Immer wieder beklagten sich in den vergangenen Wochen Gläubige aus dem Oberbergischen über zu niedrige Temperaturen in den Kirchen.
Bibbern im GotteshausGemeinden drehen in den Kirchen die Heizungen runter und sparen viel Geld
Bibbern auf der Kirchenbank? Die Energiekrise ist Vergangenheit, aber auch die Zeiten, als in muckelig warmen Gotteshäusern bei Wohnzimmertemperatur gebetet wurde. Daran lässt Kreisdechant Christoph Bersch keinen Zweifel und kritisiert eine „verbreitete Sofamentalität“. „Unsere Kirchen sind seelisch ganz warme Räume, denn da begegnen wir Gott“, betont der katholische Geistliche. Aber hilft das auch, wenn draußen Minusgrade herrschen und drinnen in der Kirche das Thermometer gerade mal auf elf Grad klettert?
Immer wieder beklagten sich in den vergangenen Wochen Gläubige über zu niedrige Temperaturen im Gotteshaus, erzählt Pfarrer Tobias Zöller, verantwortlich für den Sendungsraum Süd mit Waldbröl, Nümbrecht und Schönenbach. Schließlich stellte er in einem Proklamandum, das im Anschluss an die Gottesdienste verlesen wurde, den Sachverhalt klar. „Die Entscheidung über die Dauer und die Temperatur, mit der die Kirche geheizt werden, obliegt dem Pfarrer als Hausherrn“, heißt es darin. „Der Kirchenvorstand wurde darüber informiert, ist hier aber nicht in der Verantwortung.“
Maßnahme, in Kirchen weniger zu heizen, kommt vom Erzbistum
„Vom Erzbistum Köln kommt sogar die Maßgabe, die Kirchen möglichst gar nicht zu heizen“, erklärt Dechant Bersch, als Pfarrer auch zuständig ist für den Sendungsraum Oberberg Mitte und Engelskirchen. „Der Kölner Dom wird zum Beispiel überhaupt nicht geheizt.“ Weil das den Pfarrern des Oberbergischen Kreisdekanats aber dann doch allzu krass erschien, einigten sie sich auf 11 bis 13 Grad, jedenfalls in Kirchen, die wöchentlich genutzt werden.
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„Ein Kompromiss. Im vergangenen Jahr waren es nur 10 Grad, wir haben also sogar etwas erhöht“, sagt Bersch, und er zählt eine Reihe von Gründen auf, es bei dieser Temperatur zu belassen. „Wir wollen vor allem mit den vorhandenen Ressourcen ökologisch verantwortlich umgehen, und die Kirchen zu heizen ist ein sehr teures Vergnügen. Die Fenster zum Beispiel sind nicht dreifach verglast und entsprechen nicht heutigen energetischen Ansprüchen.“
Pfarrer Zöller kann das nur bestätigen: „In der 800 Jahre alten Morsbacher Kirche Sankt Gertrud ist überhaupt keine Heizung vorgesehen. Wenn wir die Temperatur nur um drei bis vier Grad senken, sinkt der Energieverbrauch um fast ein Drittel.“ Das eingesparte Geld könne man in die Seelsorge investieren.
Kirchen: Sorge um Energieengpässe ist Ursprung niedriger Temperaturen
Auch für Michael Braun, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger, sind das überzeugende Argumente. „Die Idee ist 2022 entstanden, ausgelöst durch den Ukrainekrieg und die Sorge um die Energieengpässe“, erinnert er. „Wir führen sie fort aus Verantwortung gegenüber die Umwelt und der Schöpfung. Wie dabei verfahren wird, entscheidet das jeweilige Presbyterium. Allerdings findet, wer friert und mit den Zähnen klappert, nicht zur Andacht“, räumt der Superintendent ein.
Weil aber in den Kirchen eine Umrüstung zum Beispiel auf Wärmepumpen keinen Sinn mache, hätten viele Gemeinden in Oberberg die alte Tradition der „Winterkirche“ aufgenommen. Wurde früher ein Seitenschiff der Kirche abgetrennt und beheizt, so fänden heute viele Gottesdienste in den Wintermonaten komplett in den jeweiligen Gemeindehäusern statt. „Die sind durchgehend geheizt, weil sie vielfältig etwa durch Gruppen und Chorproben genutzt werden.“ So zum Beispiel in Wiehl.
Da fand an Silvester der letzte Gottesdienst in der Kirche selbst statt, danach bleibt die Heizung abgestellt bis Karfreitag, informiert Pfarrerin Judith Krüger. „Der Gottesdienst findet im Gemeindezentrum gegenüber statt. Allerdings bleibt die Kirche offen, wer sie nutzen will, muss die Kälte in Kauf nehmen.“ Den Orgeln schade die Kälte nicht, ergänzt Braun, im Gegenteil, den Instrumenten machten Temperaturschwankungen mehr zu schaffen.
Gottesdienst im Gemeindehaus ist für Dechant Bersch höchstens eine Ausnahme, wenn die Kirche selbst gar nicht zu nutzen sei: Sonst gehöre er ins Gotteshaus mit dem geweihten Altar, sagt er. Gegen die Kälte lägen in vielen Kirchen Decken bereit, und wer vier Stunden lang im Rheinenergiestadion singen könne, der halte auch sicher eine einstündige Messe aus, „mit dickem Schal, langer Unterhose und zwei paar Socken“, rät er schmunzelnd – aus eigener Erfahrung: „Das Messgewand ist ja kein Wintermantel aus Schurwolle!“