- Auch im Oberbergischen ist die Angst vor dem Coronavirus angekommen.
- Der Kreis hat sich deswegen auf einen größeren Ausbruch vorbereitet.
- Zahlreiche Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Menschen im Kreis zu schützen und Patienten schnell zu behandeln.
Oberberg – In immer mehr Ländern werden durch den Coronavirus an der Lungenkrankheit Covid-19 Erkrankte identifiziert. 16 Fälle gibt es bislang in Deutschland.
Auch der Oberbergische Kreis hat sich auf einen größeren Ausbruch vorbereitet: Seit Mitte Januar ist man im Alarmzustand. Kliniken wurden aufgefordert, ihre Seuchenalarmpläne zu aktivieren, das Kreisgesundheitsamt hat eine Rund-um-die Uhr-Bereitschaft eingerichtet. Mehrmals am Tag gehen Informationen über die aktuellste Infektionslage und über mögliche neue Risikogebiete ein. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ECDC), das Berliner Robert-Koch-Institut und das Landeszentrum Gesundheit NRW ist der Kreis Teil einer Melde- und Informationskette, die von hier aus weiterführt in die Krankenhäuser, Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen.
Kliniken halten bis zu 30 Isolierbetten bereit
Die Beurteilung, ob die gemeldeten Symptome eines Patienten tatsächlich zu einem Verdachtsfall passen, obliegt dem Kreis. Anhand von Reise- und Kontaktangaben sowie von Kartenmaterial der Risikogebiete wird entschieden. War die Person jüngst in China? Hat sie Symptome von Covid-19? Oder hatte sie Kontakt mit Personen, die Symptome haben oder hatten?
Könnte es sich um einen Corona-Verdachtsfall handeln, zieht der Kreis den Fall an sich. Der Rettungsdienst rückt aus, um den Patienten abzuholen. Die Besatzung trägt Schutzkleidung, Mundschutz und Schutzbrillen. Der Patient wird ins Krankenhaus gebracht und über schon vor Wochen festgelegte Wege dort in eines der Isolierzimmer gebracht. Bis zu 30 Isolierbetten halten die Kliniken bereits vor. Das Personal sei auf den Umgang mit isolierten Patienten und deren Zimmern geschult, sagt Kaija Elvermann, die Leiterin des Kreisgesundheitsamts. Im Krankenhaus wird beim Patienten ein Rachenabstrich gemacht und per Bote in eines der Labore in Bonn, Köln und Düsseldorf gebracht.
Influenza
Auch ohne, dass Covid 19 Oberberg erreicht hat, hält eine Viruserkrankung den Medizinbetrieb derzeit auf Trab: Influenza. Seit vergangenem Donnerstag wurden allein 60 Fälle im Krankenhaus Gummersbach behandelt – Tendenz wegen Karneval steigend.
Mit grippalen Symptomen meldeten sich 36 Mitarbeiter krank, die Station 8.2. wird wegen erkrankter Mitarbeiter voraussichtlich bis Rosenmontag geschlossen bleiben. Das Krankenhaus bittet, unnötige Besuche bei Patienten zu vermeiden und keine Kinder mitzubringen. (kn)
Dass der Kreis bei Corona nicht mit Hinweisen und Bitten agiert, sondern mit Anweisungen, wie Verdachtsfälle zu identifizieren und wie mit ihnen umgegangen werden muss, zeigt, wie ernst die Gefahr genommen wird, dass die Corona-Pandemie auch Oberberg erreichen könnte.
Hausarztpraxen nicht auf Notfall vorbereitet
Seit 1. Februar gilt eine gesetzliche Meldepflicht, Hausärzte müssen mögliche Verdachtsfälle sofort dem Kreis melden. Der Kreis sieht sich gut aufgestellt für die aktuelle Gefährdungslage. Aber reicht das, wenn die Pandemie, also die Länder und Kontinente übergreifende Ausbreitung der Krankheit, tatsächlich auch Oberberg erreicht?
Der Hausärzteverband Oberberg hat daran Zweifel. Für die aktuelle Lage seien die Maßnahmen wohl ausreichend, meinte der Gummersbacher Mediziner Dr. Ralph Krolewski (Grüne) am Mittwoch im Kreisgesundheitsausschuss, im Fall einer tatsächlichen Epidemie im Kreis seien sie aber völlig unzureichend. Vor allem die Hausarzt- und Notfallpraxen seien nicht darauf vorbereitet, dabei komme es hier bei Infektionskrankheiten zu 40 Prozent der Übertragungen.
Atemschutzmasken
„Fast schon wie Gold“ würden Atemschutzmasken derzeit gehandelt, hat die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes Kaija Elvermann feststellen müssen. Der Oberbergische Kreis hat seine Vorräte an Schutzkleidung für das medizinische Personal aufgestockt. Auch die speziellen Atemschutzmasken konnten noch beschafft werden – zu deutlich höheren Preisen. Die Masken für das medizinische Personal schützten ihre Träger vor dem Einatmen von Viren.
Falls noch erhältlich verhinderten die im freien Verkauf erhältlichen Masken die Verbreitung von Viren beim Ausatmen, schützten den Träger aber nicht vor Ansteckung. (kn)
Krolewski erinnerte an die Lage in den Wartezimmern, wenn wie aktuell zu Influenza-Zeiten 10 bis 15 Leute dort warten. Die WHO fordere zu Recht, dass schon vor dem Betreten von Gesundheitseinrichtungen die Einschätzung erfolgen müsse, ob es sich bei dem Kranken um einen möglichen Covid-19-Fall handeln könnte. Die 160 Hausarztpraxen im Kreis seien darauf nicht vorbereitet, so Krolewski. Die Notfallpraxen der Hausärzte in den Krankenhäusern auch nicht. Dort müssten die Wartebereiche entzerrt, die Bestuhlung und die Lüftungsanlage verändert werden, um eine Ausbreitung von Viren zu verhindern: „Die Alarmglocken müssen schrillen, wir müssen uns vorbereiten auf eine Epidemie.“
Gemischte Meinung bei Politikern und Ärzten
Unterstützung bekam er von Dr. Roland Adelmann (SPD), Chefarzt der Kinderklinik am Gummersbacher Krankenhaus. Auch er sieht in der Enge der Notfallpraxen ein Problem. Larissa Gebser (CDU) warnte vor Panikmache und rief zu „epidemiologischer Ehrlichkeit“ auf. Koalitionskollegin Ina Albowitz-Freytag (FDP/FWO/ DU) bekannte dagegen, Corona mache ihr Angst. Sie fragte nach der Einrichtung von Schwerpunktkrankenhäusern und einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit – „um den Menschen zu sagen, dass wir uns kümmern“.
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Amtsärztin Elvermann ist zuversichtlich, die Lage auch im Falle einer Eskalation beherrschen zu können. Dann verfüge man über weitere Mittel. So könnten in Kliniken ganze Bereiche zu Isolierstationen umfunktioniert werden.
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