Rhein-Berg – Nach der Feier kommt die Arbeit. Und zwar umgehend. Vier neue rheinisch-bergische Landtagsabgeordnete haben sich jetzt um den Aufbau eines Abgeordnetenbüros, die Wahlkreisarbeit und erste Termine in Düsseldorf zu kümmern. Bestandsaufnahme am Tag nach der Wahl:
Martin Lucke (CDU)
„Es ist ein total verrücktes Gefühl: Es sackt langsam durch, dass es tatsächlich geklappt hat“, sagt der 33-jährige Rechtsanwalt Martin Lucke, nachdem er am Vorabend das Landtagsdirektmandat im Bergisch Gladbach/Rösrath Wahlkreis 21 geholt hat. Und doch sei „wenig Zeit, um viel zu organisieren“. Bereits an diesem Dienstag um 11 Uhr steht in Düsseldorf die erste CDU-Fraktionssitzung an, am 1. Juni ist die konstituierende Sitzung des neuen Landtags, und dabei hat Lucke noch nicht mal ein Büro, geschweige denn Mitarbeiter. „Ich kann ja auch niemanden übernehmen, nachdem Holger Müller, der 2017 das Mandat geholt hat, 2019 gestorben ist, ist das alles aufgelöst worden“, sagt Lucke am Montagmittag. Den Vormittag hat er erst einmal mit der Beantwortung von rund 150 Glückwunschschreiben verbracht. „Auch die ersten ganz konkreten Wünsche von Menschen, mit denen ich im Wahlkampf gesprochen habe, waren darunter“, so Lucke.
Am Nachmittag steht ein Gespräch mit Luckes Chef in der Anwaltskanzlei an, in der er bislang tätig ist. „Mein Schwerpunkt wird jetzt natürlich auf dem Mandat liegen, das ist ganz klar, da müssen wir schauen, wie ich die bisherige Tätigkeit ruhen lassen kann.“
Sein Mandat im Gladbacher Stadtrat möchte der 33-Jährige unterdessen in jedem Fall behalten: „Es ist auch ein Gewinn für mein Landtagsmandat, wenn ich die Verbindung zur kommunalen Ebene halte und direkt sehe, wie die Ergebnisse der Landespolitik vor Ort ankommen.“
Wer die Landespolitik künftig gestalten soll? „Bitte keine dritte Ampel“, sagt Lucke mit Blick auf den Bergisch Gladbacher Stadtrat und die Bundesregierung. „Wenn die CDU die Gestaltungsmacht bekäme, wäre das natürlich eine große Freude.“
In jedem Fall, so Lucke, wolle er sich bald mit Rainer Deppe zusammensetzen, der zwar den anderen rheinisch-bergischen Wahlkreis gehabt habe, nach dem Tod von Holger Müller aber auch in Gladbach und Rösrath „viel gemacht“ und sich „auch da einen guten Ruf erarbeitet“ habe.
Herbert Reul (CDU)
Zeit, um sich neben dem Innenministeramt Gedanken über sein künftiges Abgeordnetendasein zu machen, hat Reul nicht. Er sitzt am Morgen nach dem Wahlabend bereits wieder im Innenministerium. Als Mitglied des CDU-Landesvorstands, dem er übrigens bereits seit 1987 angehört, sind seine Gedanken bei den nun anstehenden Sondierungsgesprächen. Am Abend ist Sitzung des Landesvorstands. „Vielleicht werden wir da schon eine Reihenfolge für die Gespräche festlegen“, sagt er. „Ich bin gespannt, ob die neue Regierung bis zu den Sommerferien schon steht, obwohl ich’s gut fände, wenn man Handlungsfähigkeit zeigt.“ Ziel sei in jedem Fall eine „arbeitsfähige, verlässliche Regierung“, so Reul. „Und mit den Grünen werden die Gespräche nicht einfach werden.“
Dass Reul, der 2017 ohne Landtagsmandat aus dem Europaparlament von Ministerpräsident Armin Laschet an die Spitze des NRW-Innenministeriums berufen wurde, künftig auch ein Abgeordnetenbüro braucht– daran denkt der 69-Jährige noch nicht. „Konstituierende Sitzung des neuen Landtags ist doch erst Anfang Juni.“
Das Abgeordnetenamt kennt auch der aus Brüssel berufene Minister aus dem Effeff, vor seiner Zeit im Europarlament war Reul von 1985 bis 2004 schon einmal fast zwei Jahrzehnte Landtagsabgeordneter. Deshalb ist ihm auch klar: „Künftig werde ich natürlich auch im Wahlkreis ansprechbar sein“, sagt Reul und ist zuversichtlich, dass sich die Präsenz in Rhein-Berg auch neben dem Ministeramt, das er gerne fortführen würde, einrichten lässt. „Das ist alles eine Frage der Organisation und eines guten Teams vor Ort, ich werde sehen, ob ich da nicht auch auf Rainer Deppes Leute zurückgreifen kann.“
Tülay Durdu (SPD)
„Mein Ziel war es aus eigener Kraft, also mit dem Direktmandat nach Düsseldorf zu kommen – das Ziel habe ich verfehlt.“ Über den Listenplatz 8 wird Tülay Durdu dennoch in den Landtag einziehen. „Die Niederlage meiner Partei schmerzt, aber natürlich freue ich mich auf die neue Aufgabe.“ Derzeit organisiere sie ihr Ende bei ihrem jetzigen Arbeitgeber, dem Tüv. „Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass ich Berufspolitikerin bin.“ Sie werde für einen geordneten Übergang sorgen. Ihre politischen Mandate (Ratsmitglied, Ortsparteivorsitzende) werde sie bis Ende des Jahres aufgeben. Nicht aufgeben werde sie ihr Kreistagsmandat. Viele organisatorische Dinge werde sie erst nach der ersten Sitzung ihrer Landtagsfraktion entscheiden. „Ich betrete ja Neuland“, sagt sie.
Carlo Clemens (AfD)
Carlo Clemens rückt, wie Durdu, über einen Listenplatz seiner Partei ins Landesparlament. Er feierte seinen persönlichen Erfolg am Sonntagabend in der Parteizentrale in Düsseldorf. „Für meine Partei hätte ich mir ein besseres Ergebnis gewünscht.“ In den nächsten Tagen und Wochen müsse er sich neu organisieren. Er werde sich in Gladbach ein Büro mit dem Bundestagsabgeordneten Harald Weyel teilen. „Davon verspreche ich mir auch viele Synergieeffekte zwischen Bundes- und Landespolitik."
Ob er sein Gladbacher Ratsmandat abgebe, sei noch nicht entschieden. Einer Aufgabe will er sich jetzt verstärkt widmen: Der dauerhaften Änderung seines Eintrages im Online-Lexikon Wikipedia. Dort wird er als „rechtsextremer Politiker“ bezeichnet. Dagegen wolle er vorgehen, denn nur weil der Verfassungsschutz ermittle, sei es eine „Schweinerei“, ihn als rechtsextrem zu bezeichnen.