Der Wasserbeschaffungsverband von Waldbröl-Hermesdorf feiert das 125-Jährige. Von solchen Gemeinschaften bestehen in Oberberg heute noch 50.
TrinkwasserDen Wasser-Willi hat in Waldbröl-Hermesdorf niemand vergessen
„Rosemarie, heste afjeliese?“ Den Ruf von Wasser-Willi hat Hermesdorf noch heute im Ohr. Kein Wunder, denn genau 50 Jahre war der im Mai 2013 verstorbene Willi Müller in Waldbröls größter Ortschaft unterwegs, um das Geld für das Trinkwasser zu kassieren. Rufend fuhr er mit seinem Mofa oder dem Fahrrad von Haus zu Haus, bis 2012 tat er das. „Und kam er zum Ablesen zu uns, hat unsere Mutter Rosemarie uns Kinder prompt aus der Küche gescheucht“, erinnert sich Andrea Engelbert. „Denn da gab‘s für Willi nicht nur das Geld, sondern immer auch einen Schnaps.“
Seit dem Jahr 1899 bringt allein der Wasserbeschaffungsverein frisches Wasser in Hermesdorfs Häuser, als Geschäftsführerin schreibt und schickt Engelbert Rechnungen, Hausbesuche macht sie nicht mehr. 630 Anschlüsse gibt es derzeit im Ort, in dem 2233 Menschen leben.
Gegründet wird der Verband indes am 21. März 1899 als „Wasserleitungsgesellschaft“ von Heinrich Becker, Heinrich Bellingen, Wilhelm Klein und Christian Schwarz gegründet, am 24. Juni jenes Jahres unterzeichnet die junge Gesellschaft die ersten Verträge zur Nutzung von Grundstücken und den Bau erster Anlagen. Ein Leitungsnetz mit einer Länge von fast zweieinhalb Kilometern für 52 Anschlüsse wird unter die Erde gebracht. Noch ist Hermesdorf ein kleiner Ort, aber zwei Bäckereien und eine Metzgerei befinden sich dort, auch sie sind auf gutes Wasser angewiesen.
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Schon vor mehr als 100 Jahren herrscht in Oberberg viel Trockenheit
Schon damals, so steht es geschrieben in einer Chronik, gibt es heiße und trockene Sommer. „So ist in Hermesdorf die Idee gereift, eine eigene Wasserversorgung aufzubauen“, blickt Jürgen Greb, Verbandsvorsteher seit 2008, zurück. Das Gründungsbuch von 1899 hütet er wie einen Schatz. In jener Zeit sprudelt das Wasser aus Quellen in der Wolfsgrube und ab 1929 dann auch in Schöntal. „Heute beziehen wir unser Wasser aber nicht mehr aus eigenen Brunnen, sondern aus Gründen der Versorgungssicherheit und der Hygiene über den Aggerverband und die Waldbröler Stadtwerke aus der Wiehltalsperre.“
Nachdem in Waldbröl und der Nachbarschaft in den Jahren 1948 und 1949 eine Typhus-Epidemie gewütet hat, lässt der Aggerverband auf dem etwa 370 Meter hohen Stungsberg und damit oberhalb von Hermesdorf im Wald einen Hochbehälter bauen. 1952 verpflichtet der Oberbergische Kreis auch Hermesdorf dazu, das Wasser von dort zu beziehen – auch, weil das Quellgebiet in der Wolfsgrube immer dichter bebaut und besiedelt wird. Als Auslöser der Epidemie gilt die schwere Trockenheit von 1947.
Die verheerende Trockenheit führt in Waldbröl und der Nachbarschaft 1948 zu einer Typhus-Epidemie
Das Wasser ist so knapp, dass Verbandsvorsteher Karl Will abwechselnd die drei Hauptleitungen abdrehen lässt, um das wenige Wasser in den Ortsteilen von Hermesdorf einigermaßen gerecht zu verteilen. Benutzt werden aber darf es nur noch zum Kochen. Alte Brunnen werden wieder in Betrieb genommen und in Schöntal hacken die Menschen Löcher ins trockene Bachbett, um an die letzten Tropfen zu kommen. Weil noch keine Kanäle gebaut sind, wird schmutziges Abwasser in die Flüsse und Bäche sowie auf die Wiesen geleitet. Und das bleibt nicht ohne Folgen. Todesfälle gibt es in Hermesdorf nicht, in Waldbröl sterben dagegen elf Menschen an der Krankheit. Fortan wird das Wasser gechlort.
