Auch in der Marktstadt trennt sich die Evangelische Kirchengemeinde heute von Immobilien. Da kann man auch mal ein Geläut günstig erwerben.
Umzug in die NachbarschaftWaldbröls Ortschaft Seifen hat nun einen Glockenturm
Der Schalter ist weiß, flach, rechteckig. Kennt man von zu Hause. Doch wenn Heribert Lennarz ihn kippt, dann geht kein Licht an. Und auch nicht aus. Es dauert ein paar Sekunden, dann hallt lautes Glockengeläut durch den kleinen Waldbröler Weiler Seifen. 10.27 Uhr, Freitagmorgen. Da wird sich mancher die Ohren gerieben haben. Aber, gute Nachricht: Gestorben ist diesmal niemand.
Denn erklingen wird Seifens neue Glocke immer dann, wenn jemand auf dem kleinen Friedhof zu Grabe getragen wird. Dort nämlich hat die Glocke mit ihrem stählernen Turm einen neuen Platz gefunden. Lennarz ist seit 2005 Vorsitzender des örtlichen Friedhofvereins Schönenbach-Wies, und stolz ist er auch: „Wir haben uns hier immer eine Glocke gewünscht“, verrät er. „Eine neue aber wäre heute viel zu teuer.“
Als der Seifener vor wenigen Monaten hört, dass sich die Evangelische Kirchengemeinde in Waldbröl von ihrem Gemeindehaus im Nachbarort Helten trennen möchte, da läutet es bei Lennarz: „Ich habe sofort Kontakt zu Pfarrer Thomas Seibel aufgenommen und gefragt, ob wir den Glockenturm übernehmen können.“
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Ende Juni schon besiegelt ein herzlicher Handschlag unter Männern das klingende Geschäft: Mit 1500 Euro stimmt der Preis, das Geläut zieht um – keine drei Kilometer misst der Weg. „Dessen Klang kennt hier wirklich jeder – egal, ob man in Seifen, Krahwinkel, Helten, Spurkenbach oder Schönenbach wohnt“, weiß Lennarz. Und Seibel freut sich: „Die Glocke hat einen wirklich wunderbaren Platz bekommen.“
Keine fünf Stunden hat der Aufbau mit einem Kran gedauert. Vier Meter hoch ist der Turm, gute 120 Kilogramm wiegt die Glocke. 1965 ist sie in der Glocken- und Kunstgießerei Rincker, beheimatet in Sinn (bei Wetzlar), gegossen worden. Und wer wissen möchte, wie die Inschrift lautet, der muss nur den Seelsorger Seibel fragen. Ruckzuck ist der oben und liest vor: „Getreu ist der, der Euch ruft“.
Einst ist die Glocke auf einem geschmückten Fuhrwerk von Windeck-Schladern nach Waldbröl-Seifen gebracht worden
Vereinschef Lennarz hat derweil herausgefunden, dass die Glocke damals mit dem Zug nach Windeck-Schladern gereist und von dort in einer festlichen Prozession auf einem geschmückten Fuhrwerk mit Trecker nach Helten gebracht worden ist: „Dazu sangen die Kirchenchöre aus dem Ort und aus Wirtenbach, die hatten denselben Dirigenten.“ Weil der ökumenisch genutzte Friedhof in Seifen der katholischen Kirche in Schönenbach – deren Glocke läutet dreimal täglich – keine Konkurrenz machen möchte, soll der Glockenschalter in der Trauerhalle eben nur dann betätigt werden, wenn dort eine Beerdigung stattfindet.
„Wir hatten unglaublich viel Hilfe“, betont Heribert Lennarz. Der Zimmerer und Dachdecker Oliver Pagel rückt an mit jenem Kran und einem Tieflader, der Bauunternehmer Dirk Barbian legt das Fundament, Elektromeister Wolfgang Wichary bringt den Elektro-Antrieb, Baujahr 1956, auf Vordermann. Lennarz: „Das war echt eine harte Nuss, Wolfgang musste sich dafür die Original-Schaltpläne des Herstellers schicken lassen.“ Und jetzt muss Wichary wohl noch mal ran und klettern: Der rechte Zug, sagt Lennarz und deutet nach oben, der arbeite noch nicht ganz richtig. „Da müssen wir noch mal ran.“
Die Ankunft des Glockenturms auf dem 1952 gegründeten Friedhof an der Schönenbacher Straße soll gefeiert werden: Voraussichtlich am Samstag, 5. Oktober, steigt das Fest ab 15 Uhr.