Oberberg – Zum Monatsende geht Prof. Lothar Scheuer (66) nach mehr als 30 Jahren beim Aggerverband in den Ruhestand. Reiner Thies traf sich mit ihm zum Abschlussgespräch auf ein Glas Wasser.
Trinken Sie selbst gern Wasser aus der Leitung?Natürlich. Zu Hause sprudele ich es aber auf und stelle es in den Kühlschrank.
Und können Sie unser Wasser von anderen am Geschmack unterscheiden?Die Qualität des Trinkwassers ist überall in Deutschland gut und muss ja auch den Vorschriften entsprechen. Man schmeckt aber schon sehr deutlich, über welche Gesteine es gekommen ist. Unser Wasser ist ja sehr weich. Wenn man sehr hartes Wasser hat, etwa auf der Schwäbischen Alb, spürt man das auch beim Händewaschen, weil man viel mehr Seife braucht, bis es schäumt. Wir müssen unser Wasser sogar etwas „aufhärten“. Der PH-Wert wird bei der Aufbereitung mit Kohlensäure und Kalkmilch eingestellt, weil sonst in den Rohrleitungen die Gefahr von Korrosion oder Ablagerungen besteht.
Schwimmen Sie gern in den Talsperren?Das kam früher häufiger vor, als ich noch an der Aggertalsperre gejoggt bin und mich hinterher abgekühlt habe. Wir haben dort ja schöne Badestellen im Strandbad Bruch und am Jugendzeltplatz.
Der Aggerverband und sein Chef
400 Mitarbeiter, 68 Millionen Euro
Lothar Scheuer wurde 1956 geboren und wuchs in Aachen auf. Dort studierte er Bauingenieurwesen. Seit 1988 ist er beim Aggerverband beschäftigt, zunächst als stellvertretender Geschäftsführer und von 1993 an als stellvertretender Vorstand und Technischer Leiter. Seit 2011 steht Lothar Scheuer an der Spitze des Verbands. Seit 1992 arbeitet er zudem als Dozent und seit 2005 als Honorarprofessor für die Technische Hochschule (früher Fachhochschule) Köln in Deutz.
Der Aggerverband kümmert sich um die Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet von Agger, Sülz und Bröl sowie Teile der Einzugsgebiete von Wiehl, Wisser und Holpe. Das Verbandsgebiet umfasst 1100 Quadratkilometer in fünf Landkreisen. Darin finden sich Flussläufe von insgesamt 3000 Kilometern Länge, 30 Kläranlagen, zwei Wasserwerke, drei Talsperren und vier Stauweiher. Der Aggerverband beschäftigt 400 Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von 68 Millionen Euro. Verbandsmitglieder sind die 24 Städte und Gemeinden sowie fünf Kreise im Verbandsgebiet, zehn Wasserversorgungsunternehmen und 54 gewerbliche und sonstige Unternehmen. (tie)
Duschen Sie jetzt seltener oder kürzer, um Wasser und Gas zu sparen?Das tägliche Duschen gehört ja bei uns zur Kultur. Ich kann mich allerdings noch an Zeiten erinnern, als das anders war. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann empfiehlt deshalb ja auch den Waschlappen. Aber man kann auch einfach eine Minute kürzer duschen. Und die Heizung um ein paar Grad runterdrehen. Wir haben zu Hause unsere Heizungsanlage durchchecken lassen und die Temperatur des Warmwassers abgesenkt. Wichtig ist, dass man einmal in der Woche ein Legionellenprogramm laufen lässt, also mit einem kurzzeitigen Aufheizen auf 70 Grad die Bakterien abtötet.
Ist es überhaupt sinnvoll, im normalerweise regenreichen Oberberg Wasser zu sparen?Wir haben in unseren Talsperren noch genügend Reserven aus dem vergangenen Winter. Dennoch sollte man sorgsam mit dem Wasser umgehen, das haben wir immer propagiert. Als ich 1988 angefangen habe, gingen die Voraussagen dahin, dass ein Mensch im Durchschnitt 220 Liter Wasser pro Tag verbraucht. Heute sind es tatsächlich nur etwa 130 Liter. Wenn der Gesellschaft solche Einsparungen auch bei der Energie gelingen würden, wäre viel erreicht. Bei unseren Planungen kommt es auf die Bevölkerungsentwicklung an. Weil sich frühere demografische Prognosen nicht bestätigt haben, können wir nur auf Sicht fahren, also für zehn Jahre voraus planen. Wegen des Klimawandels, also weil beispielsweise mehr Wasser für die Gartenbewässerung eingesetzt wurde, sind die Verbräuche zuletzt wieder gestiegen.
