Köln – Herr Mronz, der Traum von den Olympischen Spielen 2032 an Rhein und Ruhr ist geplatzt, ehe so richtig begonnen hat. Was ist schiefgelaufen?
Geplatzt ist er noch nicht. Aber es steht 0:2 in der 85. Minute. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch gewinnen, ist äußerst gering, aber wir werden erst nach dem Abpfiff vom Platz gehen.
Fühlen Sie sich vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) fair behandelt?
Vom Grundsatz her ist das neue Ausschreibungsverfahren des IOC zu begrüßen, weil eine Bewerbung deutlich kostengünstiger wird. Aber es lässt halt auch zu, dass das IOC zu jedem Zeitpunkt die Spiele vergeben oder mit einem Kandidaten in exklusive Verhandlungen treten kann. Das ist im Fall Brisbane jetzt geschehen. Mit elf Jahren Vorlauf. Das hat es so noch nie gegeben.
Sie haben noch im Januar zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund beim IOC Gespräche über das deutsche Bewerbungsverfahren geführt. Gab es keinerlei Hinweise, keinen Fingerzeig?
Nein. Wir hatten vorab keine belastbaren Informationen, um uns darauf einstellen zu können. Das ist allen anderen Bewerbern wie China oder Indonesien auch so ergangen. Beide haben erst im November 2020 ihren Hut in den Ring geworfen. Das zeigt doch, dass diese Entwicklung nicht erkennbar war. Glauben Sie ernsthaft, wir hätten sonst ausgerechnet in der Woche, in der das IOC Brisbane zum Favoriten erklärt, unseren Fahrplan einschließlich der Bürgerbefragung in einer großen Pressekonferenz vorgestellt?
Sie loben das neue Vergabeverfahren des IOC. Das überrascht uns. Das IOC spricht von mehr Transparenz, vergibt aber die Spiele ohne Vorwarnung und hält es nicht mal für nötig, die Verlierer vorab zu informieren. Das IOC kannte Ihren Zeitplan doch sehr genau. Sie müssen doch stocksauer sein?
Unser Team hat die Bewerbung über viele Jahre mit sehr großem Engagement und großer Überzeugung vorangetrieben. Darüber, wie das jetzt gelaufen ist, müssen wir mit dem IOC sicherlich diskutieren. Jubelnd laufend wir nicht durch die Gegend.
Hatten Sie schon Kontakt zum Präsidenten Thomas Bach?
Ja. Wir haben miteinander telefoniert.
Was haben Sie ihm gesagt?
Das war ein vertrauliches Gespräch.
Dürfen wir davon ausgehen, dass Sie Ihre Verärgerung zum Ausdruck gebracht haben?
Ich bitte um Verständnis, dass vertrauliche Gespräche auch diskret bleiben.
Wie sind Sie verblieben?
Wir wissen, dass unsere Konzeption ökologisch und ökonomisch nachhaltiger Spiele begrüßt wird, weil sie überzeugt. Das IOC würde sich freuen, wenn wir den Dialogprozess sowohl für 2032 und folgende Spiele aufrechterhalten. Dazu muss der Deutsche Olympische Sportbund jetzt eine Haltung entwickeln.
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Warum macht es noch Sinn, an dem Projekt festzuhalten?
Weil die Spiele an Brisbane noch nicht offiziell vergeben sind. Schalke 04 verlässt die Bundesliga auch nicht vorzeitig, obwohl der Abstieg kaum noch zu verhindern ist. Wir halten unser Angebot aufrecht, zumal uns zum jetzigen Zeitpunkt, als rein privatwirtschaftlich finanzierte Initiative, keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Haben Sie nach diesen Erfahrungen überhaupt noch Lust, die Spiele zu einem späteren Zeitpunkt nach Deutschland zu holen?
Was gestern noch richtig war, ist doch heute nicht falsch , nur weil Brisbane jetzt mit dem IOC verhandelt. Die Landespolitik als auch die Kommunen und der organisierte Sport in NRW sind weiterhin vom Konzept überzeugt. 90 Prozent der Sportstätten sind vorhanden. Die Menschen an Rhein und Ruhr sind sportbegeistert. Daran wird sich bis 2040 nichts ändern.
