Düsseldorf – Die nordrhein-westfälische Landesregierung will die meisten Mieterschutz-Verordnungen nun doch erhalten - anders als in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen. Das kündigte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Donnerstag in Düsseldorf an. Solange Angebot und Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum noch nicht ausgeglichen seien, würden Mieterschutzverordnungen gebraucht, sagte die CDU-Politikerin.
Damit hat die CDU/FDP-Koalition zumindest die schlimmsten Befürchtungen von Mieterbund und Opposition faktisch zerschlagen: SPD und Grüne hatten bereits im vergangenen Jahr mit einem breiten gesellschaftlichen Aktionsbündnis „Wir wollen Wohnen” gegen einen „Kahlschlag” im Mieterschutz mobilisiert. Eine entsprechende Petition fand mehr als 31 000 Unterstützer - eine Warnung für Schwarz-Gelb, die sie nun zu einer Kehrtwende bewegt hat.
Zum 1. Juli soll eine neue Mieterschutzverordnung in Kraft treten. Laut Entwurf sollen damit die bisherigen Verordnungen zur Kappung von Mieterhöhungen bei bestehenden Verträgen ebenso wie zu Mietpreisbegrenzungen bei Neuverträgen und Kündigungssperrfristen um weitere fünf Jahre verlängert werden.
Die sogenannte Umwandlungsverordnung, die bereits vergangene Woche ausgelaufen war, soll unwiderruflich entfallen. Damit konnte die Umwandlung von Mietwohnungen in teure Eigentumswohnungen in Vierteln mit wenig bezahlbarem Wohnraum untersagt werden. Laut einem externen Gutachten für das Ministerium habe sie aber keine Wirkung in NRW entfaltet, erklärte Scharrenbach. „Totes Recht”, bilanzierte Gutachter Harald Simons von der Forschungs- und Beratungsgesellschaft empirica. Nur Köln und Aachen hätten die Verordnung in jeweils einem Stadtviertel genutzt. „Das hat keinen zusätzlichen Kündigungsschutz gebracht”, bilanzierte der Volkswirt.
Die neue Verordnung soll in allen drei Bestandteilen - Kappungsgrenze, Mietpreisbremse, Kündigungssperrfrist - für 18 Kommunen gelten: Düsseldorf, Alfter, Bad Honnef, Bergisch Gladbach, Bonn, Bornheim, Hennef (Sieg), Köln, Königswinter, Leichlingen, Niederkassel, Pulheim, Rösrath, Siegburg, Wachtberg, Wesseling, Münster und Telgte.
Bislang gilt die Mietpreisbegrenzungsverordnung in NRW in 22 Kommunen. Sie regelt seit Juli 2015, dass dort die Miete bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen höchstens auf die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent angehoben werden darf. Der Gutachter sah darin „im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt keine messbare Wirkung in NRW - Ausnahme Leverkusen”.
Dies könne drei - allerdings nicht näher erforschte - Ursachen haben: Die Mietpreisbremse sei auch in Städten ohne angespannten Wohnungsmarkt eingeführt worden - „da ist nichts zu bremsen”. Häufig fehle ein vernünftiger Mietspiegel - etwa in Köln, Düsseldorf, Aachen und Paderborn. Zudem werde die Regelung oft unterlaufen, weil der Mieter - der sein Recht selbst geltend machen müsste - auch eine teurere Wohnung unbedingt haben wolle. Der Gutachter empfahl daher, diese Verordnung am besten auslaufen zu lassen.
Sie regelt aktuell noch in 37 Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten - zur Zeit der rot-grünen Vorgängerregierung ursprünglich in 59 - dass dort die Mieten maximal um 15 Prozent innerhalb von drei Jahren steigen dürfen. Damit ist die NRW-Verordnung schärfer als das Bundesrecht, das 20 Prozent erlaubt.
Diese Verordnung schützt Mieter in NRW seit 2012 bislang in 37 Kommunen mit verlängerten Sperrfristen - bis zu acht statt regulär drei Jahre - vor kurzfristigen Eigenbedarfskündigungen. Aus Sicht des Gutachters ein Instrument, „dass langjährige Mieter effektiv und zielgenau vor Verdrängung schützt”. Er empfahl sogar eine Ausweitung der Kündigungssperrfrist auf zehn Jahre.
Laut Gutachten sind die Mieten in NRW sei 2010 um 25 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt seien die Mieten zwölf Prozent niedriger. „Im Landesdurchschnitt sind die Mieten kein Problem - anders ist es in den Schwarmstädten”, sagte Simons. Dazu zähen Düsseldorf, Köln und Münster.
Aus Sicht der SPD ist die Bewertung der NRW-Mieten „blanker Hohn”. Die Erfahrung der Mieterschutzvereine sei eine andere, stellte Landtagsfraktionsvize Jochen Ott fest. „Diese Landesregierung vertritt nicht die Interessen der mehr als zehn Millionen Menschen, die in Nordrhein-Westfalen in Mietwohnungen leben. Sie wischt die existenziellen Sorgen der Vielen im Hinblick auf ihre Wohnkosten mit einem Federstrich beiseite.”
Deutlich versöhnlicher bewerteten die Grünen die Vorschläge. „Endlich Einsicht bei der Landesregierung - wichtiger Mieterschutz wird verlängert”, kommentierte Fraktionschef Arndt Klocke die Ankündigungen. Ebenso wie die SPD wollen aber auch die Grünen weiter für die ausgelaufene Umwandlungsverordnung kämpfen.
Der Eigentümerverband Haus & Grund bedauerte dagegen „die Abkehr der Regierung von ihren Wahlversprechen”. Es sei unverständlich, warum „wirkungslose Maßnahmen fortgesetzt” würden, kritisierte NRW-Verbandsdirektor Erik Uwe Amaya. (dpa/lnw)