Jahreswechsel, Neujahrsvorsätze, hoffen auf das große Glück. Im Oberbergischen Kreis steht das Glücklichwerden sogar auf den Lehrplänen für das Kaufmännische Berufskolleg. Mit Lehrerin Tanja Biegale aus Waldbröl sprach Jens Höhner über dieses Fach.
Was bedeutet für Sie Glück?
Tanja Biegale: Glück bedeutet für mich, innere Zufriedenheit und innere Ruhe zu haben, selbstbestimmt mein Leben zu gestalten, jeden Moment zu genießen und achtsam durchs Leben zu gehen.
Im Fach Glück geht es um die Förderung der Lebenskompetenz, der Lebensfreude und der Persönlichkeitsentwicklung. Es geht um die Stärkung des eigenen Selbst und das Erkennen der eigenen Stärken und Ressourcen, der man sich bewusst werden sollte. Denn nicht zuletzt darauf basieren die Planung und die Gestaltung des eigenen – beruflichen – Lebensweges. Wichtig ist auch, dass sich die Schülerinnen und Schüler nicht als isolierte Wesen betrachten, sondern in einer Interaktion mit der sie umgebenden Welt stehen.
Seit wann gibt es das Fach und warum?
An unserer Schule gibt es das Schulfach Glück seit dem Schuljahr 2019/2020. Wir mussten in unseren Bildungsgängen eine zunehmende Orientierungslosigkeit der Schülerinnen und Schüler, insbesondere hinsichtlich der beruflichen Orientierung, feststellen. Auf der Ebene der Schulleitung hat man sich daraufhin in den Kreisen Oberberg und Rhein-Berg entschlossen, ein neues Fach einzuführen – an unserer Schule zunächst probeweise in zwei Bildungsgängen. An anderen Berufskollegs wurde das Fach übrigens „Selbstmanagement“ genannt. Wir haben uns jedoch, in Anlehnung an den Heidelberger Autoren und Pädagogen Dr. Ernst Fritz-Schubert (73), dann für den Namen „Glück“ entschieden („Glück kann man lernen: Was Kinder stark fürs Leben macht“, Ullstein-Verlag, d. Red.).
Warum ist es wichtig, dass es dieses Fach gibt?
Das Fach ist wichtig, um in der Schule bewusst einen Raum zu schaffen, der es ermöglicht, an Ressourcen orientiert zu unterrichten. Der Fokus in diesem Fach liegt nicht auf der Leistung und deren Bewertung, sondern auf der Entwicklung von Persönlichkeiten. Dies fordert auch von der Lehrkraft, eine andere Haltung einzunehmen und die jungen Leute in deren Entwicklung zu begleiten. Die Lehrkraft ist nicht mehr der fachliche Experte für die Vermittlung von Lerninhalten, sondern sie schafft einen geschützten Raum, ermöglicht Erfahrungen und stößt Denkprozesse an, um die Entwicklung des Selbst zu unterstützen.
Wie hat sich das Fach Glück während der Pandemie verändert?
Meiner Meinung nach hat das Fach Glück durch die Pandemie noch an Bedeutung gewonnen, da diese ungewöhnliche Zeit es erfordert, sich mehr mit sich selbst und mit persönlichen Themen zu befassen. Im jüngsten Lockdown habe ich mit den Schülerinnen und Schülern in den Videokonferenzen des Faches Glück viel über Achtsamkeit, den Sinn des Lebens und auch über Sorgen und Ängste sowie über den Umgang damit gesprochen.
Haben Sie so etwas wie ein Lieblings-Glücks-Thema im Unterricht?
Für mich ist der gesamte Inhalt des Faches wertvoll und interessant. Dieses Fach lebt natürlich sehr davon, wie sich die Schülerinnen und Schüler darauf einlassen wollen – und können. Zu Beginn des Schuljahres ist ein wichtiges Thema für mich, den Gefühlen auf die Spur kommen. Dieses Thema mag ich besonders, da man die Schülerinnen und Schüler ganz anders wahrnimmt und kennenlernt, während sie sich unterschiedlichster Gefühle bewusst werden.
Der Jahreswechsel ist für viele Menschen Anlass, sich Vorsätze zu machen. Kann man auch den Vorsatz fassen, glücklich zu werden?
Ich glaube schon, dass man den Vorsatz fassen kann, glücklich zu sein – indem man seine Haltung zu bestimmten Themen verändert. Wir haben auf gewisse Geschehnisse im Leben keinen Einfluss. Aber wir können unsere Haltung ändern, in dem wir vom Erdulder zum Gestalter unseres Lebens werden und dafür unsere Stärken und Ressourcen einsetzen.
Oder, anders gefragt, wie vermeide ich es, mich unglücklich zu machen?
Der sicherste Weg unglücklich zu werden, ist sich selbst aus dem Blick zu verlieren. Es ist ein lebenslanger Prozess, sein Selbst, in Interaktion mit der Umwelt, weiterzuentwickeln.
Zur Person und zum Fach Glück: Tanja Biegale
Tanja Biegale ist 42 Jahre alt, sie lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern, neun und zwölf Jahre alt, in der Waldbröler Ortschaft Rossenbach. Von 2004 bis 2006 hat sie ihr Referendariat am Kaufmännischen Berufskolleg Oberberg absolviert und gleich danach eine feste Stelle an der Schule bekommen. Heute unterrichtet sie am Standort in Waldbröl.
Biegales Fächer sind im Bereich des Einzelhandels die Kundenkommunikation und der Kundenservice, hinzukommen im Bereich der Berufsfachschule die beiden Fächer Glück und Personalbezogene Prozesse im Unternehmen. Zurzeit arbeiten an den Kollegstandorten in Waldbröl und Gummersbach insgesamt sechs „Glückslehrer“.
Das Fach „Glück“ gibt es erst seit dem Schuljahr 2019/2020. Warum sie sich dafür entschieden hat? „Ich fühlte mich davon sofort angesprochen“, antwortet Tanja Biegale, die zudem als Beratungslehrerin tätig ist. „Glück, das ist einfach mein Thema. Und die Idee, das auch zu lehren, gefiel mir.“ (höh)