Köln – Der rockerähnliche Boxclub „Osmanen Germania BC“ pflegt in Nordrhein-Westfalen enge Kontakte zu Organisationen, die in Verbindung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan stehen. Das bestätigte das Innenministerium auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Laut NRW-Verfassungsschutz wurden Mitglieder der Osmanen von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in der Vergangenheit immer wieder als Ordner eingesetzt. Auch bei verschiedenen Pro-Erdogan-Demos sollen sie demnach aufgetaucht sein. Die UETD, deren Hauptsitz sich ebenfalls in Köln befindet, gilt als Lobbyverband der türkischen Regierungspartei AKP. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums hat es auch direkte Kontakte zur AKP und zur türkischen Justiz gegeben. Bei einer Spontanveranstaltung im Juli 2016 in Bergneustadt anlässlich des Putschversuchs in der Türkei habe ein Mitglied der Osmanen die Versammlungsleitung übernommen.
Martialisches Auftreten
Die Osmanen gelten als die am schnellsten wachsende rockerähnliche Vereinigung in Deutschland. Etwa 2000 Mitglieder sollen es nach Behördenschätzungen sein. Der im Internet martialisch auftretende Boxclub wurde 2015 in Frankfurt am Main von Mehmet Bagci und dem ehemaligen Hells Angel Selcuk Can Sahin gegründet. Auch in NRW haben der damalige „Weltpräsident“ Bagci und sein muskelbepackter Vize Sahin die Strukturen der Osmanen rasant ausgebaut. 14 Chapter mit rund 170 Mitgliedern sollen die überwiegend türkischstämmigen Boxer unterhalten, unter anderem in Aachen, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund und Bielefeld. Allerdings sei es kaum möglich, eine valide Mitgliederzahl zu nennen, sagt das Innenministerium. „Dafür ist die Fluktuation zu groß“, betont ein Sprecher.
„Bei den Osmanen Germania BC handelt es sich um eine rockerähnliche Gruppierung, die sich auch politisch betätigt und türkisch-nationalistische, im Internet teilweise auch rechtsextremistische Positionen vertritt“, lautet die Einschätzung des NRW-Innenministeriums. Berichte über Kontakte einzelner Führungspersonen zum türkischen Geheimdienst MIT wollte das Ministerium jedoch nicht bestätigen.
Verbindung zu Erdogan-Freund
Auch zu direkten Verbindungen zur Türkisch-Islamischen Union Ditib, die eingeräumt hatte, nach dem Putschversuch Namen von in Deutschland lebenden Gülen-Anhängern an die türkische Regierung verraten zu haben, lägen keine Erkenntnisse vor. Die Bewegung des im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen macht Erdogan für den Putsch-Versuch in der Türkei verantwortlich.
Allerdings gibt es zahlreiche Hinweise, dass auch die Osmanen durchaus sensible Informationen nach Ankara liefern und im Gegenzug von der türkischen Regierung gleichsam als Miliz im Ausland gehalten und finanziell unterstützt werden. Wie die Bundesregierung mitteilte, traf sich der AKP-Abgeordnete und Erdogan-Vertraute Metin Külünk im Februar 2016 mit dem damaligen Osmanen-Boss Mehmet Bagci in Zürich. Als Mittelsmann zwischen Osmanen und AKP dient demnach der Mannheimer UETD-Funktionär Ilkay Arin. Er soll einen Besuch in Ankara bei Külünk vorbereitet haben, bei dem sogar ein Treffen mit einem Sohn von Erdogan eingeplant gewesen sein soll. Unter Berufung auf Abhör- und Observationsprotokolle deutscher Sicherheitsbehörden berichteten verschiedene Medien, dass Külünk zudem mehrfach Geld an führende Mitglieder der Osmanen übergeben oder übergeben lassen haben soll. Den Ermittlern zufolge sollen von dem Geld auch Schusswaffen, darunter Maschinenpistolen gekauft worden sein.
Geplante Strafe für Böhmermann
Aus den Protokollen soll darüber hinaus noch hervorgehen, dass die Osmanen eine „Bestrafungsaktion“ gegen Jan Böhmermann umsetzen sollten. Der Kölner Comedian hatte im März 2016 in seiner Sendung auf ZDF Neo ein Schmäh-Gedicht gegen Erdogan vorgetragen. Der Auftrag soll vom Mannheimer UETD-Funktionär Arin direkt an Osmanen-Chef Bagci erteilt worden sein. Böhmermann hatte danach Polizeischutz bekommen und war untergetaucht.
In einem für den NRW-Landtag verfassten Papier berichtete auch Innenminister Herbert Reul, dass „türkische Behörden die Aktivitäten der Osmanen Germania BC in Deutschland als Terrorbekämpfung bewerten – also gegen die PKK, linksextremistische Türken und die Gülen-Bewegung gerichtet – und dies unterstützen.“
Im vergangenen Sommer sind deutsche Behörden mit einem massiven Einsatz gegen die Osmanen vorgegangen. Ende Juni 2017 hatte es in Baden-Württemberg, Hessen und NRW eine großangelegt Razzia gegeben, bei der mehrere Mitglieder festgenommen wurden. Darunter auch Selcuk Sahin, bis dahin Vize-Weltpräsident. Sein Chef, Mehmet Bagci ging den Behörden zwei Monate später ins Netz. Den Verdächtigen werden unter anderem Geldwäsche, Urkundenfälschung, Drogen- und Waffendelikte sowie versuchter Mord und versuchter Totschlag vorgeworfen. Darüber hinaus sollen sie potenzielle Aussteiger, aber auch ungehorsame Mitglieder erpresst, beraubt und brutal zusammengeschlagen haben.
Aussteiger sollte ermordet werden
Beispiele dafür gibt es reichlich. Auch auf Grundlage von Aussagen ehemaliger Osmanen-Mitglieder hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Dezember Anklage gegen acht führende Mitglieder der Bande erhoben. Zu den Zeugen gehört demnach auch der Abtrünnige K. aus Wuppertal. Laut Anklage hatte er vor, zu einer anderen Rockergruppe zu wechseln. Weil er sich weigerte, die geforderte Ausstiegszahlung in Höhe von 7000 Euro zu leisten, kam aus der Stuttgarter Führungsriege die Order, K. totzuprügeln. Am 12. Juni 2017 wurde er nachts zu einer Aussprache in einen Park nach Wuppertal bestellt. Zu seinem Schutz hatte K. vorsorglich acht Verbündete mitgenommen. Allerdings waren seine „Bestrafer“ in der Überzahl und Ex-Osmane K. alarmierte die Polizei. Bei den Festnahmen wurden Schlagstöcke, Äxte und Messer sichergestellt.
Die Osmanen bestreiten, dass Behörden und Ermittler die Organisation mit ihren Festnahmen empfindlich getroffen hätten. Man habe den Club inzwischen neu strukturiert, teilten die Osmanen Anfang Dezember auf Facebook mit. Einen Weltpräsident gebe es nicht mehr, sondern nur noch einen Weltvorstand. Drei Chapter habe man seither neu gegründet, zwei weitere würden bald noch hinzukommen. In ihrem Post stellen sie beinahe trotzig klar: „Eins sollten alle wissen: Wir Osmanen Germania stehen nicht vor dem aus! Im Gegenteil.“