Bereitet der Klimawandel dem Wasserwirtschaftler Scheuer Sorgen?Der Klimawandel hat bei uns ein Datum: Das verheerende Hochwasser vom 3. Mai 2001 hat gezeigt, was passiert, wenn ein Tiefdruckgebiet lange über einer Region bleibt und Starkregen auf nassen Boden fällt. Wir hatten seitdem immer wieder lokale Hochwasserereignisse. An 2001 musste ich auch denken, als wir vor einem Jahr wieder eine Flut hatten. Weil wir nach 2001 ein Kataster der kritischen Verrohrungen aufgebaut haben, konnten wir diesmal schnell reagieren und Verstopfungen vermeiden. Wir können als Aggerverband wenig gegen den Klimawandel tun, wir müssen uns um die Klimaanpassung kümmern. Das ist zu schaffen, aber wir müssen uns anstrengen.
Wie kann sich die Wasserwirtschaft an den Klimawandel anpassen?Da geht es beispielsweise darum, die Betriebspläne der Talsperren neu zu regeln, damit wir den Wechsel von Hochwasserphasen zu Dürrezeiten besser hinbekommen. Eine Talsperre ist ja kein Auto, das sofort reagiert, wenn man auf die Bremse tritt. Wir brauchen neue Retentionsräume, in denen die Flüsse bei Hochwasser Platz zur Ausbreitung finden. Und neue Kriterien bei der Bauleitplanung. Wir siedeln seit tausend Jahren in den Flussauen und werden es auch weiterhin tun. Man muss nur bedenken, dass das Wasser kommen kann. Für die Trinkwassernotversorgung wird der Verband die Vorrichtungen an der Aggertalsperre reaktivieren. Da gibt es noch Pfeile im Köcher.
Hätte der Aggerverband früher gegensteuern müssen?Es ist immer die Frage, welche Bedeutung man den Problemen zumisst. Heute gibt es in der Politik eine ganz andere Aufmerksamkeit und eine andere Bereitschaft, Geld zur Verfügung zu stellen. Diesen Schub müssen wir nutzen, denn die Menschheit hat noch andere Probleme.
Hat der Wissenschaftler Scheuer mit dem Verbandsbürokraten Scheuer innere Kämpfe austragen müssen?Nein, denn ich weiß: Die Wissenschaft hat einen gesellschaftlichen Auftrag. Die Fachhochschule war für mich die Möglichkeit, den Kontakt zur Forschung zu halten. Und ich habe im Aggerverband dafür gesorgt, dass sich auch die Kollegen darum kümmern. Agger- und Wiehltalsperre gehörten zu den ersten in NRW mit einer automatischen Überwachung. Herausragend waren auch unsere Fortschritte bei der Steuerung der Kläranlagen mit Künstlicher Intelligenz. Ich habe immer gesagt: Probiert mal was Neues aus! Und da gibt es noch viele offene Fragen, etwa zum Umgang mit Mikroplastik im Wasser.
Sollte Ihr Nachfolger wieder ein Ingenieur werden oder doch besser wieder ein Jurist wie Ihr Vorgänger Michael Richter?Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass beim Wupperverband unter der Leitung eines Nicht-Ingenieurs auch viel angeschoben wurde. Es kommt auf das Team an. Allerdings wird in der Stellenausschreibung ein Ingenieur bevorzugt gesucht.
Der Aggerverband wurde 1923 als Aggertalsperrengenossenschaft gegründet und ist heute der einzige Wasserwirtschaftsverband in Nordrhein-Westfalen, der alle Aufgaben rund um das Thema Wasser übernimmt. Das Verbandsgebiet umfasst 1100 Quadratkilometer in fünf Landkreisen. Gibt es eine Grenze des Wachstums? Oder ist der Aggerverband eine runde Sache?Wir machen alles: Trinkwasseraufbereitung, Abwasserentsorgung und flächendeckende Gewässerunterhaltung. Dazu könnten jetzt noch Aufgaben im Hochwasserschutz kommen, die bei den Kommunen liegen. Aber sonst ist es schon eine runde Sache. Ein noch größeres Verbandsgebiet führt nur zu längeren Wegen. Wir arbeiten bereits mit den Nachbarverbänden eng zusammen, etwa im Einkauf und bei der IT.
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Was machen Sie im Ruhestand? Bleiben Sie Oberberg erhalten?Wir haben ja erst vor sieben Jahren in Gummersbach neu gebaut. Ich bin aus Aachen, meine Frau ist Kölnerin, aber viele unserer Freunde leben hier. Meine Tätigkeit an der Hochschule in Deutz werde ich noch ein paar Jahre fortsetzen. Und mir wurden schon einige Ehrenämter angetragen. Aber erst einmal werde ich abtauchen. Wir besuchen meinen Sohn und seine Familie in San Francisco. Danach freue ich mich über mehr Zeit für meine Hobbys. Meine Frau und ich tanzen Tango. Und ich spiele Golf. Aber dafür habe ich in diesem Jahr noch kein einziges Mal Zeit gefunden.