AboAbonnieren

VfL Gummersbach im Jahr 2019Die Handballer suchen den Weg zurück ins Oberhaus

Lesezeit 7 Minuten

Beim Abstieg in die Zweite Liga sind viele Tränen geflossen.

  1. Die Gummersbacher waren über Jahre die erfolgreichste Vereinsmannschaft der Welt.
  2. Auf den Abstieg im Juni 2019 folgte eine Jetzt-erst-recht Stimmung bei Mannschaft und Fans.
  3. Wer ist der neue Trainer? Und wie gelingen die ersten Schritte in der zweiten Liga?

Gummersbach – Am Sonntag, 9. Juni 2019, steigen die Handballer des VfL Gummersbach zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Zweite Liga ab. Seit der Gründung vor 53 Jahren hatten die Gummersbacher als einziges Team ohne Unterbrechung in der Bundesliga gespielt, waren über Jahre hinweg die erfolgreichste Vereinsmeisterschaft der Welt und haben noch heute einen großen Namen.

Wie reagieren die Fans des VfL Gummersbach?

Auf die Trauer nach dem Abpfiff in Bietigheim folgte die Jetzt-erst-recht-Stimmung nicht nur bei der Mannschaft, sondern vor allem auch bei den Fans.

Mit weit über 1400 verkauften Dauerkarten meldet der VfL einen neuen Rekord, die Besucher strömen in die Schwalbe-Arena, in der die VfL Handballer bis zum Jahreswechsel nur einen Punkt abgeben.

Was sagt der Trainer zu der Entwicklung?

Auswärts wünscht sich Trainer Torge Greve für das neue Jahr aber mehr Konstanz, denn in fremden Hallen wurden die Gummersbacher ihrer Favoritenrolle oft nicht gerecht. Zudem gewannen sie gegen keins der Spitzenteams der Liga, gegen die sie bis auf Essen alle auswärts antraten.

Wie kam der VfL in die Abstiegsnöte?

Nach der Wintervorbereitung ging der damalige VfL-Trainer Denis Bahtijarevic mit einem guten Gefühl in die Rückrunde. Dabei hatte in der WM-Pause neben den Langzeitverletzten Drago Vukovic und Luis Villgrattner auch noch Spielmacher Pouya Norouzi pausieren müssen. Im ersten Spiel des Jahres erwarteten die Gummersbacher den Tabellenletzten, die Eulen Ludwigshafen.

Zwei Punkte sind mit Blick auf den Heimbonus eigentlich fest eingeplant. Zumal die VfL-Handballer bei den Eulen mit 27:26 den bis dahin einzigen Auswärtssieg der Saison feierten. Doch es kam anders. Zur Pause lagen die Gummersbacher mit 5:12 zurück und wurden von Pfiffen in die Kabine begleitet. Dass am Ende doch noch ein 20:20 stand, sorgte bei den Gummersbachern nicht dafür, das Selbstvertrauen für den Abstiegskampf zu stärken.

Dass es am Ende der Saison dann ausgerechnet die Ludwigshafener waren, die vom 25:25 zwischen Bietigheim und Gummersbach profitierten, ist wohl so etwas wie die Ironie des Schicksals. Mit einem Tor mehr hielt Ludwigshafen die Klasse, während die beiden anderen Vereine abstiegen.

Warum musste Bahtijarevic gehen?

Das Spiel gegen den Tabellenletzten zeigte Wirkung, Neuverpflichtungen schloss VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler mit Blick auf die weiterhin angespannte finanzielle Situation aus. Die Niederlagen reihten sich aneinander, und als die Bietigheimer Ludwigshafen Ende Februar mit 27:18 im Kellerduell besiegten, betrug der Abstand des VfL auf den ersten Abstiegsplatz nur noch einen Punkt. Als die Gummersbacher kurz darauf eine 18:28-Klatsche gegen den Tabellennachbarn DHfK Leipzig einsteckten, musste Trainer Bahtijarevic gehen.

Wer ist der neue Trainer auf der Bank?

Sein Nachfolger ist Torge Greve, der vom Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau kam. Den hatte er zuvor sieben Jahre lang trainiert. Er gehe nicht blauäugig an die Aufgabe heran, sehe im Traineramt beim VfL aber „mehr Chance als Risiko“, sagte Greve bei seiner Vorstellung. Bei seinem Debüt auf der Trainerbank unterlag der VfL mit 20:25 gegen GWD Minden.

Wie kam es zum Showdown gegen Bietigheim?

Hoffnung kam auf, als die Gummersbacher Ende März mit 28:23 überraschend gegen die Rhein-Neckar Löwen gewannen. Mitte April kam die Nachricht, dass der VfL die Lizenz für die Bundesliga nur unter der Auflage bekommen würde, dass eine Liquiditätslücke geschlossen wird. Das war wenige Tage später der Fall. Doch die Niederlagenserie ging weiter. Erst am 11. Mai sagte der Trainer nach dem 25:19-Erfolg gegen den TBV Lemgo, dass seine Mannschaft ein „Lebenszeichen“ gesendet habe.

