberg der Fußball zu einer Riesen-Party wird
„Deutschland!“, „Deutschland!“, „Deutschland natürlich!“: Die Euphorie und der Optimismus ist am Freitagabend in Gummersbach riesengroß. Und die Antwort, wer Fußball-Europameister 2024 wird, eindeutig. Nur selten und dann auch nur mit der Einschränkung, dass es für Deutschland eher unglücklich gelaufen sein muss, werden Frankreich oder Spanien als Titelanwärter genannt, was von den Umstehenden prompt heftig dementiert wird.
In Gummersbach sind die meisten Fans vom Anpfiff an siegessicher
Die Menschen, die sich zum Auftaktspiel gegen Schottland auf dem Steinmüllergelände vor dem Kinocenter Seven versammelt haben, um dieses auf der fünfmal drei Meter großen Leinwand zu verfolgen, haben also Lust auf guten Fußball und bringen das nötige Selbstbewusstsein mit. Und das wächst im Laufe des Spiels noch an. Während sich vor dem Spiel die meisten Fans etwa Tim Polkes Prognose eines 2:0-Siegs für Deutschland anschließen, sieht das 20 Minuten nach Anpfiff schon anders aus.
So geht es auch Jan Grube. „Dann gewinnt Deutschland jetzt bestimmt mit drei oder vier Toren Vorsprung“, spekuliert er, während Johannes Renkawitz ergänzt: „Sie fangen sich aber auf jeden Fall auch ein Gegentor. Das passiert immer.“ Ihr Kumpel Noah Beck freut sich vor allem über das erste Tor von Florian Wirtz, dessen Nummer er stolz auf dem Rücken trägt. Er ist einer der wenigen mit pinkfarbenem Trikot, die meisten sind noch im weißen Dress unterwegs, aber auch diese Trikots verschwinden mit voranschreitendem Abend und sinkender Temperatur unter Jacken. Gut, dass man sich bei so vielen Toren warmjubeln kann.
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Einziger Wermutstropfen für Jan und seine Freunde an diesem Abend: Die Hälfte der Freundesgruppe steht noch draußen und wartet auf Einlass. Denn der auf dem Steinmüllergelände aufgebaute Biergarten, inklusive zweier Zelte und mehrerer Essens- und Getränkestände, bietet 500 Personen Platz. Dieses Limit ist bereits um kurz nach acht erreicht. Kein Wunder, denn die meisten der Anwesenden können oder wollen sich die teuren Stadiontickets nicht leisten, und die drei Organisatoren Timo Bay vom Nachtclub B1 sowie Frank Hewel und Mike Bierögel vom Restaurant „Kunstwerk“ bieten bei freiem Eintritt und den moderaten Preisen an den Ständen einen guten Kompromiss, das Spiel mit Stadionatmosphäre verfolgen zu können. „Wir haben auf viele Menschen gehofft, aber mit so einem Andrang haben wir dann doch nicht gerechnet – und dann dazu diese Bombenstimmung“, schwärmt Bierögel.
Wer nicht im Gummersbach reserviert hat, muss eine lange Wartezeit in Kauf nehmen
Wer nicht zuvor reserviert hat, muss ab kurz nach acht in einer meterlangen Schlange vor dem Areal warten, bis wieder ein Platz frei wird. Aber bei einem 5:1-Sieg, verlassen nur die wenigstens die Party vorzeitig. Party begleitet jede gute Aktion der Bundeskicker auf der Leinwand und auch außerhalb der Spielminuten, ansonsten wird mit dem Anpfiff mitgefiebert, debattiert und kommentiert. Dabei konzentrieren sich die Fans immer auf das Positive.
Die rote Karte gegen den Schotten Ryan Porteous und das deutsche Eigentor von Antonio Rüdiger entlockt ihnen kaum eine Reaktion, lieber werden die fünf eigenen Tore oder bei der Auswechslungen die Leistungen von Havertz, Wirtz und Co. gefeiert.
Und auch Sinasi Ucar, Einsatzleiter der Schutzschild-Bewachungsgesellschaft, der mit seinem neunköpfigen Team das große Aufgebot der Polizei und des Gummersbacher Ordnungsamts unterstützt, zieht am Ende seiner Schicht ein positives Fazit: „Alles ruhig, keine Zwischenfälle. Das haben die Menschen hier super hingekriegt.“
Auch in Wipperfürths Alter Drahtzieherei ist die Stimmung ist groß, kein Wunder. Denn immerhin legt die deutsche Nationalmannschaft einen echten Traumstart hin – besser geht‘s fast nicht, finden auch dort die rund 350 Fans, die zum Rudelgucken in die Drahte gekommen sind. So etwa auch Jonah und seine nicht ganz elf Freunde, die in voller Fan-Montur samt Pittermännchen zur Stimmbandbefeuchtung erschienen sind.
„Natürlich wird Deutschland Europameister“, sind sie sich einig, die Fahne wird geschwenkt und bei jeder gelungenen Aktion brechen sie zusammen mit den anderen Fans in der Halle in begeisterten Jubel aus. So geht echte Fan-Begeisterung! Und man ist geneigt, dem zwischendurch ausgerufenen Kommentar einer anderen Besucherin absolut zuzustimmen: „So macht das doch Spaß!“ Stolze 50 Quadratmeter misst die Leinwand dort.
Als das 4:0 fällt, geht in der Drahte ein Blitzlichtgewitter los, schallt der Refrain von „Major Tom“ aus den Boxen und die Fans liegen sich in den Armen – ein schönes Bild! Bleibt zu hoffen, dass das spielerische Niveau der Elf von Julian Nagelsmann auch in den weiteren Gruppenspielen gehalten werden kann.
So geht's weiter in Gummersbach und Wipperfürth
Die beiden weiteren Vorrundenspiele gegen Ungarn und die Schweiz am Mittwoch, 19. Juni, ab 18 Uhr, und am Sonntag, 23. Juni, ab 21 Uhr, können Fans übrigens wieder in der Alten Drahtzieherei auf der Großleinwand ansehen. Auf dass es nicht an der mangelnden Begeisterung für diese – hoffentlich – Neuauflage des WM-Sommermärchens von 2006 scheitern möge! In der Kreisstadt sind alle EM-Spiele im Biergarten auf dem Steinmüllergelände zu sehen, geöffnet ist dieser täglich von 13 bis 24 Uhr.