Wir haben immer gesagt, dass wir nicht für sondern durch die Olympischen Spiele etwas für die Region erreichen wollen. Es beginnt doch heute schon, da NRW eine Förderung der Sportvereine bis 2022 mit beeindruckenden 300 Millionen Euro aufgelegt hat. Bei den Themen vernetzte Mobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit geht das weiter. Die Kraft der Spiele ist die Kraft eines Zieldatums.
Deshalb ist es auch richtig, wenn der Ministerpräsident und die beteiligten Kommunen von einem Dekaden-Projekt sprechen.. Für diese Vision werden wir weiter werben. Der DOSB, also der organisierte Sport muss entscheiden, ob und wann Deutschland sich bewirbt.
Was halten Sie persönlich von einer Bewerbung für 2036, hundert Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin?
So wie ich den Ministerpräsidenten am Mittwoch bei der Landtagsdebatte verstanden habe, hat er gesagt, man solle das Thema nicht einfach vom Tisch wischen, sondern die Diskussion darüber führen. Diese Auffassung teile ich. Der Vorsitzende des israelischen NOK befürwortet eine solche Bewerbung, das IOC ebenfalls.
Spätestens zur Landtagswahl im Mai 2022 soll eine Bürgerbefragung zum Thema Olympia an Rhein und Ruhr organisiert werden. Aber mit welcher Fragestellung? Bezogen auf 2032, 2036, 2040? Oder sollen die Bürger in einem Rutsch die Freigabe gleich bis 2040 erteilen?
Wir sind so verblieben, dass wir mit dem Ministerpräsidenten und den Kommunen darüber in absehbarer Zeit ins Gespräch kommen wollen. Vor allem über 2036 sollte vorab eine gesellschaftspolitische Debatte geführt werden.
Der Sport kann vielleicht auch Dinge bewegen, die Politik nicht bewegen kann. Nord- und Südkorea sind bei den Winterspielen 2018 in Pyoengchang unter einer Flagge einmarschiert. Das ist bei internationalen Wettkämpfen bis heute so geblieben. Das Sommermärchen 2006 bei der Fußball-WM in Deutschland hat dazu geführt, dass sich der bis dahin eher schwierige Umgang mit unserer Nationalflagge verändert hat. Aber es ist klar, dass wir den Zeitraum vorher definieren müssen, über den die Menschen abstimmen sollen.
Sie sprechen von einem Dekaden-Projekt. Wie wollen Sie mit der Rhein Ruhr City-Initiative die Spannung über einen so langen Zeitraum bis 2040 aufrechterhalten? Und was sagen die Unterstützer dazu?
Als Region die Transformation von einer fossilen in eine klimaschonende, von einer analogen in eine nachhaltige digitale Gesellschaft zu schaffen, gelingt nicht in einem Jahr. Es kann doch eine Motivation sein, zu sagen, wir wollen diesen Prozess schaffen und dabei Gastgeber werden für nachhaltige Olympische und Paralympische Spiele.
Wir wissen heute nicht, wann die Spiele 2036 oder 2040 vergeben werden. Rhein Ruhr City hat gemeinsam mit den Kommunen schon jetzt eines geschaffen: Aus dem Kirchturmdenken der einzelnen Städte wurde ein Wir-Denken an Rhein und Ruhr. Diese Vision einer zukunftsgerichteten Metropolregion wird sowohl von der Politik als auch den Wirtschaftspartner unserer Initiative getragen.
Warum sind Sie so sicher, dass sich beim IOC in seiner jetzigen Besetzung der Nachhaltigkeitsgedanke überhaupt schon durchgesetzt hat? Allein das Olympiastadion von Tokio hat zwei Milliarden Euro gekostet. Und es gibt einen Bewerber für die Spiele, der Katar heißt und auch nicht gerade für Nachhaltigkeit steht? Dagegen kann man mit Recklinghausen doch nicht ernsthaft antreten?
Australien hat sich nicht mit Sydney und Melbourne beworben, China nicht mit Schanghai und Peking. Also scheint sich beim IOC ja doch etwas zu tun. Bei aller Enttäuschung muss man auch sehen, dass Brisbane ein sehr valides Sportkonzept erarbeitet hat. Auch dort greift man auf Sportstätten zurück, die zu 80 Prozent schon vorhanden sind.
Wieviel Geld hat die Rhein Ruhr City-Initiative bisher in die Bewerbung investiert?
Wir haben in den Verträgen mit den Partnern Vertraulichkeit vereinbart. Ich kann Ihnen nur so viel sagen. Als Geschäftsführer von Rhein Ruhr City bekomme ich null Euro.