Sieben Hermesdorferinnen und Hermesdorfer stehen heute hinter dem Wasserbeschaffungsverband, sie alle arbeiten ehrenamtlich. „Deswegen können wir sehr günstige Preise anbieten“, sagt Greb. Der 56-Jährige ist als Hausmeister im Rathaus der Gemeinde Reichshof beschäftigt, Andrea Engelbert (55), seit 2018 Geschäftsführerin, ist ebenfalls in der Reichshofer Verwaltung tätig. „Für uns ist der Verband ein großes Stück Heimat und Tradition“, betont Engelbert. Ein Kubikmeter Hermesdorfer Wasser kostet seit dem 1. Januar nun 1,40 Euro (vorher 1,30 Euro).
Hermesdorfer Verband musste seine Preise erhöhen, um Bauarbeiten bezahlen zu können
Auf 24 Euro musste der Verband indes die Zählermiete anheben und damit verdoppeln, um ein größeres Bauvorhaben zu finanzieren: Auf einer Länge von 350 Metern muss eine Wasserleitung erneuert werden. Fast 13,2 Kilometer misst das Leitungsnetz heute, auf fast allen Strecken haben Rohre aus Kunststoff längst die alten gusseisernen Leitungen abgelöst – davon sind nur noch 1,7 Kilometer übrig. Durchs Netz fließen jährlich rund 78.000 Kubikmeter an Frischwasser.
Freuen würde sich Jürgen Greb über Verstärkung – über eine junge Technikerin oder einen Techniker. Denn manchmal reißt die Arbeit für den Wasserbeschaffungsverband den früheren Installateur aus den schönsten Träumen. „Und zwar immer dann, wenn eine Leitung platzt oder ein Rohr bricht – egal, ob es regnet oder schneit“, schildert der Hermesdorfer. Von Wasser-Willi – erst Kassierer, dann Geschäftsführer – heißt es in der Chronik, er sei bei solchen Notfällen ebenfalls ausgerückt und habe solche Lecks auch mal mit den eigenen Händen freigelegt. Bei einem seiner Einsätze soll sein Fahrrad vom Straßenrand verschwunden sein. Jemand hatte es wohl für Sperrmüll gehalten.
Ein Blick in die Geschichte der örtlichen Wasserversorgung
Vereine, Verbände, Gemeinschaften und auch Genossenschaften für die örtliche Versorgung mit Trinkwasser hat es in Oberbergs Geschichte ab dem 19. Jahrhundert viele gegeben, heute bestehen davon noch 50. Das verraten jüngste Zahlen aus dem Gesundheitsamt des Oberbergischen Kreises, das für die Überwachung der Qualität von Trinkwasser zuständig ist.
Als älteste Gemeinschaft gilt der 1889 gegründete Wasserleitungsverein von Remerscheid (heute Gemeinde Engelskirchen). Auch dieser Verein, so heißt es, sei noch aktiv. Der wahrscheinlich klangvollste Name findet sich dagegen in Wiehl: Da ist noch die „Loopeperle“ aktiv, im November 1901 jedoch als „Wasserleitungsgenossenschaft zu Drabenderhöhe“ gegründet.
Allein in Waldbröl hat es einst viele Gemeinschaften dieser Art gegeben
Am 31. März des Jahres 1951 sollen es 252 Gemeinschaften dieser Art gewesen sein, so steht es in der Chronik „Vom Dorfbrunnen zum Wasserwerk – Die Geschichte der Wasserwirtschaft an Agger – Wiehl – Bröhl“ des Aggerverbandes von Torsten Sülzer, erschienen 1998.
Allein in Waldbröl waren es etliche. So gratulierte man bei der Jahreshauptversammlung der Interessengemeinschaft der Wasser-Versorgungsbetriebe Oberberg im April 2003 dem Wasserversorgungsbetrieb Bröl zum 110-jährigen Bestehen, den Wasserleitungsvereinen Wehnrath und Dickhausen zum 100-Jährigen und den Wasserversorgern Grünenbach – Rölefeld – Eiershagen, Waldbröl-Hahn und Niedergeilenkausen zum 75-Jährigen.
In der Waldbröler Ortschaft Hufen wurde um 1905 derweil der Wasserleitungsverein gegründet, bis heute fördert dieser Wasser aus eigener Quelle und bereitet es auf. „Wir beliefern zurzeit etwa 50 Haushalte und zwei landwirtschaftliche Betriebe“, schildert dort Vorsitzender Markus Nitsche. Gefördert werden seinen Angaben zufolge etwa 5500 Kubikmeter im Jahr. Zum Wasserpreis könne er jedoch keine Angaben machen.