Tagelang steckt der havarierte Transporter des Versandhandels fest. Anwohnerinnen und Anwohner kümmern sich um den Mann am Steuer.
Wagen steckt tagelang festJunger Amazon-Fahrer folgt Navi und strandet in Waldbröler Weiler
Freitagnachmittag, etwa 17 Uhr, es ist dunkel in Schönenbach. Ein grauer Sprinter kurvt durch den Waldbröler Weiler – und plötzlich gibt es dort für den Fahrer des Lieferdienstes Amazon kein Vor und auch kein Zurück mehr: Der Transporter hat sich auf einem unbefestigten, abschüssigen Weg festgefahren. Der Sprinter steht schräg und es sieht so aus, als würde er gleich umkippen. Tut er aber nicht – doch bleibt der Wagen dort so stehen, auch Tage später ist dieser immer noch da.
Am Steuer des Fahrzeugs sitzt ein etwa 20 Jahre alter Mann aus Rumänien. „Er hat kaum Deutsch gesprochen und nur wenige Brocken Englisch“, schildert einer der Schönenbacher, die sich um den gestrandeten Boten sorgen und der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Der junge Mann ist seinem Navigationsgerät gefolgt, denn tatsächlich gibt es an der Stelle so etwas wie eine Straße – doch da ist in den vergangenen 20 Jahren niemand durchgefahren.“
Mit der einen Seite steht der Sprinter oben auf dieser Böschung und auf Boden der Stadt Waldbröl. Mit der anderen Seite aber steckt er in der Wiese einer Anwohnerin, die ebenso ungenannt bleiben möchte. Eisigkalt ist es in Schönenbach, sie und ihr Lebensgefährte kümmern sich um den Fahrer. Ein Vertragsunternehmen des Amazon-Konzerns hat ihn in Wenden von einem Amazon-Warenlager und Zustellstützpunkt aus in den Süden Oberbergs geschickt. „Obwohl wir stinkesauer waren, haben wir ihn natürlich ins Haus eingeladen, damit er sich bei uns aufwärmen kann. Das hat er aber abgelehnt – er traute sich offenbar nicht.“
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Der ADAC Nordrhein schickt gleich zwei Abschleppdienste nach Waldbröl-Schönenbach
Doch ist der Mann Mitglied im ADAC und bittet diesen um Hilfe. „Wir haben dann sofort einen unserer Abschleppdienste rausgeschickt“, berichtet Thomas Müther, Sprecher des ADAC Nordrhein. Der Abschleppwagen kommt aus Overath – und rückt unverrichteter Dinge wieder ab: „Extrem schmal“ sei der Weg, auf dem der Sprinter feststeckt, und damit zu eng, heißt es auf Nachfrage: „Die seitlichen Stützen des Abschleppwagens konnten nicht ausgefahren werden.“
Inzwischen ist es Abend. „Wir haben vorgeschlagen, einen Landwirt um Hilfe mit dem Traktor zu bitten, das hätten wir auch bezahlt“, ergänzt Müther. „Auch haben wir dem jungen Mann ein Taxi angeboten, damit er nach Hause kommt.“ Doch auch das habe dieser abgelehnt. Er bleibt also bei Wagen und Ware – und hofft darauf, dass sein Arbeitgeber ihn abholt.
Auch in Morsbach erhält ein Unternehmen den Auftrag, das havarierte Fahrzeug zu bergen
Der erscheint nicht, dafür nun aber aus Morsbach der Abschleppdienst Klinge, der ebenfalls vom ADAC mit der Bergung des Vans beauftragt ist: „Leider konnten auch wir erst mal nicht helfen, denn im Fahrzeug fand sich keine Abschleppöse“, schildert Geschäftsführer Sven Klinge. Den Vorschlag, einen Landwirt hinzuziehen, lehnt wiederum die Eigentümerin des Grundstücks ab: Sie fürchtet, auf dem Schaden sitzenzubleiben.
Die Schönenbacherin ruft die Polizei, die gegen 20.40 Uhr am havarierten Fahrzeug eintrifft und gegen 21.15 Uhr wieder wegfährt. „Da es kein Verkehrsunfall war und augenscheinlich keine Gefahr von dem Sprinter ausging, haben die Kollegen die Stelle nur gesichert“, sagt Polizeisprecher Marc Leporin. „Auch machte ihnen der Fahrer klar, er kümmere sich bereits selbst darum, dass sein Fahrzeug befreit wird.“
Bei laufender Standheizung wartet der junge Fahrer in Waldbröl-Schönenbach auf Hilfe
Das aber gelingt auch weiterhin nicht: Bei laufender Standheizung sitzt und wartet er im Sprinter. „Wir haben ihm Tee und warme Decken gebracht“, berichtet die Anwohnerin. „Denn noch immer wollte er nicht ins Haus.“ Inzwischen ist auch jemand aufgetan, der ein wenig Rumänisch kann und mit dem Zusteller spricht. Gegen Mitternacht, so heißt es aus Schönenbach, sei endlich ein Kollege des Gestrandeten vorgefahren und habe diesen mitgenommen, auch sei der Transporter geleert worden. „Und der blieb genauso stehen, wie er sich festgefahren hatte – das ganze Wochenende und dann auch den ganzen Montag über und noch am Dienstag.“
Da aber hat das Unternehmen Klinge vom ADAC erneut den Auftrag erhalten, den Wagen zu bergen. „Danach haben wir vergeblich versucht, jemanden bei Amazon zu erreichen“, schildert der Unternehmer Klinge. „Niemand ging ans Telefon.“ Für die Bergung des Wagens werde nämlich der Schlüssel benötigt. „Ist der nicht da, können wir nichts unternehmen.“
Im Laufe des Dienstags ist der Transporter plötzlich weg – ohne, dass Klinge ausgerückt wäre. „Irgendwann ist dann doch mal jemand ans Telefon gegangen und hat uns mitgeteilt, man werde sich privat um die Bergung kümmern“, sagt er.
Das sagt der Versandhandel Amazon
Nach zweimaliger Nachfrage durch dieser Zeitung hat sich die in München ansässige Pressestelle des Versandhandels Amazon dazu geäußert: „Hinter jeder Amazon-Bestellung stecken Teams und Partner, die ihr Bestes geben“, schreibt Sprecherin Kathrin Amthor. „Wenn uns ein Hinweis auf Probleme erreicht, sind wir sehr bestrebt, stets eine Lösung zu finden. So auch in diesem Fall. Wir stehen in engem Austausch mit den Betroffenen.“
Der junge Fahrer sei übrigens wohlauf, sein Wagen fahrtüchtig.