Gespenstige Stille herrschte dagegen nach dem Abpfiff des letzten Heimspiels, das der VfL gegen Frisch Auf Göppingen verlor und nachdem klar war, dass alles auf einen Showdown in Bietigheim hinauslief. Da die Ludwigshafener nach ihrem 29:26-Erfolg beim Nachbarn Rhein-Neckar Löwen dank ihres guten Torverhältnisses auch wieder im Spiel waren, machte den letzten Spieltag zu einer echten Zitterpartie. Erst kurz vor dem Spiel war klar, dass der VfL auch eine Lizenz für die Zweite Liga bekommt. Bis zum Schluss wurde um die finanziellen Rahmenbedingungen gerungen. Die Sparkasse Gummersbach spendierte 150 Fanfahrten nach Bietigheim, um die Mannschaft im Abstiegskampf zu unterstützen. Es half alles nichts, am Ende stand der Abstieg in Bietigheim. „Wir sind nicht heute abgestiegen. Die Punkte haben wir woanders liegengelassen“, hatte sich kurz nach dem Spiel VfL-Handballer Tobias Schröter als einer der ersten gefasst. Nur 14 Punkte hatten die Gummersbacher geholt - wie Ludwigshafen und Bietigheim.

Wie ging es nach der Sommerpause weiter?

Sechs Wochen später war von Abstiegsblues in Gummersbach kaum noch eine Spur. Rund 700 Fans waren in die Schwalbe-Arena gekommen, um dem ersten öffentlichen Training der Mannschaft beizuwohnen. Vor allem jeder von Filip Ivic gehaltene Ball wurde bejubelt. Auf dem Torhüter, der von Kielce gekommen ist, ruhen große Hoffnungen. Der Wiederaufstieg ist das erklärte Ziel von VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler, der dafür zwei Jahre ausgegeben hat.

Wie gelang der Start in die Zweite Bundesliga?

Dass die Zweite Liga beileibe kein Selbstläufer wird, dürfte Handballern und Fans schon vor dem Start klar gewesen sein: Mit 20:25 (9:11) verloren die Gummersbacher im DHB-Pokal gegen den Ligakonkurrenten VfL Lübeck-Schwartau. Im ersten Heimspiel vor 3211 Zuschauern gab der VfL eine Führung gegen TuSEM Essen in der Schlussphase noch aus der Hand und startete mit einem 25:25-Unentschieden in die Saison. Dass es in der Zweiten Liga einen deutlichen Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsspielen gibt, erfuhren die Gummersbacher ganz schnell, denn erst im dritten Anlauf gewannen sie beim EHV Aue

(32:21). Während es in der Schwalbe-Arena lief, folgte beim TV Emsdetten der nächste Rückschlag in fremder Halle. Die unnötige 25:26-Niederlage hing den Gummersbachern lange nach, auch wenn die in der Folge nur noch bei Mitabsteiger Bietigheim (26:32) unterlagen und anschließend vier Sieg in Folge feierten.

Wie bewährten sich die Spieler?

In Bietigheim war zum ersten Mal der junge Alexander Weck (19) dabei, der als Leihgabe vom Erstligisten Bergischer HC kam, und sich auf der linken Rückraumposition im Angriff schnell als echte Verstärkung erwies. Zumal er eine gute Ergänzung zu Alexander Hermann ist, der im Sommer von Erstligist HSG Wetzlar nach Gummersbach kam.

Im rechten Rückraum wurde Janko Bozovic, der vom TV Emsdetten kam, relativ schnell zum Alleinunterhalter, da Florian Baumgärtner wieder an seinen Schienbeinproblemen laboriert und verletzt ausfiel. Sein im Sommer auslaufender Vertrag wurde nicht verlängert. Dafür bleibt der Gummersbacher Tobias Schröter weiter beim VfL und auch Alex Hermann zieht nicht die Option, die es ihm erlaubt hätte, den VfL schon im Sommer zu verlassen.

Vor allem die Gummersbacher Nachwuchsspieler nutzen in der Zweiten Liga ihre Chancen, allen voran Kreisläufer Jonas Stüber, der mit einer Wurfquote von nahezu 90 Prozent auf sich aufmerksam macht. Dagegen bleiben die beiden Torhüter Filip Ivic und Matthias Puhle hinter den Erwartungen zurück. Vor allem der Kroate Ivic, als Königstransfer geholt, enttäuscht zu oft.

Wie findet sich der VfL in der Liga zurecht?

Der VfL Gummersbach wuchs immer mehr in die Zweite Liga hinein und die Mannschaft immer mehr zusammen. Nach dem 28:21-Sieg gegen den TV Hüttenberg kletterte das Team von Trainer Torge Greve erstmals auf den dritten Tabellenplatz und bleibt zum Jahresende in eigener Halle ungeschlagen. Nach dem Abstieg im Sommer habe niemand gewusst, in welche Richtung es mit dem VfL Gummersbach gehen würde, zog Geschäftsführer Christoph Schindler nach dem Heimspiel ein zufriedenes Fazit: „Jetzt haben alle gesehen, dass es funktioniert und sich etwas entwickelt hat.“

Und wie sieht es bei den Auswärtsspielen aus?

Doch auswärts hakt es weiterhin, zu selten kann der VfL sein Potenzial abrufen. Zum Jahresende standen zwei Niederlagen, im ersten Spiel der Rückrunde mit 24:29 bei TuSEM Essen und im letzten Spiel der Hinrunde beim ASV Hamm mit 21:25. Die Partie fand in der Dortmunder Westfalenhalle vor 9270 Zuschauern statt, dem Ort, an dem der VfL seine größten Erfolge in der Vereinsgeschichte feierte. Doch erneut blieben die Gummersbacher den Beweis schuldig, gegen eine Spitzenmannschaft auswärts gewinnen zu können. Die beiden Niederlagen spiegelten die insgesamt gute Leistung seiner Mannschaft in der Hinrunde nicht wider, erklärte ein enttäuschter Trainer Torge Greve. Das Jahr beenden die

Gummersbacher auf Platz vier, fünf Punkte hinter Tabellenführer HSC Coburg. Weiter geht es nach der Handball-Europameisterschaft am Freitag, 31. Januar, in der Schwalbe-Arena gegen den VfL Lübeck-Schwartau.